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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Ich hatte kaum einige Schütte weiter gethan, als sich die Panzcrreihe
Plötzlich unterbrach und ein seltsamer Anblick sich den Augen darbot. Zusam-
mengcthürmt standen die schönfarbigen Banner mit dem weißen Kreuz auf
rothem Grunde, wie es dereinst in Esthland der Himmel selbst dem allerchrist-
lichsten Könige Waldemar zum Siege über die Heiden in die Hände geworfen.
Es war das damals im Grunde keine glückliche Anleitung, denn es veranlaßte die
Nachkommen des grossen Eroberers, wenn sie unter der Fahne kämpften, bis
auf unsere Tage zu dem Wahn, sie hätten es immer noch mit Heiden zu thun,
die man auf jede Weise, wenn nicht anders mit Feuer und Schwert, zum
kopenhagener Glauben bekehren müsse. Was aber noch schlimmer, sie meinten
auch stets, der Himmel sei dabei mit ihnen und im heiligen Eifer für diese
Ueberzeugung ließen sie sich so weit fortreiße", bis das Symbol ihres Glau¬
bens, der Danebrog, noch weiter fortgerissen wurde, nämlich bis in das k. k.
Arsenal zu Wie".

Dieser hängt dort aber jedenfalls an der unrechten Stelle und ist wohl
nur durch ein MißVerständniß in die antike Gesellschaft östreichischer Trophäen
gerathen. Wie ich nachträglich vernommen, wird er dort auch nur kurze Frist
bis zur Uebersiedelung an den ihm ursprünglich bestimmten Platz verbleiben,
und ich beklage nur, daß .es durch dies Provisorium in den Augen Spott¬
süchtiger den Anschein erhalten, als sähe ein Staat von vierzig Millionen seinen
Kriegsruhm durch diesen Gewinn vermehrt. Ich erinnere mich, daß ihm vor
einem halben Decennium von anderer Seite zugerufen wurde: Hie KKoäus,
die salta,! -- aber ich kann mich schlechterdings nicht erinnern, Spolien dieser
Tanzleistung in dem k. k. Arsenal erblickt zu haben. Ich vergesse, man sagte
mir, auf dem Hofraum hinter dem Kugeldcpot habe lange die französische
Broncekanone gelegen, welche ihre früheren Besitzer, ich weiß nicht ob bei
Magenta oder Solferino unbrauchbar gefunden. Sie ist augenblicklich dem
Schmelzofen übergeben und wird, anstatt in einem Winkel übersehen zu werde",
als Medaille von vielen bestaunt, die Brust der Tapferen schmücken, die in¬
mitten ihrer Niederlage ein Herz für das Bedürfniß ihres Vaterlandes nach
Metall besessen.

Wir treten in die Arsenalkirche, wo der alte weißbärtige Krieger-Küster
andachtsvoll vor dem wunderbaren, rosenumgürtetcn Madonnenbilde anhält.
"Sie sehen hier, meine Herren," begann er mit feierlicher Stimme, die wohl
schon manchen fremden Hörer mit den Schauern eines großen Augenblickes
überrieselt hatte, "das gebenedeiteste Bild der heiligen Mutter Gottes in
Oestreich. Bei der Erstürmung des Gebäudes, in dem es sich befand, sind
die feindlichen Kugeln rings umher eingeschlagen; jede Rose bedeutet eine Ku¬
gel, aber durch den Schutz der allerherrlichsten Jungfrau ward es ihnen ver-
wehrt, auch nur den Saum ihres geheiligten Gewandes zu verletzen."


Grenzboten I. 1865. M

Ich hatte kaum einige Schütte weiter gethan, als sich die Panzcrreihe
Plötzlich unterbrach und ein seltsamer Anblick sich den Augen darbot. Zusam-
mengcthürmt standen die schönfarbigen Banner mit dem weißen Kreuz auf
rothem Grunde, wie es dereinst in Esthland der Himmel selbst dem allerchrist-
lichsten Könige Waldemar zum Siege über die Heiden in die Hände geworfen.
Es war das damals im Grunde keine glückliche Anleitung, denn es veranlaßte die
Nachkommen des grossen Eroberers, wenn sie unter der Fahne kämpften, bis
auf unsere Tage zu dem Wahn, sie hätten es immer noch mit Heiden zu thun,
die man auf jede Weise, wenn nicht anders mit Feuer und Schwert, zum
kopenhagener Glauben bekehren müsse. Was aber noch schlimmer, sie meinten
auch stets, der Himmel sei dabei mit ihnen und im heiligen Eifer für diese
Ueberzeugung ließen sie sich so weit fortreiße», bis das Symbol ihres Glau¬
bens, der Danebrog, noch weiter fortgerissen wurde, nämlich bis in das k. k.
Arsenal zu Wie«.

Dieser hängt dort aber jedenfalls an der unrechten Stelle und ist wohl
nur durch ein MißVerständniß in die antike Gesellschaft östreichischer Trophäen
gerathen. Wie ich nachträglich vernommen, wird er dort auch nur kurze Frist
bis zur Uebersiedelung an den ihm ursprünglich bestimmten Platz verbleiben,
und ich beklage nur, daß .es durch dies Provisorium in den Augen Spott¬
süchtiger den Anschein erhalten, als sähe ein Staat von vierzig Millionen seinen
Kriegsruhm durch diesen Gewinn vermehrt. Ich erinnere mich, daß ihm vor
einem halben Decennium von anderer Seite zugerufen wurde: Hie KKoäus,
die salta,! — aber ich kann mich schlechterdings nicht erinnern, Spolien dieser
Tanzleistung in dem k. k. Arsenal erblickt zu haben. Ich vergesse, man sagte
mir, auf dem Hofraum hinter dem Kugeldcpot habe lange die französische
Broncekanone gelegen, welche ihre früheren Besitzer, ich weiß nicht ob bei
Magenta oder Solferino unbrauchbar gefunden. Sie ist augenblicklich dem
Schmelzofen übergeben und wird, anstatt in einem Winkel übersehen zu werde»,
als Medaille von vielen bestaunt, die Brust der Tapferen schmücken, die in¬
mitten ihrer Niederlage ein Herz für das Bedürfniß ihres Vaterlandes nach
Metall besessen.

Wir treten in die Arsenalkirche, wo der alte weißbärtige Krieger-Küster
andachtsvoll vor dem wunderbaren, rosenumgürtetcn Madonnenbilde anhält.
„Sie sehen hier, meine Herren," begann er mit feierlicher Stimme, die wohl
schon manchen fremden Hörer mit den Schauern eines großen Augenblickes
überrieselt hatte, „das gebenedeiteste Bild der heiligen Mutter Gottes in
Oestreich. Bei der Erstürmung des Gebäudes, in dem es sich befand, sind
die feindlichen Kugeln rings umher eingeschlagen; jede Rose bedeutet eine Ku¬
gel, aber durch den Schutz der allerherrlichsten Jungfrau ward es ihnen ver-
wehrt, auch nur den Saum ihres geheiligten Gewandes zu verletzen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/165>, abgerufen am 23.07.2024.