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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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miiians. Er beschränkte sich auf die Architektur -- "er glaubte auch hierin
nach Rankes feinem Ausdruck fast etwas Eigenes leisten zu können" --für die
er, wie schon bemerkt, nach dem Stile des neunzehnten Jahrhunderts suchte;
außerdem ließ er sich noch für seine Baute" namentlich die historische Malerei
angelegen sein, die er deshalb weit systematischer auszubilden strebte, als es
sein Vorgänger gethan hatte. Ihm lag vorab die Verherrlichung der baye¬
rischen Geschichte und seiner eigenen Negierung im Sinn: daß es ihm dabei
mehr um den Stoff, als um die künstlerische Form zu thun war, liegt in der
Natur der Sache und mag man dem Regenten ruche verargen. Wie sich die baye¬
rische Geschichte im farbigen Gewände ausnehmen wird, wissen orr nicht, da
die jetzt fertigen von den bestellten Werken unter ängstlichem Verschluß gehalten
werden. Aber daß der Kunst der aufgedrungene Stoff, der wohl zudem nach
der Denkart des Jahrhunderts historisch treu wiederzugeben ist, also um so
weniger Spielraum der Phantasie läßt, kaum vorwärts helfen wird, ist nicht
schwer vorauszusehen. Es ist mit d-.r historischen Malerei, welche unsere
Aesthetiker als die Kunst der Zukunft bezeichnet haben, etwas Aehnliches, wie
mit dem modernen Baustil, wenn sie auch weiter vorgerückt ist. Man fühlt,
man ahnt, daß dahinaus die Kunst sich zu einer neuen Blüthe entfalten könne,
aber die Ungeduld des Zeitalters, dem es eigenthümlich ist. mit der Reflexion
dem Schaffen voranzugehen, wartet nicht ab und will den Keim, der noch ver¬
schlossen im Boden ruht, mit künstlichen Mitteln hervortreiben. Damit aber
ist die gesunde Entwicklung von innen heraus gestört und auch das, was die
gegenwärtige Kunst leisten könnte, verloren, oder doch verkümmert. Was der
neue Baustil zu Wege gebracht hat. darauf werden wir zurückkommen. Der
günstigen Ausbildung aber der Malerei stand nicht nur entgegen, daß ihr
ein Stoff geboten wurde, den künstlerisch zu überwältigen sie noch nicht die
Mittel hatte, sondern auch die unbequeme Bestimmtheit der historischen Vor¬
würfe, mir denen in nicht wenige" Fällen selbst der nicht leicht verlegene Rubens
kaum hätte etwas anzufangen wissen. Und doch hatte dieser noch leichteres
Spiel als der Maler von heute; was er ungescheut wagen dürfte, unter
seine Menschen olympische Götter, christliche Engel und allegorische Figuren zu
mischen, das würde der historische Realismus unserer Zeit streng zu rügen wissen.

War so König Max durch das System, das er im Auge hatte und die
Vorliebe sür den Stoff um die freie Bewegung der Kunst noch weniger als
Ludwig bekümmert, so schien er andrerseits Eines gut machen zu wollen, was
dieser versäumt hatte: die selbständige Beschäftigung der jungen Talente. Er
wollte diese nicht als bloße Arbeiter unter wenigen Meistern verkommen und
die Wände nicht mit schablonenmäßigen Bilder" bedecken lassen; vielmehr sollten
sie ihre jungen Kräfte aus eigene Hand versuchen und so in die Kunstwecke
Mannigfaltigkeit und die Frische des Lebens kommen. Auch wer von den at-


miiians. Er beschränkte sich auf die Architektur — „er glaubte auch hierin
nach Rankes feinem Ausdruck fast etwas Eigenes leisten zu können" —für die
er, wie schon bemerkt, nach dem Stile des neunzehnten Jahrhunderts suchte;
außerdem ließ er sich noch für seine Baute» namentlich die historische Malerei
angelegen sein, die er deshalb weit systematischer auszubilden strebte, als es
sein Vorgänger gethan hatte. Ihm lag vorab die Verherrlichung der baye¬
rischen Geschichte und seiner eigenen Negierung im Sinn: daß es ihm dabei
mehr um den Stoff, als um die künstlerische Form zu thun war, liegt in der
Natur der Sache und mag man dem Regenten ruche verargen. Wie sich die baye¬
rische Geschichte im farbigen Gewände ausnehmen wird, wissen orr nicht, da
die jetzt fertigen von den bestellten Werken unter ängstlichem Verschluß gehalten
werden. Aber daß der Kunst der aufgedrungene Stoff, der wohl zudem nach
der Denkart des Jahrhunderts historisch treu wiederzugeben ist, also um so
weniger Spielraum der Phantasie läßt, kaum vorwärts helfen wird, ist nicht
schwer vorauszusehen. Es ist mit d-.r historischen Malerei, welche unsere
Aesthetiker als die Kunst der Zukunft bezeichnet haben, etwas Aehnliches, wie
mit dem modernen Baustil, wenn sie auch weiter vorgerückt ist. Man fühlt,
man ahnt, daß dahinaus die Kunst sich zu einer neuen Blüthe entfalten könne,
aber die Ungeduld des Zeitalters, dem es eigenthümlich ist. mit der Reflexion
dem Schaffen voranzugehen, wartet nicht ab und will den Keim, der noch ver¬
schlossen im Boden ruht, mit künstlichen Mitteln hervortreiben. Damit aber
ist die gesunde Entwicklung von innen heraus gestört und auch das, was die
gegenwärtige Kunst leisten könnte, verloren, oder doch verkümmert. Was der
neue Baustil zu Wege gebracht hat. darauf werden wir zurückkommen. Der
günstigen Ausbildung aber der Malerei stand nicht nur entgegen, daß ihr
ein Stoff geboten wurde, den künstlerisch zu überwältigen sie noch nicht die
Mittel hatte, sondern auch die unbequeme Bestimmtheit der historischen Vor¬
würfe, mir denen in nicht wenige» Fällen selbst der nicht leicht verlegene Rubens
kaum hätte etwas anzufangen wissen. Und doch hatte dieser noch leichteres
Spiel als der Maler von heute; was er ungescheut wagen dürfte, unter
seine Menschen olympische Götter, christliche Engel und allegorische Figuren zu
mischen, das würde der historische Realismus unserer Zeit streng zu rügen wissen.

War so König Max durch das System, das er im Auge hatte und die
Vorliebe sür den Stoff um die freie Bewegung der Kunst noch weniger als
Ludwig bekümmert, so schien er andrerseits Eines gut machen zu wollen, was
dieser versäumt hatte: die selbständige Beschäftigung der jungen Talente. Er
wollte diese nicht als bloße Arbeiter unter wenigen Meistern verkommen und
die Wände nicht mit schablonenmäßigen Bilder» bedecken lassen; vielmehr sollten
sie ihre jungen Kräfte aus eigene Hand versuchen und so in die Kunstwecke
Mannigfaltigkeit und die Frische des Lebens kommen. Auch wer von den at-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/24>, abgerufen am 23.07.2024.