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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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und eines Theiles von Spanien. Schriftliche Denkmäler aus der ältesten Zeit
haben sich nicht erhalten, denn die Druiden (Priester der Eiche, vom keltischen
äern, Eiche) schrieben ihre Lehren, aus Furcht, sie verbreitet zu sehen, nicht
auf, sondern beschränkten 'sich auf mündliche Ueberlieferungen und, um in
der Einsamkeit Forschungen und Betrachtungen anzustellen, welche dem in ihre
Mythen und Lehren Nichteingeweihten fremd bleiben sollten, legten sie ihre
Schulen in den abgelegensten Orten der Wälder an. Der Lehrer hielt seinen
Vertrag in Versen, deren Zahl sich auf viele Tausend belief und die der
Schüler auswendig lernen mußte. Diese Lehrmethode war so schwierig, daß
ein ganzes Leben dazu erforderlich war, um sich mit den sämmtlichen wissen¬
schaftlichen Grundlagen derselben bekannt zu machen. Die ältesten altiri¬
schen Denkmäler stammen aus dem achten oder neunten Jahrhundert. -- Gegen¬
wärtig unterscheidet man zwei Hauptzweige des Keltischen: das Gallsche, wozu
das Neu-irische, die jetzige Sprache der Jrländer, gehört, von welcher das Schotti¬
sche (Hochschottische, Erstsche) wenig, das Manische (auf der Insel Man) weiter
absteht; und das Bretonische, das aus dem Kymrischen in. Wales und dem Ar-
morischen oder Bas Breton in Bretagne besteht. Zu demselben gehört auch
das Cornische in Cornwallis, das gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aus¬
starb. Die nahe und lange dauernde Berührung, die zwischen Kelten und
Angelsachsen stattgefunden hat, mag manches Wort eingeführt haben und zu
ganz verschiedener Zeit, obgleich dabei nicht außer Acht zu lassen ist, daß einzelne
Wörter beiden Sprachen als Gliedern desselben Stammes, des indoeuropäischen,
gemeinsam gewesen sein können. --

Auch in England zog römische Sprache und Sitte mit den römischen Le¬
gionen ein. Die lange Dauer der römischen Herrschaft, die stehenden Lager,
die Ansiedelungen der Veteranen, das Aufblühen bedeutender Städte, ihre leichte
Verbindung durch Straßen förderten eine Bildung, von der noch jetzt zahlreiche
Alterthümer zeugen. Dennoch wurden aber erst seit der Einführung des Christen.
thumS und durch die damit bedingte nähere Beziehung zwischen England und
Rom eine größere Anzahl lateinischer Worte ins Angelsächsische eingeführt.

Da kein Denkmal aus der Zeit der Einwanderung der germanischen
Vol?er in England vorhanden ist, so wissen wir auch von ihren Sprachen
nichts Sicheres. Wahrscheinlicherweise haben sich die Juden in Kent nieder¬
gelassen, da sich daselbst keine auf das Altnordische hinweisende Eigenthümlich¬
keiten erhalten haben. Die Angeln saßen im Norden der Themse und nahmen
das ganze Küstenland ein. In Anglia, das zwischen Themsemündung und
Wash halbinselartig vorspringt, zerfallen sie in ein Süd- und Nordvolk (Suf-
folk, Norfolk), breiten sich über das Innere bis zur Grenze von Wales und
füllen das Gebiet zwischen Humber und dem Römerwall. Ihre Mundart mag
dem Sächsischen und Friesischen ähnlich gewesen sein. Diejenigen Sachsen aber,


Grenzboten I. 186S, 34

und eines Theiles von Spanien. Schriftliche Denkmäler aus der ältesten Zeit
haben sich nicht erhalten, denn die Druiden (Priester der Eiche, vom keltischen
äern, Eiche) schrieben ihre Lehren, aus Furcht, sie verbreitet zu sehen, nicht
auf, sondern beschränkten 'sich auf mündliche Ueberlieferungen und, um in
der Einsamkeit Forschungen und Betrachtungen anzustellen, welche dem in ihre
Mythen und Lehren Nichteingeweihten fremd bleiben sollten, legten sie ihre
Schulen in den abgelegensten Orten der Wälder an. Der Lehrer hielt seinen
Vertrag in Versen, deren Zahl sich auf viele Tausend belief und die der
Schüler auswendig lernen mußte. Diese Lehrmethode war so schwierig, daß
ein ganzes Leben dazu erforderlich war, um sich mit den sämmtlichen wissen¬
schaftlichen Grundlagen derselben bekannt zu machen. Die ältesten altiri¬
schen Denkmäler stammen aus dem achten oder neunten Jahrhundert. — Gegen¬
wärtig unterscheidet man zwei Hauptzweige des Keltischen: das Gallsche, wozu
das Neu-irische, die jetzige Sprache der Jrländer, gehört, von welcher das Schotti¬
sche (Hochschottische, Erstsche) wenig, das Manische (auf der Insel Man) weiter
absteht; und das Bretonische, das aus dem Kymrischen in. Wales und dem Ar-
morischen oder Bas Breton in Bretagne besteht. Zu demselben gehört auch
das Cornische in Cornwallis, das gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aus¬
starb. Die nahe und lange dauernde Berührung, die zwischen Kelten und
Angelsachsen stattgefunden hat, mag manches Wort eingeführt haben und zu
ganz verschiedener Zeit, obgleich dabei nicht außer Acht zu lassen ist, daß einzelne
Wörter beiden Sprachen als Gliedern desselben Stammes, des indoeuropäischen,
gemeinsam gewesen sein können. —

