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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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nicht zu andern Orten, Kunststraßen aber sind Luxusartikel, welche kaum gefun¬
den werden. -- Zum Marschiren sind die Schienenstraßen selbst bei uns nicht sehr
geeignet, noch viel weniger aber in Amerika, wo bei allen Einrichtungen nur
der nächste Zweck zu erreichen gesucht und jede Bedeckung der Schwellen, die
Ausfüllung der Brückenlinien u. s. w. vermieden wird. Da eine Truppe in
einem Bahnzüge aller Vertheidigungskraft entbehrt und ganz von dem intacter
Zustande des Bahnkörpers abhängt, so ist es unzulässig, im Wirkungkreise
des Gegners Truppen zu verladen und zu fahren; vor dem Feinde kann
man deshalb Eisenbahnen nur als Marsch- und Transportlinien benutzen. --
Im ersten Jahre des Krieges hat man mehrfach versucht, aus der Eisenbahn
direct an den Feind zu rücken, hat aber schleckte Erfahrungen gemacht und
ist davon abgekommen. Man kann mittelst der Bahnen Armeen ganz nach
einem Kriegsschauplatz fahren, den Kriegsschauplatz wechseln aber nur da, wo
die Staatsgewalt alle Hilfsmittel dergestalt in sich concentrirt, wie in Frankreich;
in Amerika dagegen werden selbst solche Transporte nur klein, den Transport¬
mitteln der einzelnen Bahnen entsprechend sein. Die Ereignisse bestätigen auch
diese Sätze.

Die Eisenbahnen also bilden für die nordamerikanischen Heere die Opera¬
tionslinien, mit Ausnahme des Mississippi, wie wir sehen werden. Die Eisen¬
bahnen bieten ferner die Transportmittel, um alle Erfordernisse für das Heer herbei¬
zuführen und sie geben die Marschlinien ab, auf und an welchen sich die Heere
bewegen. Sie fordern aber, daß auf jeder Marschelappe aus der militärischen
Aufstellung die Communication mit der Bahn nach rückwärts durch ein ausgedehntes
Fuhrwesen hergestellt werde. Die Schwierigkeit dieser jedesmaligen Einrichtung führt
zu längerem Aufenthalt in allen guten Positionen und dieser längere Aufenthalt
bringt es mit sich, daß auch die übrige militärische Einrichtung gründlicher getroffen
wird, d. h. daß man sich in solchen Stellungen befestigt. So geben die localen
Verhältnisse die Erklärung, daß die Eisenbahnlinien eine so bedeutende Rolle spielen,
daß die Kriegführung sich so lange um denselben Punkt in viel kleinern Räumen
bewegt und daß dabei Verschanzungen in größerem Maße zum Vorschein kommen,
als in Europa. Die Abhängigkeit der Armeen von ihren Verbindungen und
die geringe Zahl der vorhandenen Wege führt aber auch dahin, daß die Jahres¬
zeit, welche die Wege grundlos macht, die Monate November und December
sowie März und April, die Kriegsführung zum Stillstand bringt.

Außer den Eisenbahnen haben nun die Unionisten auf beiden Flügeln als wei¬
tere Communications- und Operationslinien Wasser. Im Westen den Mississippi,
im Osten den atlantischen Ocean mit seinen tief in das Land hineinschncidendcn
Buchten und mächtigen Flußmündungen. Der Mississippi führt von der Mün¬
dung des Ohio, bei Cairo, meeresartige Wassermassen und gestattet die Be-
frachtung mit großen Dampfschiffen und Kanonenbooten. Da nun die Nord-


nicht zu andern Orten, Kunststraßen aber sind Luxusartikel, welche kaum gefun¬
den werden. — Zum Marschiren sind die Schienenstraßen selbst bei uns nicht sehr
geeignet, noch viel weniger aber in Amerika, wo bei allen Einrichtungen nur
der nächste Zweck zu erreichen gesucht und jede Bedeckung der Schwellen, die
Ausfüllung der Brückenlinien u. s. w. vermieden wird. Da eine Truppe in
einem Bahnzüge aller Vertheidigungskraft entbehrt und ganz von dem intacter
Zustande des Bahnkörpers abhängt, so ist es unzulässig, im Wirkungkreise
des Gegners Truppen zu verladen und zu fahren; vor dem Feinde kann
man deshalb Eisenbahnen nur als Marsch- und Transportlinien benutzen. —
Im ersten Jahre des Krieges hat man mehrfach versucht, aus der Eisenbahn
direct an den Feind zu rücken, hat aber schleckte Erfahrungen gemacht und
ist davon abgekommen. Man kann mittelst der Bahnen Armeen ganz nach
einem Kriegsschauplatz fahren, den Kriegsschauplatz wechseln aber nur da, wo
die Staatsgewalt alle Hilfsmittel dergestalt in sich concentrirt, wie in Frankreich;
in Amerika dagegen werden selbst solche Transporte nur klein, den Transport¬
mitteln der einzelnen Bahnen entsprechend sein. Die Ereignisse bestätigen auch
diese Sätze.

