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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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gang und Gewinn dieser Geschäfte stets zweifelhaft waren wegen der ungewissen
Lebensdauer der Versicherten.

An die Leibrentenbänke schlössen sich nun die städtischen Wechsel-, Darichns-
bänke und Pfandhäuser, indem die Behörden sich entweder vornehmlich Antheil
an dem Gewinne der privaten Banken gleicher Art sichern, oder gleichzeitig da¬
mit den zu hohen Wucher der privaten Banken unmöglich machen wollten.

Für die Banken ersteren Zweckes giebt Frankfurt a. M. einen höchst
interessanten Beleg. Der dortige Rath, welcher seit 1346 das Regal des Hcmd-
wechselns erwarb und es den oben erwähnten Nebenwechslern zur Ausübung
übertrug, welcher ferner seit 1346 das Recht, kleine, seit 1429 das, große Münzen
zu prägen, von den Kaisern erhielt, "bestellte 1402 den Wessil". Er errichtete
nämlich eine Handelsbank, deren kaufmännische Geschäfte er mit seinem ein¬
geschossenen Capitale durch vierzehn gemiethete Geschäftsleute besorgen ließ.
900 si. gab er der Bank als Stammcapital und ließ außerdem 1500 si, für
die Stadtkasse durch die Bank einziehn. Privatleute durften von vornherein
ihre Gelder bei derselben anlegen und deponiren. Die Geschäfte der Bank be¬
standen wesentlich in Handwechsel, Depositen und Geldgeschäften, besonders
Darlehn. Die darin angelegten Privatgelder schützte der Rath zu seinem eige¬
nen Vortheile durch das Gesetz vom October 1402 dahin, daß diese Gelder
niemand (also auch nicht ein Gericht) sollte "verkümmern oder aufhalten" dürfen.
Schon 1403 erwies diese Bank sich so vortheilhaft, daß der Rath statt ihrer
vier neue, von einander unabhängige Banken errichtete, deren eine er selbst,
wie jene erste, verwaltete, während er die drei andern durch Concessionen an
Privatleute vermiethete. Die Hauptconcessivn enthielt folgende Hauptsätze: Joh.
Palmstorf und Druden seine eheliche Hausfrau sollen den Wechsel in ihrem
Hause zum Quydcnbaum treiben, der Rath kerbt und bestellt "an den Wechsel"
2000 si. Stammcapital, ebensoviel die Miether. Was diese mit den 4000 si.
ferner mit den Geld- und andern Depositen anderer Leute, endlich mit dem
Handwechseln und Wiegegeld (der Gelder und Kostbarkeiten) verdienen, sollte
zur Hälfte der Stadtkasse, zur Hälfte den Miethern (Bankhaltern) gehören und
jährlich zweimal, nach jeder der zwei frankfurter Messen, berechnet und getheilt
werden. Der Rath und die Bankhalter sollten sich gegenseitig, nach freiem
Willen bei ihren Ausgaben mit Darlehn unterstützen, 3 Jahre mit halbjäh¬
riger, und für die Wechsler wegen mangelnden Lebensunterhaltes oder Krank¬
heit selbst innerhalb dieser Miethszeit mit vierteljähriger Kündigung sollte der
Vertrag dauern, danach beliebig verlängert werden. Der Geschäftskreis der
Bank erhellt hieraus. Die Geldgeschäfte waren unbegrenzt, sie erstreckten sich
auf zinsbare Darlehn, Anweisungen, Wechselbriefe; letztere stellte sie auf Ver¬
langen aus. die auf sie -- meist in den Messen fälligen -- gezogenen Wechsel,
zum Theil von weiten Orten her, löste sie ein; das Discontiren war bekannt.


gang und Gewinn dieser Geschäfte stets zweifelhaft waren wegen der ungewissen
Lebensdauer der Versicherten.

An die Leibrentenbänke schlössen sich nun die städtischen Wechsel-, Darichns-
bänke und Pfandhäuser, indem die Behörden sich entweder vornehmlich Antheil
an dem Gewinne der privaten Banken gleicher Art sichern, oder gleichzeitig da¬
mit den zu hohen Wucher der privaten Banken unmöglich machen wollten.

Für die Banken ersteren Zweckes giebt Frankfurt a. M. einen höchst
interessanten Beleg. Der dortige Rath, welcher seit 1346 das Regal des Hcmd-
wechselns erwarb und es den oben erwähnten Nebenwechslern zur Ausübung
übertrug, welcher ferner seit 1346 das Recht, kleine, seit 1429 das, große Münzen
zu prägen, von den Kaisern erhielt, „bestellte 1402 den Wessil". Er errichtete
nämlich eine Handelsbank, deren kaufmännische Geschäfte er mit seinem ein¬
geschossenen Capitale durch vierzehn gemiethete Geschäftsleute besorgen ließ.
900 si. gab er der Bank als Stammcapital und ließ außerdem 1500 si, für
die Stadtkasse durch die Bank einziehn. Privatleute durften von vornherein
ihre Gelder bei derselben anlegen und deponiren. Die Geschäfte der Bank be¬
standen wesentlich in Handwechsel, Depositen und Geldgeschäften, besonders
Darlehn. Die darin angelegten Privatgelder schützte der Rath zu seinem eige¬
nen Vortheile durch das Gesetz vom October 1402 dahin, daß diese Gelder
niemand (also auch nicht ein Gericht) sollte „verkümmern oder aufhalten" dürfen.
Schon 1403 erwies diese Bank sich so vortheilhaft, daß der Rath statt ihrer
vier neue, von einander unabhängige Banken errichtete, deren eine er selbst,
wie jene erste, verwaltete, während er die drei andern durch Concessionen an
Privatleute vermiethete. Die Hauptconcessivn enthielt folgende Hauptsätze: Joh.
Palmstorf und Druden seine eheliche Hausfrau sollen den Wechsel in ihrem
Hause zum Quydcnbaum treiben, der Rath kerbt und bestellt „an den Wechsel"
2000 si. Stammcapital, ebensoviel die Miether. Was diese mit den 4000 si.
ferner mit den Geld- und andern Depositen anderer Leute, endlich mit dem
Handwechseln und Wiegegeld (der Gelder und Kostbarkeiten) verdienen, sollte
zur Hälfte der Stadtkasse, zur Hälfte den Miethern (Bankhaltern) gehören und
jährlich zweimal, nach jeder der zwei frankfurter Messen, berechnet und getheilt
werden. Der Rath und die Bankhalter sollten sich gegenseitig, nach freiem
Willen bei ihren Ausgaben mit Darlehn unterstützen, 3 Jahre mit halbjäh¬
riger, und für die Wechsler wegen mangelnden Lebensunterhaltes oder Krank¬
heit selbst innerhalb dieser Miethszeit mit vierteljähriger Kündigung sollte der
Vertrag dauern, danach beliebig verlängert werden. Der Geschäftskreis der
Bank erhellt hieraus. Die Geldgeschäfte waren unbegrenzt, sie erstreckten sich
auf zinsbare Darlehn, Anweisungen, Wechselbriefe; letztere stellte sie auf Ver¬
langen aus. die auf sie — meist in den Messen fälligen — gezogenen Wechsel,
zum Theil von weiten Orten her, löste sie ein; das Discontiren war bekannt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/187>, abgerufen am 23.07.2024.