Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

selben. Die Vereinigung der beiden Großmächte zu irgendeinem gemeinsamen
Ziele bedeutet nichts anderes als die politische Vernichtung der mittelstaatlichen
Gruppe. Daß sich dies so verhält, ist allerdings eine Wahrheit, die nur die
größte Befangenheit bestreiten konnte; thatsächlich bewiesen ist es aber erst durch
den dänisch-deutschen Krieg.

Es ist eine merkwürdige, der größten Veacbtung werthe Erscheinung, daß
die erste deutsche That seit Gründung des Bundes ohne Zuthun des Bundes¬
tages, in gewissem Sinne gegen seinen Willen ausgeführt ist. So auffallend
dies erscheinen mag, so natürlich ist es. Wir sehen hierbei ganz von der tech¬
nischen Unmöglichkeit ab, den Bundestag zu einem Organ der großen Politik
zu machen; über diesen Punkt wird der Verlauf der dänisch-deutschen Angelegen¬
heit auch wohl die eifrigsten Verehrer desselben aufgeklärt haben. Wichtiger
aber ist folgende Erwägung. Oestreich und Preußen sind europäische Gro߬
mächte, eine Thatsache, die, wenn auch in Betreff Preußens von mancher Seite
bedauert, von niemandem bestritten wird. Jede derselben hat in ihrer Eigen¬
schaft als europäische Macht ihre besondern Interessen zu verfolgen, die bald
identisch, bald widersprechend sind, bald, ohne gerade identisch zu sein, doch eine
Ausgleichung zulassen. Eine der triadischeu Absurditäten ist nun, wie wir
schon erwähnt haben, das reine Deutschland als berufenen Vermittler dieser
Interessen zu consiituircn und zu diesem Zwecke am Bundestage eine rein
deutsche Gruppe zu bilden, die in ihrer Weise die Differenzen zwischen den
beiden Großen beizulegen hat; daher denn die Tnaspolitik die wärmste Für¬
sprecherin des Bundestages ist und bei ihren Ncsormversucbcn im Grunde kein
anderes Ziel im Auge hat, als den Bundestag mit allen seinen wesentlichen
Mängeln zu conserviren und ihm zu dem Zwecke durch gewisse populäre Zu¬
thaten eine Stütze in der öffentlichen Meinung zu geben.

Natürlich ist der Bundestag darauf angewiesen, seine prätendirte Vermittler¬
rolle stets zum Nachtheile derjenigen der beiden Großmächte auszuüben, von
deren Seite er die größte Gefahr für die Souveränetät der Einzelstaaten fürch¬
tet; dies ist, besondere Fälle ausgenommen, regelmäßig Preußen, weil eben
einleuchtet, daß eine größere Einigung Deutschlands nur durch Preußen zu
erreichen ist, und weil es nicht minder notorisch ist, daß Preußen der Tendenz
auf eine Einigung Deutschlands unter leinen Umständen entsagen kaun. Da nun
aber Preußen sowohl in seinem eigenen wie im deutschen Interesse") verpflichtet



) Von der Befähigung des Bundestages, die deutschen Interessen zu wahren, giebt die
Bundcsfestungsfragc. die Angelegenheiten der Bundesarmeereform. die Flotten- und Küstenbe-
fest'gungsfrcige ein leuchtendem Beispiel, Wir wollen bei dieser Gelegenheit die Broschüre "Ein preu¬
ßisches Wort" nicht unerwähnt lassen, welche die Sünden des Bundestags rücksichtslos aufdeckt.
Allgemeinen machten wir von dieser kleinen Schrift bemerken, basi, obwohl wir mit dem Verfasser
acht auf demselben politischen Standpunkt stehen, doch die langjährige Schwäche der preußischen

selben. Die Vereinigung der beiden Großmächte zu irgendeinem gemeinsamen
Ziele bedeutet nichts anderes als die politische Vernichtung der mittelstaatlichen
Gruppe. Daß sich dies so verhält, ist allerdings eine Wahrheit, die nur die
größte Befangenheit bestreiten konnte; thatsächlich bewiesen ist es aber erst durch
den dänisch-deutschen Krieg.