Die Eisenbahnen also bilden für die nordamerikanischen Heere die Opera¬
tionslinien, mit Ausnahme des Mississippi, wie wir sehen werden. Die Eisen¬
bahnen bieten ferner die Transportmittel, um alle Erfordernisse für das Heer herbei¬
zuführen und sie geben die Marschlinien ab, auf und an welchen sich die Heere
bewegen. Sie fordern aber, daß auf jeder Marschelappe aus der militärischen
Aufstellung die Communication mit der Bahn nach rückwärts durch ein ausgedehntes
Fuhrwesen hergestellt werde. Die Schwierigkeit dieser jedesmaligen Einrichtung führt
zu längerem Aufenthalt in allen guten Positionen und dieser längere Aufenthalt
bringt es mit sich, daß auch die übrige militärische Einrichtung gründlicher getroffen
wird, d. h. daß man sich in solchen Stellungen befestigt. So geben die localen
Verhältnisse die Erklärung, daß die Eisenbahnlinien eine so bedeutende Rolle spielen,
daß die Kriegführung sich so lange um denselben Punkt in viel kleinern Räumen
bewegt und daß dabei Verschanzungen in größerem Maße zum Vorschein kommen,
als in Europa. Die Abhängigkeit der Armeen von ihren Verbindungen und
die geringe Zahl der vorhandenen Wege führt aber auch dahin, daß die Jahres¬
zeit, welche die Wege grundlos macht, die Monate November und December
sowie März und April, die Kriegsführung zum Stillstand bringt.

Außer den Eisenbahnen haben nun die Unionisten auf beiden Flügeln als wei¬
tere Communications- und Operationslinien Wasser. Im Westen den Mississippi,
im Osten den atlantischen Ocean mit seinen tief in das Land hineinschncidendcn
Buchten und mächtigen Flußmündungen. Der Mississippi führt von der Mün¬
dung des Ohio, bei Cairo, meeresartige Wassermassen und gestattet die Be-
frachtung mit großen Dampfschiffen und Kanonenbooten. Da nun die Nord-


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[0331] nicht zu andern Orten, Kunststraßen aber sind Luxusartikel, welche kaum gefun¬ den werden. — Zum Marschiren sind die Schienenstraßen selbst bei uns nicht sehr geeignet, noch viel weniger aber in Amerika, wo bei allen Einrichtungen nur der nächste Zweck zu erreichen gesucht und jede Bedeckung der Schwellen, die Ausfüllung der Brückenlinien u. s. w. vermieden wird. Da eine Truppe in einem Bahnzüge aller Vertheidigungskraft entbehrt und ganz von dem intacter Zustande des Bahnkörpers abhängt, so ist es unzulässig, im Wirkungkreise des Gegners Truppen zu verladen und zu fahren; vor dem Feinde kann man deshalb Eisenbahnen nur als Marsch- und Transportlinien benutzen. — Im ersten Jahre des Krieges hat man mehrfach versucht, aus der Eisenbahn direct an den Feind zu rücken, hat aber schleckte Erfahrungen gemacht und ist davon abgekommen. Man kann mittelst der Bahnen Armeen ganz nach einem Kriegsschauplatz fahren, den Kriegsschauplatz wechseln aber nur da, wo die Staatsgewalt alle Hilfsmittel dergestalt in sich concentrirt, wie in Frankreich; in Amerika dagegen werden selbst solche Transporte nur klein, den Transport¬ mitteln der einzelnen Bahnen entsprechend sein. Die Ereignisse bestätigen auch diese Sätze. Die Eisenbahnen also bilden für die nordamerikanischen Heere die Opera¬ tionslinien, mit Ausnahme des Mississippi, wie wir sehen werden. Die Eisen¬ bahnen bieten ferner die Transportmittel, um alle Erfordernisse für das Heer herbei¬ zuführen und sie geben die Marschlinien ab, auf und an welchen sich die Heere bewegen. Sie fordern aber, daß auf jeder Marschelappe aus der militärischen Aufstellung die Communication mit der Bahn nach rückwärts durch ein ausgedehntes Fuhrwesen hergestellt werde. Die Schwierigkeit dieser jedesmaligen Einrichtung führt zu längerem Aufenthalt in allen guten Positionen und dieser längere Aufenthalt bringt es mit sich, daß auch die übrige militärische Einrichtung gründlicher getroffen wird, d. h. daß man sich in solchen Stellungen befestigt. So geben die localen Verhältnisse die Erklärung, daß die Eisenbahnlinien eine so bedeutende Rolle spielen, daß die Kriegführung sich so lange um denselben Punkt in viel kleinern Räumen bewegt und daß dabei Verschanzungen in größerem Maße zum Vorschein kommen, als in Europa. Die Abhängigkeit der Armeen von ihren Verbindungen und die geringe Zahl der vorhandenen Wege führt aber auch dahin, daß die Jahres¬ zeit, welche die Wege grundlos macht, die Monate November und December sowie März und April, die Kriegsführung zum Stillstand bringt. Außer den Eisenbahnen haben nun die Unionisten auf beiden Flügeln als wei¬ tere Communications- und Operationslinien Wasser. Im Westen den Mississippi, im Osten den atlantischen Ocean mit seinen tief in das Land hineinschncidendcn Buchten und mächtigen Flußmündungen. Der Mississippi führt von der Mün¬ dung des Ohio, bei Cairo, meeresartige Wassermassen und gestattet die Be- frachtung mit großen Dampfschiffen und Kanonenbooten. Da nun die Nord-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/331>, abgerufen am 22.07.2024.