Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.sten vorkamen in der der Civilisation vorangehenden roheren und wüsteren Pe¬ In der griechischen Sagengeschichte findet man mancherlei Belege für ein sten vorkamen in der der Civilisation vorangehenden roheren und wüsteren Pe¬ In der griechischen Sagengeschichte findet man mancherlei Belege für ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282350"/> <p xml:id="ID_258" prev="#ID_257"> sten vorkamen in der der Civilisation vorangehenden roheren und wüsteren Pe¬<lb/> riode, sowie in der Zeit des Verfalls, der Entartung und Verarmung, daß<lb/> endlich die Wegelagerer und Diebe selbst ihre Banden weniger aus geborenen<lb/> Römern und Hellenen, als aus den eingeschleppten Sklaven barbarischer Zunge<lb/> rekrutirten.</p><lb/> <p xml:id="ID_259" next="#ID_260"> In der griechischen Sagengeschichte findet man mancherlei Belege für ein<lb/> der gesitteteren Heroenzeit vorangehendes Intervall kriegerischer Rohheit und<lb/> rücksichtslosen Faustrechts. Der Weg von Athen nach d.em Peloponnes soll<lb/> damals so unsicher gewesen sein, daß die Reisenden die Seefahrt vorzogen.<lb/> Schon an der Grenze zwischen Attika und Mcgaris hauste der berüchtigte Räu¬<lb/> ber Skiron, der die Fremden nicht blos ausplünderte, sondern sie auch zwang,<lb/> ihm auf einem seinen Name» tragenden Felsen die Füße zu waschen, worauf<lb/> er sie ins Meer stieß. Den korinthischen Isthmus machte ein andrer Bandit,<lb/> Sims, „der Fichtenbeuger", unsicher, so genannt, weil er die Vorübergehenden<lb/> nach der Beraubung an zwei umgebogene Fichten band, die er dann schnell<lb/> losließ, so daß die Unglücklichen zerrissen wurden. Auch die sprichwörtlich ge¬<lb/> wordenen Bettstellen des eleusinischen Straßenräubers Proüustes deuten auf<lb/> die raffinirte Grausamkeit der Unholde dieses Schlags hin. Sie sind aber nur<lb/> die Koryphäen des Handwerks; denn daß überhaupt große Unsicherheit herrschte,<lb/> sieht man schon daraus, daß sich die Familie des Königs Lajos von Theben,<lb/> der von seiner Reise nach Delphi nicht wiederkehrte, schnell damit beruhigte,<lb/> daß er von Räubern erschlagen worden sei. Die Sage schreibt dem Theseus<lb/> Und Herakles großen Antheil an Vertilgung dieses Gesindels zu. Gleiches Ver¬<lb/> dienst soll sich der Kreterkönig Minos durch Unterdrückung der Piraterie er¬<lb/> worben haben. Doch hatte diese Besserung keinen langen Bestand; denn noch<lb/> in dem von Homer geschilderten Zeitalter wird der Seeräuberei als eines ganz<lb/> gewöhnlichen Gewerbes Erwähnung gethan. Nicht blos phönizische und taphische<lb/> Schiffe trieben neben Handelsgeschäften Freibeuterei, besonders Menschenraub,<lb/> auch den hellenischen Helden verunehrte es nicht, Raubzüge ohne weitere Ver¬<lb/> anlassung zu unternehmen. War es doch sogar keine Beleidigung, wenn man<lb/> fremde Gäste fragte, ob sie vielleicht Seeräuber wären, die da das Meer durch¬<lb/> streiften „das Leben aufs Spiel setzend, Unheil den Fremden bringend". Von<lb/> dem bewegten Flibustierleben dieser Zeit entwirft Homer ein treffliches Bild,<lb/> indem er den Jthakerkönig selbst in der Hütte des treuen Eumäos seine Erleb¬<lb/> nisse unter der Maske eines kretischen Seeräubers erzählen läßt, der nie in<lb/> seinem Leben für Anderes Sinn hatte, als für Raubschiffe, glatte Wurfspeere<lb/> und Pfeile. Auch lernen wir aus dieser Erzählung, daß der Corsarenführer<lb/> sich nickt nur unter der Beute das beste Stück herauszulesen, sondern auch bei<lb/> dem Verlvosen des Uebrigen eine» Loosantheil zu beanspruchen pflegte. Da-<lb/> m si»det sich unter den homerischen Helden keine heimliche Dieberei, wiewohl</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0109]
sten vorkamen in der der Civilisation vorangehenden roheren und wüsteren Pe¬
riode, sowie in der Zeit des Verfalls, der Entartung und Verarmung, daß
endlich die Wegelagerer und Diebe selbst ihre Banden weniger aus geborenen
Römern und Hellenen, als aus den eingeschleppten Sklaven barbarischer Zunge
rekrutirten.