Es ist eine merkwürdige, der größten Veacbtung werthe Erscheinung, daß
die erste deutsche That seit Gründung des Bundes ohne Zuthun des Bundes¬
tages, in gewissem Sinne gegen seinen Willen ausgeführt ist. So auffallend
dies erscheinen mag, so natürlich ist es. Wir sehen hierbei ganz von der tech¬
nischen Unmöglichkeit ab, den Bundestag zu einem Organ der großen Politik
zu machen; über diesen Punkt wird der Verlauf der dänisch-deutschen Angelegen¬
heit auch wohl die eifrigsten Verehrer desselben aufgeklärt haben. Wichtiger
aber ist folgende Erwägung. Oestreich und Preußen sind europäische Gro߬
mächte, eine Thatsache, die, wenn auch in Betreff Preußens von mancher Seite
bedauert, von niemandem bestritten wird. Jede derselben hat in ihrer Eigen¬
schaft als europäische Macht ihre besondern Interessen zu verfolgen, die bald
identisch, bald widersprechend sind, bald, ohne gerade identisch zu sein, doch eine
Ausgleichung zulassen. Eine der triadischeu Absurditäten ist nun, wie wir
schon erwähnt haben, das reine Deutschland als berufenen Vermittler dieser
Interessen zu consiituircn und zu diesem Zwecke am Bundestage eine rein
deutsche Gruppe zu bilden, die in ihrer Weise die Differenzen zwischen den
beiden Großen beizulegen hat; daher denn die Tnaspolitik die wärmste Für¬
sprecherin des Bundestages ist und bei ihren Ncsormversucbcn im Grunde kein
anderes Ziel im Auge hat, als den Bundestag mit allen seinen wesentlichen
Mängeln zu conserviren und ihm zu dem Zwecke durch gewisse populäre Zu¬
thaten eine Stütze in der öffentlichen Meinung zu geben.

Natürlich ist der Bundestag darauf angewiesen, seine prätendirte Vermittler¬
rolle stets zum Nachtheile derjenigen der beiden Großmächte auszuüben, von
deren Seite er die größte Gefahr für die Souveränetät der Einzelstaaten fürch¬
tet; dies ist, besondere Fälle ausgenommen, regelmäßig Preußen, weil eben
einleuchtet, daß eine größere Einigung Deutschlands nur durch Preußen zu
erreichen ist, und weil es nicht minder notorisch ist, daß Preußen der Tendenz
auf eine Einigung Deutschlands unter leinen Umständen entsagen kaun. Da nun
aber Preußen sowohl in seinem eigenen wie im deutschen Interesse") verpflichtet



