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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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zu machen weiß. Die vorliegenden Aufsätze beweisen die ungewöhnliche Be¬
gabung des Verfassers für diese Arbeiten. Und wenn er, wie aus seiner Ein¬
leitung zu schließen, selbst für gewagt hielt, so früh dem Publikum mit ge¬
sammelten Aufsätzen gegenüber zu treten, er hat doch Recht daran gethan, denn
grade diese eigenthümliche Kunstform des historischen Stils erlaubte ihm auch,
die Virtuosität seiner Methode zu erweisen.

Der erste Aufsatz, das deutsche Ordens land Preußen, zugleich ein
Meisterstück wirksamer Darstellung, schildert Aufsteigen und Verfall des deut¬
schen Ordens. Es ist bedeutsam für die Tendenz des Werkes, daß der Ver¬
fasser den Bericht über die östliche" Anfänge Preußens voranstellte. Darauf
folgen die Essays Milton und Fichte und die Nation alidee, welche
das Erwachen der Freiheitsideen im Volke an zwei Beispielen darstellen,
darauf Haus von Gagern, dann Karl August von Wangenheim,
Leben und Schicksale zweier Staatsmänner der Restaurationsperiode, in bei¬
den zugleich ein geistvoller Ueberblick ni/er die Kämpfe, Intriguen und die
unklaren politischen Ideen der Klcinsiaatler in der Zeit, aus welcher die An¬
fänge unsres Parteilebens stammen. Wieder die beiden folgenden Aufsätze
Ludwig Uhland und Lord Byron und der Radicalismus stel¬
len die Bilder zweier Dichter, welche selbst warmen Antheil an den politischen
Kämpfen ihrer Zeit nahmen, neben einander. Der nächste. Dahlmann, schil¬
dert einen der lautersten Charaktere deutscher Geschichtswissenschaft in den poli¬
tischen Kämpfen bis in das Jahr 1848. Darauf folgt der große Aufsatz:
Bundesstaat und Einheitsstaat, das bedeutsamste Stück des Werkes
den, sich wie ein wohltönendes Finale ein Aufsatz über die Freiheit an¬
schließt.

Wenn auf keiner Seite des Buches die Gesinnung des Verfassers zweifel¬
haft bleibt, in der Abhandlung über Bundesstaat und Einheitsstaat tritt seine
tampfmuthige, entschlossene Art sehr stark und mit sehr rücksichtsloser Polemik
gegen die herrschenden Ideen unserer Zeit ins Feld, er schlägt gegen die Gründe,
womit der deutsche Particulansmuö sich zu rechtfertigen sucht, er weist nach,
daß jede Reform unserer Bundesverfassung, wenn das Princip der Confödera-
tion unserer Dynastie" nicbt gänzlich aufgegeben werde, unfruchtbar sei, er
unterzieht die Idee eines Bundesstaates, selbst unter preußischer Führung,
strenger Kritik, er hält die Entwicklung Nordamerikas und der Schweiz zu einem
Fvderativstaat gegen die Staatsverhältinsse Dentschlands, er beweist, wie sehr
anders dort die Grundlagen gewesen seien, wie wenig unsere Bildungen Ent¬
sprechendes bieten, und daß in einem Complex monarchischer Staaten Selbst¬
opferung der Einzelinteressen verständigerweise nicht anzunehmen sei, er führt


zu machen weiß. Die vorliegenden Aufsätze beweisen die ungewöhnliche Be¬
gabung des Verfassers für diese Arbeiten. Und wenn er, wie aus seiner Ein¬
leitung zu schließen, selbst für gewagt hielt, so früh dem Publikum mit ge¬
sammelten Aufsätzen gegenüber zu treten, er hat doch Recht daran gethan, denn
grade diese eigenthümliche Kunstform des historischen Stils erlaubte ihm auch,
die Virtuosität seiner Methode zu erweisen.

Der erste Aufsatz, das deutsche Ordens land Preußen, zugleich ein
Meisterstück wirksamer Darstellung, schildert Aufsteigen und Verfall des deut¬
schen Ordens. Es ist bedeutsam für die Tendenz des Werkes, daß der Ver¬
fasser den Bericht über die östliche» Anfänge Preußens voranstellte. Darauf
folgen die Essays Milton und Fichte und die Nation alidee, welche
das Erwachen der Freiheitsideen im Volke an zwei Beispielen darstellen,
darauf Haus von Gagern, dann Karl August von Wangenheim,
Leben und Schicksale zweier Staatsmänner der Restaurationsperiode, in bei¬
den zugleich ein geistvoller Ueberblick ni/er die Kämpfe, Intriguen und die
unklaren politischen Ideen der Klcinsiaatler in der Zeit, aus welcher die An¬
fänge unsres Parteilebens stammen. Wieder die beiden folgenden Aufsätze
Ludwig Uhland und Lord Byron und der Radicalismus stel¬
len die Bilder zweier Dichter, welche selbst warmen Antheil an den politischen
Kämpfen ihrer Zeit nahmen, neben einander. Der nächste. Dahlmann, schil¬
dert einen der lautersten Charaktere deutscher Geschichtswissenschaft in den poli¬
tischen Kämpfen bis in das Jahr 1848. Darauf folgt der große Aufsatz:
Bundesstaat und Einheitsstaat, das bedeutsamste Stück des Werkes
den, sich wie ein wohltönendes Finale ein Aufsatz über die Freiheit an¬
schließt.

Wenn auf keiner Seite des Buches die Gesinnung des Verfassers zweifel¬
haft bleibt, in der Abhandlung über Bundesstaat und Einheitsstaat tritt seine
tampfmuthige, entschlossene Art sehr stark und mit sehr rücksichtsloser Polemik
gegen die herrschenden Ideen unserer Zeit ins Feld, er schlägt gegen die Gründe,
womit der deutsche Particulansmuö sich zu rechtfertigen sucht, er weist nach,
daß jede Reform unserer Bundesverfassung, wenn das Princip der Confödera-
tion unserer Dynastie» nicbt gänzlich aufgegeben werde, unfruchtbar sei, er
unterzieht die Idee eines Bundesstaates, selbst unter preußischer Führung,
strenger Kritik, er hält die Entwicklung Nordamerikas und der Schweiz zu einem
Fvderativstaat gegen die Staatsverhältinsse Dentschlands, er beweist, wie sehr
anders dort die Grundlagen gewesen seien, wie wenig unsere Bildungen Ent¬
sprechendes bieten, und daß in einem Complex monarchischer Staaten Selbst¬
opferung der Einzelinteressen verständigerweise nicht anzunehmen sei, er führt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/10>, abgerufen am 23.07.2024.