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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Stimme im Congreß haben, auch die thatkräftigern sind, so steht nicht zu er¬
warten, daß dieselben "achgeben, so lange ihre Truppen die Sieger sind. --
Es ist ein ähnlicher Fehler, wie ihn Napoleon 1814 beging, indem er Blücher
freiließ und sich gegen die große Armee unter Schwarzenberg wandte. Dort,
nicht hier war das Element, welches nach Paris drängte und Napoleon vom
Throne stürzte.

Daß Grant nicht zur vollen Eroberung des Staates Mississippi schritt,
dürfte kaum ihm zuzuschreiben sein, sondern allein der obern Leitung in Wa¬
shington, die den siegreichen Truppen in Tennessee nicht den Befehl gab zur
Unterstützung Granes gegen Corinth vorzugehen und diesem die Hand zu geben,
sondern es gestattete, daß die Lvnföderirten wieder von Corinth und Gegend
Besitz nahmen. Auch war das wirkliche.Erobern, das Herrschen und Organi-
siren der Generale in den Provinzen nicht im Geschmack der Regierung. Das
bewies sie schlagend durch die Entfernung Butters aus Neuorleans, der es
verstand Louisiana wirklich zu unterwerfen, die alten rebellischen Besitzer zu
entfernen und die Union zum Eigenthümer der gesammten Production zu machen.
Solche kleine Könige konnte man nicht vertragen. Lincoln geht wohl heute
noch von der Ansicht aus, daß er nur Schlachten zu gewinnen braucht, um den
Gegner zu überwinden und die herrschende Kraft eines Eroberers entbehren
könne. Aber die Sachen scheinen so zu liegen, daß man entweder Frieden
machen oder eine Herrschaft über den Süden mit den entsprechenden Kraft-
elementen orgcuiisiren muß. Alles Andere ist eine Verschwendung der edelsten
Kräfte des Landes.

Grant also zog sich in seine alte Stellung zurück und verlegte seine Trup¬
pen zur Erholung in rückwärtige Qncuticre, bis im Monat October die Ereig¬
nisse in Osttenncssee ihn dorthin riefen, und er, wie wir sehen werden, von
Neuem Gelegenheit erhielt, die ihm eigne Festigkeit in der Durchführung der
gestellten Aufgaben zu beweisen. Banks, der von Neuorleans aus, wie schon
gesagt, Port Hudson, genommen hatte, gab alle organisirenden Maßregeln
Butters auf und begnügte sich, seine Herrschaft durch Streifzüge nach allen
Richtungen, zumal nach Texas hin geltend zu machen. Statt zu erhalten und
zu schaffen zerstörte er und vermehrte dadurch die Feinde der Union. Er machte
Razzias wie die Franzosen in Afrika und Verwüstung bezeichnete die Bahnen
seiner Thaten.

Im Osten waren unterdeß wieder große Schlachten geschlagen worden.

Die Consöderirten hatten Fredericksburg in den ersten Monaten des Jahres
immer mehr befestigt und sich überhaupt hinter dem Nappahannock etablirt.
Hooker, den wir seit Anfang des Jahres an der Spitze der Potvmacarmce


Grenzboten I. 186S. 30

Stimme im Congreß haben, auch die thatkräftigern sind, so steht nicht zu er¬
warten, daß dieselben »achgeben, so lange ihre Truppen die Sieger sind. —
Es ist ein ähnlicher Fehler, wie ihn Napoleon 1814 beging, indem er Blücher
freiließ und sich gegen die große Armee unter Schwarzenberg wandte. Dort,
nicht hier war das Element, welches nach Paris drängte und Napoleon vom
Throne stürzte.

Daß Grant nicht zur vollen Eroberung des Staates Mississippi schritt,
dürfte kaum ihm zuzuschreiben sein, sondern allein der obern Leitung in Wa¬
shington, die den siegreichen Truppen in Tennessee nicht den Befehl gab zur
Unterstützung Granes gegen Corinth vorzugehen und diesem die Hand zu geben,
sondern es gestattete, daß die Lvnföderirten wieder von Corinth und Gegend
Besitz nahmen. Auch war das wirkliche.Erobern, das Herrschen und Organi-
siren der Generale in den Provinzen nicht im Geschmack der Regierung. Das
bewies sie schlagend durch die Entfernung Butters aus Neuorleans, der es
verstand Louisiana wirklich zu unterwerfen, die alten rebellischen Besitzer zu
entfernen und die Union zum Eigenthümer der gesammten Production zu machen.
Solche kleine Könige konnte man nicht vertragen. Lincoln geht wohl heute
noch von der Ansicht aus, daß er nur Schlachten zu gewinnen braucht, um den
Gegner zu überwinden und die herrschende Kraft eines Eroberers entbehren
könne. Aber die Sachen scheinen so zu liegen, daß man entweder Frieden
machen oder eine Herrschaft über den Süden mit den entsprechenden Kraft-
elementen orgcuiisiren muß. Alles Andere ist eine Verschwendung der edelsten
Kräfte des Landes.

