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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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toucher und Verputzungen beigetragen, wie weit der Firniß, wie weit die Farbe
gelitten habe. Nur wer hierüber sowohl durch gründliche technische Kenntnisse
als durch ein feines Kunstverständniß ins Klare zu kommen vermag, wird eine
Herstellung des Bildes, welche es auch sei. ohne Schaden desselben und mit
Erfolg vornehmen können. Ob jenes Verfahren angewendet werden dürfe,
wird man nur dem anheimgeben können, der aus der praktischen Erforschung
der alten Kunst nach allen Seiten sein Fach gemacht und in diesem sich be¬
währt hat. Wenn in irgendeinem Zweige des Lebens, so gilt in der Kunst
der naturgemäße Grundsatz: was die Wissenschaft entdeckt hat, kann sie nicht
selber ohne Weiteres auf den gegebenen Fall anwenden, sondern sie muß den
Gebrauch der von ihr gegebenen Mittel dem Sachverständigen, hier also dem
praktisch erfahrenen Kunstkenner, überlassen.

Die Regierung hat den bedenklichen Zustand, in dem sich ein Theil der
Galerie befindet, anerkannt und wenigstens die einleitenden Schritte ge¬
than, ihm abzuhelfen. Kann man sich dazu entschließen, die Beseitigung
der verschiedenen Schäden mit Umsicht und Energie zu betreiben und zu¬
gleich eine passende Umstellung der ungünstig hängenden Meisterbilder, so wett
sie ohne bauliche Veränderungen möglich ist, vorzunehmen: so wird sich der
Werth der Sammlung sowohl für den studirenden Künstler, wie den genießenden
Laien verdoppeln, ja sie wird erst dann ihren eigentlichen Werth, ihre volle
Wirkung erlangen. Für den Künstler frettich wie für den Beschauer wird
dann auch erforderlich sein, daß man nicht wie bisher die zum Copiren be¬
gehrten Gemälde aus den Galcrierciumen in einen eigenen Copirsaal schaffe,
sondern sie an Ort und Stelle lasse und so dem Einen das Studium erleich¬
tere, dem Andern den Anblick des Bildes nicht für eine oft ziemlich lange
Zeit entziehe. -- Will man aber um die Pflege der alten Kunstschätze besorg¬
ter sein als bisher, so wird man hoffentlich auch die Schleißheimer Ga¬
lerie nicht vergessen. Diese enthält noch immer, nachdem sie schon manches
an die Pinakothek abgegeben hat, nicht blos kunstgeschichtlich werthvolle Werke,
sondern auch eine gute Anzahl von Meistergemälden, die in sich selber absolu¬
ten Werth und Bedeutung haben (mehre sehr schöne Rubens; einige gute
Italiener, wie Paolo Veronese, Tintoretto, Pinturicchio, Caldara; Altdeutsche
wie L. Cranach und Schäuffelin; Franzosen, wie Dughet. Millet, von den
Späteren Greuze, I. B. Vanlov; vor allem aber eine gute Anzahl vortreff¬
licher Holländer -- worunter manche, die in München nicht oder schwach ver¬
treten sind wie Molenaer, A. Cuyp, Landschaften von E. van der Neer --
mehre Teniers und I. Breughel, dann Eckhout, A. van der Velde, Mirevelt,
Gvyen, S. Ruysdael, C. Sachtleven, Poelenburg, Vlieger, Backhuysen, D. de
Heem, Huysum u. s. f. Alles indessen in einem bejammernswerthen Zustande,
auch die besten Werke von einem trüben, grauen, tauben Aussehen, manche kaum


toucher und Verputzungen beigetragen, wie weit der Firniß, wie weit die Farbe
gelitten habe. Nur wer hierüber sowohl durch gründliche technische Kenntnisse
als durch ein feines Kunstverständniß ins Klare zu kommen vermag, wird eine
Herstellung des Bildes, welche es auch sei. ohne Schaden desselben und mit
Erfolg vornehmen können. Ob jenes Verfahren angewendet werden dürfe,
wird man nur dem anheimgeben können, der aus der praktischen Erforschung
der alten Kunst nach allen Seiten sein Fach gemacht und in diesem sich be¬
währt hat. Wenn in irgendeinem Zweige des Lebens, so gilt in der Kunst
der naturgemäße Grundsatz: was die Wissenschaft entdeckt hat, kann sie nicht
selber ohne Weiteres auf den gegebenen Fall anwenden, sondern sie muß den
Gebrauch der von ihr gegebenen Mittel dem Sachverständigen, hier also dem
praktisch erfahrenen Kunstkenner, überlassen.

Die Regierung hat den bedenklichen Zustand, in dem sich ein Theil der
Galerie befindet, anerkannt und wenigstens die einleitenden Schritte ge¬
than, ihm abzuhelfen. Kann man sich dazu entschließen, die Beseitigung
der verschiedenen Schäden mit Umsicht und Energie zu betreiben und zu¬
gleich eine passende Umstellung der ungünstig hängenden Meisterbilder, so wett
sie ohne bauliche Veränderungen möglich ist, vorzunehmen: so wird sich der
Werth der Sammlung sowohl für den studirenden Künstler, wie den genießenden
Laien verdoppeln, ja sie wird erst dann ihren eigentlichen Werth, ihre volle
Wirkung erlangen. Für den Künstler frettich wie für den Beschauer wird
dann auch erforderlich sein, daß man nicht wie bisher die zum Copiren be¬
gehrten Gemälde aus den Galcrierciumen in einen eigenen Copirsaal schaffe,
sondern sie an Ort und Stelle lasse und so dem Einen das Studium erleich¬
tere, dem Andern den Anblick des Bildes nicht für eine oft ziemlich lange
Zeit entziehe. — Will man aber um die Pflege der alten Kunstschätze besorg¬
ter sein als bisher, so wird man hoffentlich auch die Schleißheimer Ga¬
lerie nicht vergessen. Diese enthält noch immer, nachdem sie schon manches
an die Pinakothek abgegeben hat, nicht blos kunstgeschichtlich werthvolle Werke,
sondern auch eine gute Anzahl von Meistergemälden, die in sich selber absolu¬
ten Werth und Bedeutung haben (mehre sehr schöne Rubens; einige gute
Italiener, wie Paolo Veronese, Tintoretto, Pinturicchio, Caldara; Altdeutsche
wie L. Cranach und Schäuffelin; Franzosen, wie Dughet. Millet, von den
Späteren Greuze, I. B. Vanlov; vor allem aber eine gute Anzahl vortreff¬
licher Holländer — worunter manche, die in München nicht oder schwach ver¬
treten sind wie Molenaer, A. Cuyp, Landschaften von E. van der Neer —
mehre Teniers und I. Breughel, dann Eckhout, A. van der Velde, Mirevelt,
Gvyen, S. Ruysdael, C. Sachtleven, Poelenburg, Vlieger, Backhuysen, D. de
Heem, Huysum u. s. f. Alles indessen in einem bejammernswerthen Zustande,
auch die besten Werke von einem trüben, grauen, tauben Aussehen, manche kaum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/242>, abgerufen am 23.07.2024.