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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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seiner Menschen und Sitten und nicht minder seiner Landschaft. Ueber seinen
Wüstenbildern brütet wirtlich die brennende Sonne, breitet sich der trockene,
eherne Himmel Afrikas, seine orientalischen Menschen sind wirklich echte Sohne
des alten Nil und des nubischen Wüstenlandes, und nicht in bunter Garderobe
maskirte europäische Modelle. Seine Beobachtung jener Wirklichkeit ist so
scharf, seine Studien so reich, umfassend und genau gewesen, sein malerisches
Gedächtniß so stark und treu, daß er den vor Jahren empfangenen Eindruck
heute noch in voller Kraft bewahrt hat und in den fesselndsten Bildern wieder¬
zugeben vermag. Besonders die Totalerscheinung jenes farbenreichen Lebens in
seiner Seltsamkeit und Massenhaftigkeit. weshalb denn die Wirkung seiner
Bilder viel größer ist. seit er statt der großen Gestalten Darstellungen charak¬
teristischer Scenen mit einer großen Zahl kleiner Figuren giebt. So dies¬
mal "die Ankunft der großen Karawane in Kairo", dies Bild des ungeheuren
vielfarbigen Gewirrs, des bunten Stromes von Menschen und Kamoelen, die
von der Wüste kommend in die engen Gassen der mit ihren Häusern, Moscheen.
Minarets und Palmen unter dem heißen blauen Himmel grell schimmernden
Stadt einziehen, an den Zelten der sie erwartenden Wasserverkäufer den er
quickenden lang entbehrten Trank, oder ermüdet auf heißem Boden sich hin¬
streckend die Ruhe suchen. So das ganz kleine mit ebenso mächtiger Wirkung
wie delicater Behandlung ausgeführte Bild des "Beduincnlagers in der Wüste",
so sonnendurchglüht, so überzeugend afrikanisch. Damit zugleich stellte er eine
Landschaft von den nubischen Nilufern aus: unheimlich starre, öde Felswände
steil aufragend aus dem Strom und unten am diesseitigen sumpfigen Strande
dichte Schaaren von zahllosen Pelikanen und Flamingos mit ihrem bunten, be¬
weglichen und lärmenden Leben seltsam gegen die finstere Oede der Land¬
schaft contrastirend, das eigenthümlichste Naturbild.

Was die Genannten unter südlichem Himmel, in entlegener Zone aussuchen,
die in Sitte, Tracht und Racencharakter von der gewohnten Umgebung ab¬
weichende malerisch interessante Menschengattung, findet ein sehr begabter dan-
ziger Maler, Stryowsky, in seiner nächsten Heimath bei den polnischen Schiffs¬
knechten, den sogenannten Fussen, welche das polnische Getreide allsommerlich
auf Flößen die Weichsel hinabführen, und in den polnischen Juden. Das
Bild, in welchem er diesmal eine Gruppe der letzteren im Tempel bei festlicher
Lampenbeleuchtung und in lebhafter, leidenschaftlich bewegter Andachtsübung
darstellt, frappirt nicht blos durch den außerordentlichen Lichteffect und seine
glänzende Durchführung, sondern nicht minder durch die nationale Charakteristik.
Die bedeutenden Kopfe, die wunderlichen Gestalten in ihrem halboricntaliscbcn
Costüm, die phantastisch fremdartige Localitcit, das giebt ein in jeder Hinsicht
wirkungsvolles und interessantes Bild. Nicht so unbedingt erfreuen die drei
außerdem von ihm ausgestellten. Dem einen: "polnische Juden auf dem Kirch-


seiner Menschen und Sitten und nicht minder seiner Landschaft. Ueber seinen
Wüstenbildern brütet wirtlich die brennende Sonne, breitet sich der trockene,
eherne Himmel Afrikas, seine orientalischen Menschen sind wirklich echte Sohne
des alten Nil und des nubischen Wüstenlandes, und nicht in bunter Garderobe
maskirte europäische Modelle. Seine Beobachtung jener Wirklichkeit ist so
scharf, seine Studien so reich, umfassend und genau gewesen, sein malerisches
Gedächtniß so stark und treu, daß er den vor Jahren empfangenen Eindruck
heute noch in voller Kraft bewahrt hat und in den fesselndsten Bildern wieder¬
zugeben vermag. Besonders die Totalerscheinung jenes farbenreichen Lebens in
seiner Seltsamkeit und Massenhaftigkeit. weshalb denn die Wirkung seiner
Bilder viel größer ist. seit er statt der großen Gestalten Darstellungen charak¬
teristischer Scenen mit einer großen Zahl kleiner Figuren giebt. So dies¬
mal „die Ankunft der großen Karawane in Kairo", dies Bild des ungeheuren
vielfarbigen Gewirrs, des bunten Stromes von Menschen und Kamoelen, die
von der Wüste kommend in die engen Gassen der mit ihren Häusern, Moscheen.
Minarets und Palmen unter dem heißen blauen Himmel grell schimmernden
Stadt einziehen, an den Zelten der sie erwartenden Wasserverkäufer den er
quickenden lang entbehrten Trank, oder ermüdet auf heißem Boden sich hin¬
streckend die Ruhe suchen. So das ganz kleine mit ebenso mächtiger Wirkung
wie delicater Behandlung ausgeführte Bild des „Beduincnlagers in der Wüste",
so sonnendurchglüht, so überzeugend afrikanisch. Damit zugleich stellte er eine
Landschaft von den nubischen Nilufern aus: unheimlich starre, öde Felswände
steil aufragend aus dem Strom und unten am diesseitigen sumpfigen Strande
dichte Schaaren von zahllosen Pelikanen und Flamingos mit ihrem bunten, be¬
weglichen und lärmenden Leben seltsam gegen die finstere Oede der Land¬
schaft contrastirend, das eigenthümlichste Naturbild.

