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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Gesetzgeber im Interesse der öffentlichen Sicherheit gehandelt habe; daß ferner
der Hausbesitzer nach Gutdünken die Leute annehmen und abweisen rönne,
während in öffentlichen Localen kein Unterschied ^stattfinde, daß die vor aller
Augen Stehlenden bcsserungsunfcihige und ganz schamlose Subjecte seien und
daß endlich an öffentlichen Orten der Bestohlene noch außerdem dem Gelächter
und Spotte Anderer durch den Dieb ausgesetzt werde. Der letzte Grund be¬
zieht sich auf den sehr häusig vorkommenden Kleiderdiebstahl in den Badebäusern,
wo die Diebe sich zugleich mit vielen Andern badeten, dann sich etwas eher
ankleideten und im Nu nnter dem weiten Obergewande fremde Kleiber mitgehen
hießen. Es war deshalb eine allgemein beobachtete Klugheitsrcgel, beim Laden
seine Kleider im Auge zu behalten. Theophrast sagt, schon Manche, die in den
Bädern recht eifrig mit einander politisier hätten, wären um ihre Kleider ge¬
kommen und auch im "Rudens" des Plautus äußert Trachalio: "Du weißt
doch: wer bade" geht und im Badehause noch so sorgfältig auf seine Kleider
Acht giebt, dem werden sie doch gestohlen. Er täuscht sich nämlich in den
Leuten, die er im Auge behalten soll. Der Dieb sieht leicht, wen er zu be¬
obachten hat; der Wächter weiß aber gar nicht, wer der Dieb ist." Da die
Kleider der Allen, besonders die der Männern von gleichem, der Mode we¬
nig unterworfenen Schnitte und Stoffe waren, da zumal das Obergewand aus
einem ungereihter großen Zeugstücke bestand, das fast durchgängig ungefärbt
war, so ließ sich das Eigenthumsrecht des Bestohlenen sehr schwer nachweisen.
Weil aber ferner das obere Gewand blos als Hülle umgeworfen, nichl ange¬
zogen wurde, war es leicht, einem Sorglosen vermittelst eines starken Ruckes
das Kleid vom Leibe zu reißen und die Aeußerungen von Furcht vor solchen
Gaunern, die hinter den Säulenhallen und Denkmälern aller Art außerdem
reichliche Gelegenheit hatten, sind, des Nachts zu verbergen und auf vorüber¬
gehende zu lauern, sind recht häufig. In den "Vögeln" des Anftophane.' er¬
zählt Euelpides: - '


"Ach! wegen des Haushahns kam ich einmal um das Kleid aus phrygischer Wolle.
Man lud mich am Kindtauffeste zu Gast in die Stadt. Da traut ich eil. Bischen,
Und schlief dann; ehe die Andern noch am Gelag sind, krähte der Haushahn.
Da wähn' ich, es sei schon Morgen und will nach Alimus; drücke mich eben
Vor die Mauer hinaus, und ein Gaudieb schlüge mit der Keule mich über deu Rücken.
Ich falle zur Erd' und versuche zu schrein, und hinweg huscht der mit den, Mantel."

Die psychologische Erfahrung, daß der Dieb von Profession daraus erpicht
zu sein pflegt, seine Beule in sinnlichen Genüssen zu verschleudern, veranlaßte
den Komiker Alexis in seiner "Erbtochter" folgenden Rath zu geben: "Wer
selbst in Bettelarmuth, reichlich Fische tauft und. sonst in Mangel, hierzu Geld
bat. der macht des Nachts, die ihm begegnen, alle des Mantels bar. Darum,
ist jemand ausgezogen worden, gleich am Morgen par' er aus den Fischmarkt


Gesetzgeber im Interesse der öffentlichen Sicherheit gehandelt habe; daß ferner
der Hausbesitzer nach Gutdünken die Leute annehmen und abweisen rönne,
während in öffentlichen Localen kein Unterschied ^stattfinde, daß die vor aller
Augen Stehlenden bcsserungsunfcihige und ganz schamlose Subjecte seien und
daß endlich an öffentlichen Orten der Bestohlene noch außerdem dem Gelächter
und Spotte Anderer durch den Dieb ausgesetzt werde. Der letzte Grund be¬
zieht sich auf den sehr häusig vorkommenden Kleiderdiebstahl in den Badebäusern,
wo die Diebe sich zugleich mit vielen Andern badeten, dann sich etwas eher
ankleideten und im Nu nnter dem weiten Obergewande fremde Kleiber mitgehen
hießen. Es war deshalb eine allgemein beobachtete Klugheitsrcgel, beim Laden
seine Kleider im Auge zu behalten. Theophrast sagt, schon Manche, die in den
Bädern recht eifrig mit einander politisier hätten, wären um ihre Kleider ge¬
kommen und auch im „Rudens" des Plautus äußert Trachalio: „Du weißt
doch: wer bade» geht und im Badehause noch so sorgfältig auf seine Kleider
Acht giebt, dem werden sie doch gestohlen. Er täuscht sich nämlich in den
Leuten, die er im Auge behalten soll. Der Dieb sieht leicht, wen er zu be¬
obachten hat; der Wächter weiß aber gar nicht, wer der Dieb ist." Da die
Kleider der Allen, besonders die der Männern von gleichem, der Mode we¬
nig unterworfenen Schnitte und Stoffe waren, da zumal das Obergewand aus
einem ungereihter großen Zeugstücke bestand, das fast durchgängig ungefärbt
war, so ließ sich das Eigenthumsrecht des Bestohlenen sehr schwer nachweisen.
Weil aber ferner das obere Gewand blos als Hülle umgeworfen, nichl ange¬
zogen wurde, war es leicht, einem Sorglosen vermittelst eines starken Ruckes
das Kleid vom Leibe zu reißen und die Aeußerungen von Furcht vor solchen
Gaunern, die hinter den Säulenhallen und Denkmälern aller Art außerdem
reichliche Gelegenheit hatten, sind, des Nachts zu verbergen und auf vorüber¬
gehende zu lauern, sind recht häufig. In den „Vögeln" des Anftophane.' er¬
zählt Euelpides: - '


„Ach! wegen des Haushahns kam ich einmal um das Kleid aus phrygischer Wolle.
Man lud mich am Kindtauffeste zu Gast in die Stadt. Da traut ich eil. Bischen,
Und schlief dann; ehe die Andern noch am Gelag sind, krähte der Haushahn.
Da wähn' ich, es sei schon Morgen und will nach Alimus; drücke mich eben
Vor die Mauer hinaus, und ein Gaudieb schlüge mit der Keule mich über deu Rücken.
Ich falle zur Erd' und versuche zu schrein, und hinweg huscht der mit den, Mantel."

Die psychologische Erfahrung, daß der Dieb von Profession daraus erpicht
zu sein pflegt, seine Beule in sinnlichen Genüssen zu verschleudern, veranlaßte
den Komiker Alexis in seiner „Erbtochter" folgenden Rath zu geben: „Wer
selbst in Bettelarmuth, reichlich Fische tauft und. sonst in Mangel, hierzu Geld
bat. der macht des Nachts, die ihm begegnen, alle des Mantels bar. Darum,
ist jemand ausgezogen worden, gleich am Morgen par' er aus den Fischmarkt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/111>, abgerufen am 23.07.2024.