) Von der Befähigung des Bundestages, die deutschen Interessen zu wahren, giebt die
Bundcsfestungsfragc. die Angelegenheiten der Bundesarmeereform. die Flotten- und Küstenbe-
fest'gungsfrcige ein leuchtendem Beispiel, Wir wollen bei dieser Gelegenheit die Broschüre „Ein preu¬
ßisches Wort" nicht unerwähnt lassen, welche die Sünden des Bundestags rücksichtslos aufdeckt.
Allgemeinen machten wir von dieser kleinen Schrift bemerken, basi, obwohl wir mit dem Verfasser
acht auf demselben politischen Standpunkt stehen, doch die langjährige Schwäche der preußischen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0449" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190073"/>
          <p xml:id="ID_1515" prev="#ID_1514"> selben. Die Vereinigung der beiden Großmächte zu irgendeinem gemeinsamen<lb/>
Ziele bedeutet nichts anderes als die politische Vernichtung der mittelstaatlichen<lb/>
Gruppe. Daß sich dies so verhält, ist allerdings eine Wahrheit, die nur die<lb/>
größte Befangenheit bestreiten konnte; thatsächlich bewiesen ist es aber erst durch<lb/>
den dänisch-deutschen Krieg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1516"> Es ist eine merkwürdige, der größten Veacbtung werthe Erscheinung, daß<lb/>
die erste deutsche That seit Gründung des Bundes ohne Zuthun des Bundes¬<lb/>
tages, in gewissem Sinne gegen seinen Willen ausgeführt ist. So auffallend<lb/>
dies erscheinen mag, so natürlich ist es. Wir sehen hierbei ganz von der tech¬<lb/>
nischen Unmöglichkeit ab, den Bundestag zu einem Organ der großen Politik<lb/>
zu machen; über diesen Punkt wird der Verlauf der dänisch-deutschen Angelegen¬<lb/>
heit auch wohl die eifrigsten Verehrer desselben aufgeklärt haben. Wichtiger<lb/>
aber ist folgende Erwägung. Oestreich und Preußen sind europäische Gro߬<lb/>
mächte, eine Thatsache, die, wenn auch in Betreff Preußens von mancher Seite<lb/>
bedauert, von niemandem bestritten wird. Jede derselben hat in ihrer Eigen¬<lb/>
schaft als europäische Macht ihre besondern Interessen zu verfolgen, die bald<lb/>
identisch, bald widersprechend sind, bald, ohne gerade identisch zu sein, doch eine<lb/>
Ausgleichung zulassen. Eine der triadischeu Absurditäten ist nun, wie wir<lb/>
schon erwähnt haben, das reine Deutschland als berufenen Vermittler dieser<lb/>
Interessen zu consiituircn und zu diesem Zwecke am Bundestage eine rein<lb/>
deutsche Gruppe zu bilden, die in ihrer Weise die Differenzen zwischen den<lb/>
beiden Großen beizulegen hat; daher denn die Tnaspolitik die wärmste Für¬<lb/>
sprecherin des Bundestages ist und bei ihren Ncsormversucbcn im Grunde kein<lb/>
anderes Ziel im Auge hat, als den Bundestag mit allen seinen wesentlichen<lb/>
Mängeln zu conserviren und ihm zu dem Zwecke durch gewisse populäre Zu¬<lb/>
thaten eine Stütze in der öffentlichen Meinung zu geben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1517" next="#ID_1518"> Natürlich ist der Bundestag darauf angewiesen, seine prätendirte Vermittler¬<lb/>
rolle stets zum Nachtheile derjenigen der beiden Großmächte auszuüben, von<lb/>
deren Seite er die größte Gefahr für die Souveränetät der Einzelstaaten fürch¬<lb/>
tet; dies ist, besondere Fälle ausgenommen, regelmäßig Preußen, weil eben<lb/>
einleuchtet, daß eine größere Einigung Deutschlands nur durch Preußen zu<lb/>
erreichen ist, und weil es nicht minder notorisch ist, daß Preußen der Tendenz<lb/>
auf eine Einigung Deutschlands unter leinen Umständen entsagen kaun. Da nun<lb/>
aber Preußen sowohl in seinem eigenen wie im deutschen Interesse") verpflichtet</p><lb/>
          <note xml:id="FID_43" place="foot" next="#FID_44"> ) Von der Befähigung des Bundestages, die deutschen Interessen zu wahren, giebt die<lb/>