Grant also zog sich in seine alte Stellung zurück und verlegte seine Trup¬
pen zur Erholung in rückwärtige Qncuticre, bis im Monat October die Ereig¬
nisse in Osttenncssee ihn dorthin riefen, und er, wie wir sehen werden, von
Neuem Gelegenheit erhielt, die ihm eigne Festigkeit in der Durchführung der
gestellten Aufgaben zu beweisen. Banks, der von Neuorleans aus, wie schon
gesagt, Port Hudson, genommen hatte, gab alle organisirenden Maßregeln
Butters auf und begnügte sich, seine Herrschaft durch Streifzüge nach allen
Richtungen, zumal nach Texas hin geltend zu machen. Statt zu erhalten und
zu schaffen zerstörte er und vermehrte dadurch die Feinde der Union. Er machte
Razzias wie die Franzosen in Afrika und Verwüstung bezeichnete die Bahnen
seiner Thaten.

Im Osten waren unterdeß wieder große Schlachten geschlagen worden.

Die Consöderirten hatten Fredericksburg in den ersten Monaten des Jahres
immer mehr befestigt und sich überhaupt hinter dem Nappahannock etablirt.
Hooker, den wir seit Anfang des Jahres an der Spitze der Potvmacarmce


Grenzboten I. 186S. 30
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[0249] Stimme im Congreß haben, auch die thatkräftigern sind, so steht nicht zu er¬ warten, daß dieselben »achgeben, so lange ihre Truppen die Sieger sind. — Es ist ein ähnlicher Fehler, wie ihn Napoleon 1814 beging, indem er Blücher freiließ und sich gegen die große Armee unter Schwarzenberg wandte. Dort, nicht hier war das Element, welches nach Paris drängte und Napoleon vom Throne stürzte. Daß Grant nicht zur vollen Eroberung des Staates Mississippi schritt, dürfte kaum ihm zuzuschreiben sein, sondern allein der obern Leitung in Wa¬ shington, die den siegreichen Truppen in Tennessee nicht den Befehl gab zur Unterstützung Granes gegen Corinth vorzugehen und diesem die Hand zu geben, sondern es gestattete, daß die Lvnföderirten wieder von Corinth und Gegend Besitz nahmen. Auch war das wirkliche.Erobern, das Herrschen und Organi- siren der Generale in den Provinzen nicht im Geschmack der Regierung. Das bewies sie schlagend durch die Entfernung Butters aus Neuorleans, der es verstand Louisiana wirklich zu unterwerfen, die alten rebellischen Besitzer zu entfernen und die Union zum Eigenthümer der gesammten Production zu machen. Solche kleine Könige konnte man nicht vertragen. Lincoln geht wohl heute noch von der Ansicht aus, daß er nur Schlachten zu gewinnen braucht, um den Gegner zu überwinden und die herrschende Kraft eines Eroberers entbehren könne. Aber die Sachen scheinen so zu liegen, daß man entweder Frieden machen oder eine Herrschaft über den Süden mit den entsprechenden Kraft- elementen orgcuiisiren muß. Alles Andere ist eine Verschwendung der edelsten Kräfte des Landes. Grant also zog sich in seine alte Stellung zurück und verlegte seine Trup¬ pen zur Erholung in rückwärtige Qncuticre, bis im Monat October die Ereig¬ nisse in Osttenncssee ihn dorthin riefen, und er, wie wir sehen werden, von Neuem Gelegenheit erhielt, die ihm eigne Festigkeit in der Durchführung der gestellten Aufgaben zu beweisen. Banks, der von Neuorleans aus, wie schon gesagt, Port Hudson, genommen hatte, gab alle organisirenden Maßregeln Butters auf und begnügte sich, seine Herrschaft durch Streifzüge nach allen Richtungen, zumal nach Texas hin geltend zu machen. Statt zu erhalten und zu schaffen zerstörte er und vermehrte dadurch die Feinde der Union. Er machte Razzias wie die Franzosen in Afrika und Verwüstung bezeichnete die Bahnen seiner Thaten. Im Osten waren unterdeß wieder große Schlachten geschlagen worden. Die Consöderirten hatten Fredericksburg in den ersten Monaten des Jahres immer mehr befestigt und sich überhaupt hinter dem Nappahannock etablirt. Hooker, den wir seit Anfang des Jahres an der Spitze der Potvmacarmce Grenzboten I. 186S. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/249>, abgerufen am 23.07.2024.