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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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seine Stoffe dem siebenjährigen und dem Freiheitskriege, außerdem malte er
eine kleine Episode des jüngsten schleswigschen. Camp Hausen verstand es seit¬
her durch die Wahl seiner Gegenstände von vorn herein die Sympathien seines
Publicums für sich zu gewinnen. Dazu beherrscht er den äußern Apparat
solcher Kriegsbilder jener Perioden ziemlich vollständig, kennt alles militärische
Wesen derselben gründlich und zeichnet mit einer gewissen einfachen Natürlich,
keit. Die Farbe ist immer eine schwache Stelle bei ihm. Sie wird das
staubige, Grau- Ton- und Wirkungslose des düsselborfer Durchschmttscvlorits
nicht los. In seinem schönsten Bilde (Ausst. von 1860), dem Rheinübergang
Blüchers, erhob er sich freilich auch in dieser Hinsicht weit über seine ge¬
wöhnlichen Leistungen. Von den hier ausgestellten läßt sich nicht dasselbe
rühmen. Ihr Colorit wird ihnen in der vollen Geltendmachung ihrer sonstigen
künstlerischen Vorzüge geradezu hinderlich. Eins dieser Bilder leidet obendrein
durch einen entschieden Mißgriff in Bezug auf den Stoff. Wenn wir die Schil¬
derung von jenem nächtlichen Bivouak auf winterlichem Schlachtfelde nach dem
Siege von Leuthen lesen, wie die preußischen Truppen in frommer Herzensbewegung
den Choral "Nun danket Alle Gott" angestimmt haben, so regt dies Gemüth und
Phantasie nothwendig mächtig an. Aber was der poetischen Wirkung in vollstem
Maße fähig, kann nichts desto weniger für die malerische recht ungünstig sein.
Das Bild ist sehr glücklich componirt: auf dem schneebedeckten Kirchhof des
halbzerstörten Dorfs zwischen Gräbern und Leichensteinen haben sich Gruppen
von Soldaten um das Wachtfeuer geschaart. Verwundete am Boden gebettet;
Infanterie bildet die Hauptmasse; Reiter haben sich von den Seiten her ge¬
nähert. Diese halb vom flackernden Feuer, halb vom bleichen Mondlicht be¬
leuchteten Männer sieht man aus vollem Herzen singen. Man sieht sie
singen, darin liegt schon die Kritik des Gegenstandes. Der Anblick singender
Männer, ebenso wie der ihre Instrumente blasenden Hautboistcn, welche den
Choral begleiten, ist wenig erbaulich: weit offener Mund. resp, aufgeblasene
Backen und noch dazu von unten her vom Feuerschein angestrahlt -- ein fast
peinlicher Anblick. Dabei hat die Wirkung des Feuers gar zu wenig Energie
und Wahrheit. Man denkt an Wenzels Hvchkirch, jenes nächtliche "Feuerbild",
wie selten ein ähnliches gemalt ist; und dies will uns hier wie kalte Asche er-
scheinen.

Das große Gemälde einer Parade vor Friedrich dem Zweiten von Camp-
Kausen ist desto fesselnder. Wie sehr er sich in jene Zeit und die ganze Art
ihrer (soldatischen) Mensckcn hineinzusetzen versteht, beweist er hier glänzend.
Er muß den Dienst, die Tactik, das Exercierreglement jener Armee studirt haben,
wie ein Offizier: so treu und echt zeigt er uns das Bild des Parademarsches
der Potsdamer Grenadiere von 1780 vor ihrem Könige und seiner Suite.
Friedrich selbst bleibt in der Darstellung etwas gegen die Intention zurück und


seine Stoffe dem siebenjährigen und dem Freiheitskriege, außerdem malte er
eine kleine Episode des jüngsten schleswigschen. Camp Hausen verstand es seit¬
her durch die Wahl seiner Gegenstände von vorn herein die Sympathien seines
Publicums für sich zu gewinnen. Dazu beherrscht er den äußern Apparat
solcher Kriegsbilder jener Perioden ziemlich vollständig, kennt alles militärische
Wesen derselben gründlich und zeichnet mit einer gewissen einfachen Natürlich,
keit. Die Farbe ist immer eine schwache Stelle bei ihm. Sie wird das
staubige, Grau- Ton- und Wirkungslose des düsselborfer Durchschmttscvlorits
nicht los. In seinem schönsten Bilde (Ausst. von 1860), dem Rheinübergang
Blüchers, erhob er sich freilich auch in dieser Hinsicht weit über seine ge¬
wöhnlichen Leistungen. Von den hier ausgestellten läßt sich nicht dasselbe
rühmen. Ihr Colorit wird ihnen in der vollen Geltendmachung ihrer sonstigen
künstlerischen Vorzüge geradezu hinderlich. Eins dieser Bilder leidet obendrein
durch einen entschieden Mißgriff in Bezug auf den Stoff. Wenn wir die Schil¬
derung von jenem nächtlichen Bivouak auf winterlichem Schlachtfelde nach dem
Siege von Leuthen lesen, wie die preußischen Truppen in frommer Herzensbewegung
den Choral „Nun danket Alle Gott" angestimmt haben, so regt dies Gemüth und
Phantasie nothwendig mächtig an. Aber was der poetischen Wirkung in vollstem
Maße fähig, kann nichts desto weniger für die malerische recht ungünstig sein.
Das Bild ist sehr glücklich componirt: auf dem schneebedeckten Kirchhof des
halbzerstörten Dorfs zwischen Gräbern und Leichensteinen haben sich Gruppen
von Soldaten um das Wachtfeuer geschaart. Verwundete am Boden gebettet;
Infanterie bildet die Hauptmasse; Reiter haben sich von den Seiten her ge¬
nähert. Diese halb vom flackernden Feuer, halb vom bleichen Mondlicht be¬
leuchteten Männer sieht man aus vollem Herzen singen. Man sieht sie
singen, darin liegt schon die Kritik des Gegenstandes. Der Anblick singender
Männer, ebenso wie der ihre Instrumente blasenden Hautboistcn, welche den
Choral begleiten, ist wenig erbaulich: weit offener Mund. resp, aufgeblasene
Backen und noch dazu von unten her vom Feuerschein angestrahlt — ein fast
peinlicher Anblick. Dabei hat die Wirkung des Feuers gar zu wenig Energie
und Wahrheit. Man denkt an Wenzels Hvchkirch, jenes nächtliche „Feuerbild",
wie selten ein ähnliches gemalt ist; und dies will uns hier wie kalte Asche er-
scheinen.

Das große Gemälde einer Parade vor Friedrich dem Zweiten von Camp-
Kausen ist desto fesselnder. Wie sehr er sich in jene Zeit und die ganze Art
ihrer (soldatischen) Mensckcn hineinzusetzen versteht, beweist er hier glänzend.
Er muß den Dienst, die Tactik, das Exercierreglement jener Armee studirt haben,
wie ein Offizier: so treu und echt zeigt er uns das Bild des Parademarsches
der Potsdamer Grenadiere von 1780 vor ihrem Könige und seiner Suite.
Friedrich selbst bleibt in der Darstellung etwas gegen die Intention zurück und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/314>, abgerufen am 22.07.2024.