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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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bereits zu einem neu entdeckten Princip gestempelt wird. Man darf daher wohl
so weit gehen, zu behaupten, daß die Frage, ob gegenwärtig ein principielles
Bündniß zwischen Preußen und Oestreich möglich ist, in diesem Augenblick der
Angelpunkt der deutschen, ja einer der wichtigsten Factoren der europäischen
Politik geworden ist. Es ist für Preußen und Oestreich von der höchsten Be¬
deutung, sich über diesen Punkt klar zu werden, da eine von augenblicklichen
Eindrücken bestimmte, vielleicht irrthümliche Auffassung des Verhältnisses beider
Staaten für jeden von ihnen die bedenklichsten Folgen haben würde.

Daß durch das Zusammengehen Oestreichs und Preußens nicht nur für
Deutschland ein großer Erfolg erzielt ist, sondern auch daß für jede^n der beiden
Alliirten das Bündniß in vielen Beziehungen förderlich gewesen sei, läßt sich
nicht in Abrede stellen. Jede große Leistung, die von zwei Verbündeten ge¬
meinsam ausgeführt ist, muß als ein Gewinn für beide angesehen werden;
sie muß es um so mehr, wenn sie, me die Befreiung Schleswig-Holsteins,
gegen den Widerspruch des halben Europas durchgesetzt ist; Die lebhaftesten
Sympathien für Dänemark haben nicht vermocht, dem bewaffnet handelnden
Deutschland eine bewaffnete Koalition entgegenzustellen. Dies ist ein Erfolg,
der' auf die europäische Stellung der beiden Staaten die günstigste Einwirkung
bereits ausgeübt hat. Was Preußen betrifft, so wird es kaum ernsthaft be¬
stritten werden, daß seine politisch-militärische Bedeutung gesteigert worden ist,
und Zweifel können sich nur darüber erheben, ob seine inneren Verhältnisse
ihm die volle Anwendung der zur Aufrechterhaltung der gewonnenen Stellung
nothwendigen Mittel gestattet werden, namentlich ob seine äußere Politik sich
von einer ungünstigen Einwirkung der die innere Politik bestimmenden Grund¬
sätze und Parteiliebhabereien wird frei erhalten können. Daß Oestreich von
der Unternehmung Gewinn gehabt habe, wird dagegen vielfach verneint
ganz besonders in Oestreich selbst. Die Schleswig-holsteinische Sache ist in
Oestreich niemals populär gewesen; man hat dort von jeher die eventuelle
Trennung der Herzogtümer von Dänemark nur als- eine Erweiterung des
preußischen Machtbereichs aufgefaßt und die öffentliche Meinung ist in Oestreich
acht weniger prcußenfeindlich als die Diplomatie; der Bruch mit den Miltel-
staaten gM für ein Aufgeben der östreichischen Tradition, die nicht blos im
offmellen Oestreich, sondern auch im östreichischen Volksgeist eine sehr bedeutende
Macht ist. Man vergißt bei diesen Reflexionen nur, daß Oestreich handeln
mußte, und bedenkt nicht, daß das Bündniß mit Preußen, das man demü¬
thigend findet, den Kaiserstaat vor der viel schwereren Demüthigung bewahrt
hat. als ein völlig untergeordnetes Glied am Kampfe teilzunehmen. Oder
'se man in Wien der Meinung, daß Oestreich sich ganz von der Sache hätte
zurückziehen und damit thatsächlich seinen Austritt aus Deutschland erklären
sollen? Wenn man es so scharf urgirt, daß Oestreich in dem Bunde mit Preu-


bereits zu einem neu entdeckten Princip gestempelt wird. Man darf daher wohl
so weit gehen, zu behaupten, daß die Frage, ob gegenwärtig ein principielles
Bündniß zwischen Preußen und Oestreich möglich ist, in diesem Augenblick der
Angelpunkt der deutschen, ja einer der wichtigsten Factoren der europäischen
Politik geworden ist. Es ist für Preußen und Oestreich von der höchsten Be¬
deutung, sich über diesen Punkt klar zu werden, da eine von augenblicklichen
Eindrücken bestimmte, vielleicht irrthümliche Auffassung des Verhältnisses beider
Staaten für jeden von ihnen die bedenklichsten Folgen haben würde.

Daß durch das Zusammengehen Oestreichs und Preußens nicht nur für
Deutschland ein großer Erfolg erzielt ist, sondern auch daß für jede^n der beiden
Alliirten das Bündniß in vielen Beziehungen förderlich gewesen sei, läßt sich
nicht in Abrede stellen. Jede große Leistung, die von zwei Verbündeten ge¬
meinsam ausgeführt ist, muß als ein Gewinn für beide angesehen werden;
sie muß es um so mehr, wenn sie, me die Befreiung Schleswig-Holsteins,
gegen den Widerspruch des halben Europas durchgesetzt ist; Die lebhaftesten
Sympathien für Dänemark haben nicht vermocht, dem bewaffnet handelnden
Deutschland eine bewaffnete Koalition entgegenzustellen. Dies ist ein Erfolg,
der' auf die europäische Stellung der beiden Staaten die günstigste Einwirkung
bereits ausgeübt hat. Was Preußen betrifft, so wird es kaum ernsthaft be¬
stritten werden, daß seine politisch-militärische Bedeutung gesteigert worden ist,
und Zweifel können sich nur darüber erheben, ob seine inneren Verhältnisse
ihm die volle Anwendung der zur Aufrechterhaltung der gewonnenen Stellung
nothwendigen Mittel gestattet werden, namentlich ob seine äußere Politik sich
von einer ungünstigen Einwirkung der die innere Politik bestimmenden Grund¬
sätze und Parteiliebhabereien wird frei erhalten können. Daß Oestreich von
der Unternehmung Gewinn gehabt habe, wird dagegen vielfach verneint
ganz besonders in Oestreich selbst. Die Schleswig-holsteinische Sache ist in
Oestreich niemals populär gewesen; man hat dort von jeher die eventuelle
Trennung der Herzogtümer von Dänemark nur als- eine Erweiterung des
preußischen Machtbereichs aufgefaßt und die öffentliche Meinung ist in Oestreich
acht weniger prcußenfeindlich als die Diplomatie; der Bruch mit den Miltel-
staaten gM für ein Aufgeben der östreichischen Tradition, die nicht blos im
offmellen Oestreich, sondern auch im östreichischen Volksgeist eine sehr bedeutende
Macht ist. Man vergißt bei diesen Reflexionen nur, daß Oestreich handeln
mußte, und bedenkt nicht, daß das Bündniß mit Preußen, das man demü¬
thigend findet, den Kaiserstaat vor der viel schwereren Demüthigung bewahrt
hat. als ein völlig untergeordnetes Glied am Kampfe teilzunehmen. Oder
'se man in Wien der Meinung, daß Oestreich sich ganz von der Sache hätte
zurückziehen und damit thatsächlich seinen Austritt aus Deutschland erklären
sollen? Wenn man es so scharf urgirt, daß Oestreich in dem Bunde mit Preu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/451>, abgerufen am 03.07.2024.