Bundcsfestungsfragc. die Angelegenheiten der Bundesarmeereform. die Flotten- und Küstenbe-<lb/>
fest'gungsfrcige ein leuchtendem Beispiel, Wir wollen bei dieser Gelegenheit die Broschüre &#x201E;Ein preu¬<lb/>
ßisches Wort" nicht unerwähnt lassen, welche die Sünden des Bundestags rücksichtslos aufdeckt.<lb/>
Allgemeinen machten wir von dieser kleinen Schrift bemerken, basi, obwohl wir mit dem Verfasser<lb/>
acht auf demselben politischen Standpunkt stehen, doch die langjährige Schwäche der preußischen</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0449] selben. Die Vereinigung der beiden Großmächte zu irgendeinem gemeinsamen Ziele bedeutet nichts anderes als die politische Vernichtung der mittelstaatlichen Gruppe. Daß sich dies so verhält, ist allerdings eine Wahrheit, die nur die größte Befangenheit bestreiten konnte; thatsächlich bewiesen ist es aber erst durch den dänisch-deutschen Krieg. Es ist eine merkwürdige, der größten Veacbtung werthe Erscheinung, daß die erste deutsche That seit Gründung des Bundes ohne Zuthun des Bundes¬ tages, in gewissem Sinne gegen seinen Willen ausgeführt ist. So auffallend dies erscheinen mag, so natürlich ist es. Wir sehen hierbei ganz von der tech¬ nischen Unmöglichkeit ab, den Bundestag zu einem Organ der großen Politik zu machen; über diesen Punkt wird der Verlauf der dänisch-deutschen Angelegen¬ heit auch wohl die eifrigsten Verehrer desselben aufgeklärt haben. Wichtiger aber ist folgende Erwägung. Oestreich und Preußen sind europäische Gro߬ mächte, eine Thatsache, die, wenn auch in Betreff Preußens von mancher Seite bedauert, von niemandem bestritten wird. Jede derselben hat in ihrer Eigen¬ schaft als europäische Macht ihre besondern Interessen zu verfolgen, die bald identisch, bald widersprechend sind, bald, ohne gerade identisch zu sein, doch eine Ausgleichung zulassen. Eine der triadischeu Absurditäten ist nun, wie wir schon erwähnt haben, das reine Deutschland als berufenen Vermittler dieser Interessen zu consiituircn und zu diesem Zwecke am Bundestage eine rein deutsche Gruppe zu bilden, die in ihrer Weise die Differenzen zwischen den beiden Großen beizulegen hat; daher denn die Tnaspolitik die wärmste Für¬ sprecherin des Bundestages ist und bei ihren Ncsormversucbcn im Grunde kein anderes Ziel im Auge hat, als den Bundestag mit allen seinen wesentlichen Mängeln zu conserviren und ihm zu dem Zwecke durch gewisse populäre Zu¬ thaten eine Stütze in der öffentlichen Meinung zu geben. Natürlich ist der Bundestag darauf angewiesen, seine prätendirte Vermittler¬ rolle stets zum Nachtheile derjenigen der beiden Großmächte auszuüben, von deren Seite er die größte Gefahr für die Souveränetät der Einzelstaaten fürch¬ tet; dies ist, besondere Fälle ausgenommen, regelmäßig Preußen, weil eben einleuchtet, daß eine größere Einigung Deutschlands nur durch Preußen zu erreichen ist, und weil es nicht minder notorisch ist, daß Preußen der Tendenz auf eine Einigung Deutschlands unter leinen Umständen entsagen kaun. Da nun aber Preußen sowohl in seinem eigenen wie im deutschen Interesse") verpflichtet ) Von der Befähigung des Bundestages, die deutschen Interessen zu wahren, giebt die Bundcsfestungsfragc. die Angelegenheiten der Bundesarmeereform. die Flotten- und Küstenbe- fest'gungsfrcige ein leuchtendem Beispiel, Wir wollen bei dieser Gelegenheit die Broschüre „Ein preu¬ ßisches Wort" nicht unerwähnt lassen, welche die Sünden des Bundestags rücksichtslos aufdeckt. Allgemeinen machten wir von dieser kleinen Schrift bemerken, basi, obwohl wir mit dem Verfasser acht auf demselben politischen Standpunkt stehen, doch die langjährige Schwäche der preußischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/449
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/449>, abgerufen am 22.07.2024.