Was die Genannten unter südlichem Himmel, in entlegener Zone aussuchen,
die in Sitte, Tracht und Racencharakter von der gewohnten Umgebung ab¬
weichende malerisch interessante Menschengattung, findet ein sehr begabter dan-
ziger Maler, Stryowsky, in seiner nächsten Heimath bei den polnischen Schiffs¬
knechten, den sogenannten Fussen, welche das polnische Getreide allsommerlich
auf Flößen die Weichsel hinabführen, und in den polnischen Juden. Das
Bild, in welchem er diesmal eine Gruppe der letzteren im Tempel bei festlicher
Lampenbeleuchtung und in lebhafter, leidenschaftlich bewegter Andachtsübung
darstellt, frappirt nicht blos durch den außerordentlichen Lichteffect und seine
glänzende Durchführung, sondern nicht minder durch die nationale Charakteristik.
Die bedeutenden Kopfe, die wunderlichen Gestalten in ihrem halboricntaliscbcn
Costüm, die phantastisch fremdartige Localitcit, das giebt ein in jeder Hinsicht
wirkungsvolles und interessantes Bild. Nicht so unbedingt erfreuen die drei
außerdem von ihm ausgestellten. Dem einen: „polnische Juden auf dem Kirch-


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[0345] seiner Menschen und Sitten und nicht minder seiner Landschaft. Ueber seinen Wüstenbildern brütet wirtlich die brennende Sonne, breitet sich der trockene, eherne Himmel Afrikas, seine orientalischen Menschen sind wirklich echte Sohne des alten Nil und des nubischen Wüstenlandes, und nicht in bunter Garderobe maskirte europäische Modelle. Seine Beobachtung jener Wirklichkeit ist so scharf, seine Studien so reich, umfassend und genau gewesen, sein malerisches Gedächtniß so stark und treu, daß er den vor Jahren empfangenen Eindruck heute noch in voller Kraft bewahrt hat und in den fesselndsten Bildern wieder¬ zugeben vermag. Besonders die Totalerscheinung jenes farbenreichen Lebens in seiner Seltsamkeit und Massenhaftigkeit. weshalb denn die Wirkung seiner Bilder viel größer ist. seit er statt der großen Gestalten Darstellungen charak¬ teristischer Scenen mit einer großen Zahl kleiner Figuren giebt. So dies¬ mal „die Ankunft der großen Karawane in Kairo", dies Bild des ungeheuren vielfarbigen Gewirrs, des bunten Stromes von Menschen und Kamoelen, die von der Wüste kommend in die engen Gassen der mit ihren Häusern, Moscheen. Minarets und Palmen unter dem heißen blauen Himmel grell schimmernden Stadt einziehen, an den Zelten der sie erwartenden Wasserverkäufer den er quickenden lang entbehrten Trank, oder ermüdet auf heißem Boden sich hin¬ streckend die Ruhe suchen. So das ganz kleine mit ebenso mächtiger Wirkung wie delicater Behandlung ausgeführte Bild des „Beduincnlagers in der Wüste", so sonnendurchglüht, so überzeugend afrikanisch. Damit zugleich stellte er eine Landschaft von den nubischen Nilufern aus: unheimlich starre, öde Felswände steil aufragend aus dem Strom und unten am diesseitigen sumpfigen Strande dichte Schaaren von zahllosen Pelikanen und Flamingos mit ihrem bunten, be¬ weglichen und lärmenden Leben seltsam gegen die finstere Oede der Land¬ schaft contrastirend, das eigenthümlichste Naturbild. Was die Genannten unter südlichem Himmel, in entlegener Zone aussuchen, die in Sitte, Tracht und Racencharakter von der gewohnten Umgebung ab¬ weichende malerisch interessante Menschengattung, findet ein sehr begabter dan- ziger Maler, Stryowsky, in seiner nächsten Heimath bei den polnischen Schiffs¬ knechten, den sogenannten Fussen, welche das polnische Getreide allsommerlich auf Flößen die Weichsel hinabführen, und in den polnischen Juden. Das Bild, in welchem er diesmal eine Gruppe der letzteren im Tempel bei festlicher Lampenbeleuchtung und in lebhafter, leidenschaftlich bewegter Andachtsübung darstellt, frappirt nicht blos durch den außerordentlichen Lichteffect und seine glänzende Durchführung, sondern nicht minder durch die nationale Charakteristik. Die bedeutenden Kopfe, die wunderlichen Gestalten in ihrem halboricntaliscbcn Costüm, die phantastisch fremdartige Localitcit, das giebt ein in jeder Hinsicht wirkungsvolles und interessantes Bild. Nicht so unbedingt erfreuen die drei außerdem von ihm ausgestellten. Dem einen: „polnische Juden auf dem Kirch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/345>, abgerufen am 22.07.2024.