In der griechischen Sagengeschichte findet man mancherlei Belege für ein
der gesitteteren Heroenzeit vorangehendes Intervall kriegerischer Rohheit und
rücksichtslosen Faustrechts. Der Weg von Athen nach d.em Peloponnes soll
damals so unsicher gewesen sein, daß die Reisenden die Seefahrt vorzogen.
Schon an der Grenze zwischen Attika und Mcgaris hauste der berüchtigte Räu¬
ber Skiron, der die Fremden nicht blos ausplünderte, sondern sie auch zwang,
ihm auf einem seinen Name» tragenden Felsen die Füße zu waschen, worauf
er sie ins Meer stieß. Den korinthischen Isthmus machte ein andrer Bandit,
Sims, „der Fichtenbeuger", unsicher, so genannt, weil er die Vorübergehenden
nach der Beraubung an zwei umgebogene Fichten band, die er dann schnell
losließ, so daß die Unglücklichen zerrissen wurden. Auch die sprichwörtlich ge¬
wordenen Bettstellen des eleusinischen Straßenräubers Proüustes deuten auf
die raffinirte Grausamkeit der Unholde dieses Schlags hin. Sie sind aber nur
die Koryphäen des Handwerks; denn daß überhaupt große Unsicherheit herrschte,
sieht man schon daraus, daß sich die Familie des Königs Lajos von Theben,
der von seiner Reise nach Delphi nicht wiederkehrte, schnell damit beruhigte,
daß er von Räubern erschlagen worden sei. Die Sage schreibt dem Theseus
Und Herakles großen Antheil an Vertilgung dieses Gesindels zu. Gleiches Ver¬
dienst soll sich der Kreterkönig Minos durch Unterdrückung der Piraterie er¬
worben haben. Doch hatte diese Besserung keinen langen Bestand; denn noch
in dem von Homer geschilderten Zeitalter wird der Seeräuberei als eines ganz
gewöhnlichen Gewerbes Erwähnung gethan. Nicht blos phönizische und taphische
Schiffe trieben neben Handelsgeschäften Freibeuterei, besonders Menschenraub,
auch den hellenischen Helden verunehrte es nicht, Raubzüge ohne weitere Ver¬
anlassung zu unternehmen. War es doch sogar keine Beleidigung, wenn man
fremde Gäste fragte, ob sie vielleicht Seeräuber wären, die da das Meer durch¬
streiften „das Leben aufs Spiel setzend, Unheil den Fremden bringend". Von
dem bewegten Flibustierleben dieser Zeit entwirft Homer ein treffliches Bild,
indem er den Jthakerkönig selbst in der Hütte des treuen Eumäos seine Erleb¬
nisse unter der Maske eines kretischen Seeräubers erzählen läßt, der nie in
seinem Leben für Anderes Sinn hatte, als für Raubschiffe, glatte Wurfspeere
und Pfeile. Auch lernen wir aus dieser Erzählung, daß der Corsarenführer
sich nickt nur unter der Beute das beste Stück herauszulesen, sondern auch bei
dem Verlvosen des Uebrigen eine» Loosantheil zu beanspruchen pflegte. Da-
m si»det sich unter den homerischen Helden keine heimliche Dieberei, wiewohl
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