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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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dem Versuch, hier durch den Fluß zu reiten, um die aus der Stadt Fliehenden
aufzuhalten, was jedoch mißlingt; dem Generalmajor Götze mit einer Abtheilung
Infanterie aber, den Buch auf dem Rückwege ohne Führer und in Urkunde
über das Terrain antrifft, ist die Passage praktikabel und er dringt an die
Mauern vor. Dieser Angriff wird eine glückliche Diversion für den Oberst¬
leutnant Kanne, der. während man ihn vermißt hatte, von der Uebermacht der
Vertheidiger schon einmal zurückgeworfen worden war. nun aber mit Ungestüm
angreift und in die Stadt eindringt; fast gleichzeitig ist auch Götze am Platz.
Die Besatzung, obgleich gut zusammengehalten, kann nicht widerstehen, was den
Brandenburgern in den Wurf kommt, muß über die Klinge springen. "Die
Schweden," sagt Buch, "waren vermuthlich infolge der Uebenumpelung wie
erstarrt; ich wollte es bis jetzt gar nicht glauben, daß es solche Leute gebe,
habe es aber mit eignen Augen gesehn; manche hatten zehn oder zwölf faust¬
große Wunden auf Rücken und Bauch und mußten noch mit Kolben- und
Knüttelschlägen getödtet werden." Wie man steht, ergötzte auch die damaligen
Brandenburger das gräuliche "Finscher"; sogar die Gegenwart der Prin¬
zen unterbrach das Masatriren nicht. Auch wurde weidlich geplündert; Buch
gelang es, die Frau des Obersten und ihre Dienerin, denen man bös mitspielte,
zu befrein, sie in ihre Wohnung zurückzuführen und diese durch eine Wache zu
sichern. Der Oberst und zwei andere Offiziere nebst 186 Dragonern wurden
gefangen, von den übrigen überlebten die Nacht nur wenige. Auch 6 Fahnen
und Musikzeug und 5--600 ledige Pferde brachte man ein. Als die Todten
begraben waren, wurde die Infanterie in die Stadt quartirt und die Kavallerie
diesseits der Brücken längs des Flusses im Bivouak gesammelt. Bei ihr über¬
nachtete der Kurfürst. Auf "deutsches" Ehrenwort, wie er es ausdrücklich statt
des schwedischen verlangte, gewährte er dem weiland Gesandten, Oberst Wangc-
lin, die Bitte, die gefangenen Offiziere mit in seiner Wohnung zu interniren.

Buch brachte von einem Landmann in Erfahrung, daß die schwedische
Armee, welche dieser am Morgen beim Dorfe Barnewitz im Marsch auf Raum
gesehn, an demselben Tage nach Nathenow hatte gehen wollen, um nach Ueber-
schreitung der Brücken sich mit General Wrangel zu vereinigen, der mit 1000
Pferden und 800 Mann Infanterie bei Havelberg stehe. Es sollte dann mit
Vereinter Kraft in die Altmark eingebrochen und die Verbindung mit dem Her¬
zog von Hannover bewerkstelligt werden, welcher im Stillen schon von der Partie
war. aber noch zauderte, sich öffentlich zu erklären. Nach der Uebcrmmplung
Rathenows jedoch zogen sich die Schweden in Eile nach dem fehrvelliner Paß
zurück, um nicht abgeschnitten zu werden; Wrangel nahm von Havelberg her
dieselbe Richtung.

Dort also mußte die Entscheidung liegen. Am 16. nahm der Kurfürst
500 Mann von der Infanterie mit sich', ließ den Nest unter Dönhofs als Be-


dem Versuch, hier durch den Fluß zu reiten, um die aus der Stadt Fliehenden
aufzuhalten, was jedoch mißlingt; dem Generalmajor Götze mit einer Abtheilung
Infanterie aber, den Buch auf dem Rückwege ohne Führer und in Urkunde
über das Terrain antrifft, ist die Passage praktikabel und er dringt an die
Mauern vor. Dieser Angriff wird eine glückliche Diversion für den Oberst¬
leutnant Kanne, der. während man ihn vermißt hatte, von der Uebermacht der
Vertheidiger schon einmal zurückgeworfen worden war. nun aber mit Ungestüm
angreift und in die Stadt eindringt; fast gleichzeitig ist auch Götze am Platz.
Die Besatzung, obgleich gut zusammengehalten, kann nicht widerstehen, was den
Brandenburgern in den Wurf kommt, muß über die Klinge springen. „Die
Schweden," sagt Buch, „waren vermuthlich infolge der Uebenumpelung wie
erstarrt; ich wollte es bis jetzt gar nicht glauben, daß es solche Leute gebe,
habe es aber mit eignen Augen gesehn; manche hatten zehn oder zwölf faust¬
große Wunden auf Rücken und Bauch und mußten noch mit Kolben- und
Knüttelschlägen getödtet werden." Wie man steht, ergötzte auch die damaligen
Brandenburger das gräuliche „Finscher"; sogar die Gegenwart der Prin¬
zen unterbrach das Masatriren nicht. Auch wurde weidlich geplündert; Buch
gelang es, die Frau des Obersten und ihre Dienerin, denen man bös mitspielte,
zu befrein, sie in ihre Wohnung zurückzuführen und diese durch eine Wache zu
sichern. Der Oberst und zwei andere Offiziere nebst 186 Dragonern wurden
gefangen, von den übrigen überlebten die Nacht nur wenige. Auch 6 Fahnen
und Musikzeug und 5—600 ledige Pferde brachte man ein. Als die Todten
begraben waren, wurde die Infanterie in die Stadt quartirt und die Kavallerie
diesseits der Brücken längs des Flusses im Bivouak gesammelt. Bei ihr über¬
nachtete der Kurfürst. Auf „deutsches" Ehrenwort, wie er es ausdrücklich statt
des schwedischen verlangte, gewährte er dem weiland Gesandten, Oberst Wangc-
lin, die Bitte, die gefangenen Offiziere mit in seiner Wohnung zu interniren.