Auch in England zog römische Sprache und Sitte mit den römischen Le¬
gionen ein. Die lange Dauer der römischen Herrschaft, die stehenden Lager,
die Ansiedelungen der Veteranen, das Aufblühen bedeutender Städte, ihre leichte
Verbindung durch Straßen förderten eine Bildung, von der noch jetzt zahlreiche
Alterthümer zeugen. Dennoch wurden aber erst seit der Einführung des Christen.
thumS und durch die damit bedingte nähere Beziehung zwischen England und
Rom eine größere Anzahl lateinischer Worte ins Angelsächsische eingeführt.

Da kein Denkmal aus der Zeit der Einwanderung der germanischen
Vol?er in England vorhanden ist, so wissen wir auch von ihren Sprachen
nichts Sicheres. Wahrscheinlicherweise haben sich die Juden in Kent nieder¬
gelassen, da sich daselbst keine auf das Altnordische hinweisende Eigenthümlich¬
keiten erhalten haben. Die Angeln saßen im Norden der Themse und nahmen
das ganze Küstenland ein. In Anglia, das zwischen Themsemündung und
Wash halbinselartig vorspringt, zerfallen sie in ein Süd- und Nordvolk (Suf-
folk, Norfolk), breiten sich über das Innere bis zur Grenze von Wales und
füllen das Gebiet zwischen Humber und dem Römerwall. Ihre Mundart mag
dem Sächsischen und Friesischen ähnlich gewesen sein. Diejenigen Sachsen aber,


Grenzboten I. 186S, 34
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[0283] und eines Theiles von Spanien. Schriftliche Denkmäler aus der ältesten Zeit haben sich nicht erhalten, denn die Druiden (Priester der Eiche, vom keltischen äern, Eiche) schrieben ihre Lehren, aus Furcht, sie verbreitet zu sehen, nicht auf, sondern beschränkten 'sich auf mündliche Ueberlieferungen und, um in der Einsamkeit Forschungen und Betrachtungen anzustellen, welche dem in ihre Mythen und Lehren Nichteingeweihten fremd bleiben sollten, legten sie ihre Schulen in den abgelegensten Orten der Wälder an. Der Lehrer hielt seinen Vertrag in Versen, deren Zahl sich auf viele Tausend belief und die der Schüler auswendig lernen mußte. Diese Lehrmethode war so schwierig, daß ein ganzes Leben dazu erforderlich war, um sich mit den sämmtlichen wissen¬ schaftlichen Grundlagen derselben bekannt zu machen. Die ältesten altiri¬ schen Denkmäler stammen aus dem achten oder neunten Jahrhundert. — Gegen¬ wärtig unterscheidet man zwei Hauptzweige des Keltischen: das Gallsche, wozu das Neu-irische, die jetzige Sprache der Jrländer, gehört, von welcher das Schotti¬ sche (Hochschottische, Erstsche) wenig, das Manische (auf der Insel Man) weiter absteht; und das Bretonische, das aus dem Kymrischen in. Wales und dem Ar- morischen oder Bas Breton in Bretagne besteht. Zu demselben gehört auch das Cornische in Cornwallis, das gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aus¬ starb. Die nahe und lange dauernde Berührung, die zwischen Kelten und Angelsachsen stattgefunden hat, mag manches Wort eingeführt haben und zu ganz verschiedener Zeit, obgleich dabei nicht außer Acht zu lassen ist, daß einzelne Wörter beiden Sprachen als Gliedern desselben Stammes, des indoeuropäischen, gemeinsam gewesen sein können. — Auch in England zog römische Sprache und Sitte mit den römischen Le¬ gionen ein. Die lange Dauer der römischen Herrschaft, die stehenden Lager, die Ansiedelungen der Veteranen, das Aufblühen bedeutender Städte, ihre leichte Verbindung durch Straßen förderten eine Bildung, von der noch jetzt zahlreiche Alterthümer zeugen. Dennoch wurden aber erst seit der Einführung des Christen. thumS und durch die damit bedingte nähere Beziehung zwischen England und Rom eine größere Anzahl lateinischer Worte ins Angelsächsische eingeführt. Da kein Denkmal aus der Zeit der Einwanderung der germanischen Vol?er in England vorhanden ist, so wissen wir auch von ihren Sprachen nichts Sicheres. Wahrscheinlicherweise haben sich die Juden in Kent nieder¬ gelassen, da sich daselbst keine auf das Altnordische hinweisende Eigenthümlich¬ keiten erhalten haben. Die Angeln saßen im Norden der Themse und nahmen das ganze Küstenland ein. In Anglia, das zwischen Themsemündung und Wash halbinselartig vorspringt, zerfallen sie in ein Süd- und Nordvolk (Suf- folk, Norfolk), breiten sich über das Innere bis zur Grenze von Wales und füllen das Gebiet zwischen Humber und dem Römerwall. Ihre Mundart mag dem Sächsischen und Friesischen ähnlich gewesen sein. Diejenigen Sachsen aber, Grenzboten I. 186S, 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/283>, abgerufen am 23.07.2024.