Buch brachte von einem Landmann in Erfahrung, daß die schwedische
Armee, welche dieser am Morgen beim Dorfe Barnewitz im Marsch auf Raum
gesehn, an demselben Tage nach Nathenow hatte gehen wollen, um nach Ueber-
schreitung der Brücken sich mit General Wrangel zu vereinigen, der mit 1000
Pferden und 800 Mann Infanterie bei Havelberg stehe. Es sollte dann mit
Vereinter Kraft in die Altmark eingebrochen und die Verbindung mit dem Her¬
zog von Hannover bewerkstelligt werden, welcher im Stillen schon von der Partie
war. aber noch zauderte, sich öffentlich zu erklären. Nach der Uebcrmmplung
Rathenows jedoch zogen sich die Schweden in Eile nach dem fehrvelliner Paß
zurück, um nicht abgeschnitten zu werden; Wrangel nahm von Havelberg her
dieselbe Richtung.

Dort also mußte die Entscheidung liegen. Am 16. nahm der Kurfürst
500 Mann von der Infanterie mit sich', ließ den Nest unter Dönhofs als Be-


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[0427] dem Versuch, hier durch den Fluß zu reiten, um die aus der Stadt Fliehenden aufzuhalten, was jedoch mißlingt; dem Generalmajor Götze mit einer Abtheilung Infanterie aber, den Buch auf dem Rückwege ohne Führer und in Urkunde über das Terrain antrifft, ist die Passage praktikabel und er dringt an die Mauern vor. Dieser Angriff wird eine glückliche Diversion für den Oberst¬ leutnant Kanne, der. während man ihn vermißt hatte, von der Uebermacht der Vertheidiger schon einmal zurückgeworfen worden war. nun aber mit Ungestüm angreift und in die Stadt eindringt; fast gleichzeitig ist auch Götze am Platz. Die Besatzung, obgleich gut zusammengehalten, kann nicht widerstehen, was den Brandenburgern in den Wurf kommt, muß über die Klinge springen. „Die Schweden," sagt Buch, „waren vermuthlich infolge der Uebenumpelung wie erstarrt; ich wollte es bis jetzt gar nicht glauben, daß es solche Leute gebe, habe es aber mit eignen Augen gesehn; manche hatten zehn oder zwölf faust¬ große Wunden auf Rücken und Bauch und mußten noch mit Kolben- und Knüttelschlägen getödtet werden." Wie man steht, ergötzte auch die damaligen Brandenburger das gräuliche „Finscher"; sogar die Gegenwart der Prin¬ zen unterbrach das Masatriren nicht. Auch wurde weidlich geplündert; Buch gelang es, die Frau des Obersten und ihre Dienerin, denen man bös mitspielte, zu befrein, sie in ihre Wohnung zurückzuführen und diese durch eine Wache zu sichern. Der Oberst und zwei andere Offiziere nebst 186 Dragonern wurden gefangen, von den übrigen überlebten die Nacht nur wenige. Auch 6 Fahnen und Musikzeug und 5—600 ledige Pferde brachte man ein. Als die Todten begraben waren, wurde die Infanterie in die Stadt quartirt und die Kavallerie diesseits der Brücken längs des Flusses im Bivouak gesammelt. Bei ihr über¬ nachtete der Kurfürst. Auf „deutsches" Ehrenwort, wie er es ausdrücklich statt des schwedischen verlangte, gewährte er dem weiland Gesandten, Oberst Wangc- lin, die Bitte, die gefangenen Offiziere mit in seiner Wohnung zu interniren. Buch brachte von einem Landmann in Erfahrung, daß die schwedische Armee, welche dieser am Morgen beim Dorfe Barnewitz im Marsch auf Raum gesehn, an demselben Tage nach Nathenow hatte gehen wollen, um nach Ueber- schreitung der Brücken sich mit General Wrangel zu vereinigen, der mit 1000 Pferden und 800 Mann Infanterie bei Havelberg stehe. Es sollte dann mit Vereinter Kraft in die Altmark eingebrochen und die Verbindung mit dem Her¬ zog von Hannover bewerkstelligt werden, welcher im Stillen schon von der Partie war. aber noch zauderte, sich öffentlich zu erklären. Nach der Uebcrmmplung Rathenows jedoch zogen sich die Schweden in Eile nach dem fehrvelliner Paß zurück, um nicht abgeschnitten zu werden; Wrangel nahm von Havelberg her dieselbe Richtung. Dort also mußte die Entscheidung liegen. Am 16. nahm der Kurfürst 500 Mann von der Infanterie mit sich', ließ den Nest unter Dönhofs als Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/427>, abgerufen am 22.07.2024.