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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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in dem das mittelstaatliche Deutschland zum ersten Male, und zwar im Gegen¬
satze zu den beiden Großmächten, sich der nationalen Sympathien erfreute, sich
füglich nicht hat erreichen lassen, das wird man im politischen Sinne als
unmöglich bezeichnen sonnen.

Wenn ferner Herr Fröbel auch in der Handelspolitik den Ansatz zu einer
dreiheitlicbcn Stellung der deutschen Staaten sieht, so ist dieser Ansatz wenig¬
stens außerordentlich schwach gewesen; oder besser gesagt, er bestand nur in der
Phantasie derjenigen Staaten, die verblendet genug waren, gerade auf dem handels¬
politischen Terrain, wo alle Vortheile auf Seiten des Gegners waren, Preußen
den Kampf anzubieten. Die Illusionen, denen man sich in München und Stutt¬
gart hingab, sind schwer begreiflich, zumal da von Anfang klar hervortrat, daß
es den verschiedenen Gliedern der Gruppe durchaus an einem gemeinsamen
Standpunkt fehlte. Wie sollten z. B. Bayern, Sachsen und Hannover sich zu
einem handelspolitischen System vereinigen? Die schroffsten Gegensätze traten
innerhalb der Gruppe unvermittelt gegenüber, eine Ausgleichung derselben war
nur möglich durch die Vereinigung der kleineren Staaten mit einem größeren,
der die Gegensätze in sich bereits überwunden und gebunden hatte, zu einem
einheitlichen großen Handelsgebiete. Man hat dies auch wohl selbst in
Süddeutschland niemals verkannt; aber die Tendenz, die Schwierigkeiten, die
man Preußen bei Durchführung des Vertrages in den Weg legen zu können
glaubte, zu Zwecken der hohen Politik auszubeuten, gewann die Oberhand über
jede sachliche Erwägung. Verbündet mit den principiellen Schutzzöllnern mach¬
ten die süddeutschen Regierungen eine Opposition, die auch dem befangensten
Blicke in dem Moment als gescheitert erscheinen mußte, wo Sachsen, dem mäch¬
tigen Zuge seiner handelspolitischen Interessen folgend, seinen Beitritt zum Han¬
delsvertrage erklärte. Zwischen dem finanziellen und commerziellen Ruin und
eine schwere politische Niederlage gestellt haben die Gegner des Vertrages schlie߬
lich die letztere gewählt, wenn überhaupt hier noch von einer Wahl die Rede
sein konnte. So hat Preußen in dieser Angelegenheit ohne Anwendung dra¬
stischer Mittel, einfach durch Geltendmachen seiner natürlichen Position als Schwer¬
punkt der Elemente, die außer ihm einen Schwerpunkt nicht haben, einen be¬
deutenden Erfolg davongetragen; ob einen vollständigen, das wird freilich erst
der Ausgang der Verhandlungen mit Oestreich zeigen. Indessen scheint es doch,
daß man in Bezug auf diese Verhandlungen nicht Ursache hat, sich Besorgnissen
hinzugeben, da sich kein genügender Grund ersehen läßt, weshalb Preußen, ohne
jede zwingende Nothwendigkeit, aus reiner Großmuth Oestreich Concessionen
machen sollte, die irgendwie, sei es auch erst für eine ferne Zukunft die Selb¬
ständigkeit der Zvllvereinsvolitik zu schmälern geeignet sein könnten. Man
wird sich daher wohl der zuversichtlichen Hoffnung hingeben können, daß
der Sieg der nationalen Sache, die Preußen in der Handelsfrage vertritt,


in dem das mittelstaatliche Deutschland zum ersten Male, und zwar im Gegen¬
satze zu den beiden Großmächten, sich der nationalen Sympathien erfreute, sich
füglich nicht hat erreichen lassen, das wird man im politischen Sinne als
unmöglich bezeichnen sonnen.

Wenn ferner Herr Fröbel auch in der Handelspolitik den Ansatz zu einer
dreiheitlicbcn Stellung der deutschen Staaten sieht, so ist dieser Ansatz wenig¬
stens außerordentlich schwach gewesen; oder besser gesagt, er bestand nur in der
Phantasie derjenigen Staaten, die verblendet genug waren, gerade auf dem handels¬
politischen Terrain, wo alle Vortheile auf Seiten des Gegners waren, Preußen
den Kampf anzubieten. Die Illusionen, denen man sich in München und Stutt¬
gart hingab, sind schwer begreiflich, zumal da von Anfang klar hervortrat, daß
es den verschiedenen Gliedern der Gruppe durchaus an einem gemeinsamen
Standpunkt fehlte. Wie sollten z. B. Bayern, Sachsen und Hannover sich zu
einem handelspolitischen System vereinigen? Die schroffsten Gegensätze traten
innerhalb der Gruppe unvermittelt gegenüber, eine Ausgleichung derselben war
nur möglich durch die Vereinigung der kleineren Staaten mit einem größeren,
der die Gegensätze in sich bereits überwunden und gebunden hatte, zu einem
einheitlichen großen Handelsgebiete. Man hat dies auch wohl selbst in
Süddeutschland niemals verkannt; aber die Tendenz, die Schwierigkeiten, die
man Preußen bei Durchführung des Vertrages in den Weg legen zu können
glaubte, zu Zwecken der hohen Politik auszubeuten, gewann die Oberhand über
jede sachliche Erwägung. Verbündet mit den principiellen Schutzzöllnern mach¬
ten die süddeutschen Regierungen eine Opposition, die auch dem befangensten
Blicke in dem Moment als gescheitert erscheinen mußte, wo Sachsen, dem mäch¬
tigen Zuge seiner handelspolitischen Interessen folgend, seinen Beitritt zum Han¬
delsvertrage erklärte. Zwischen dem finanziellen und commerziellen Ruin und
eine schwere politische Niederlage gestellt haben die Gegner des Vertrages schlie߬
lich die letztere gewählt, wenn überhaupt hier noch von einer Wahl die Rede
sein konnte. So hat Preußen in dieser Angelegenheit ohne Anwendung dra¬
stischer Mittel, einfach durch Geltendmachen seiner natürlichen Position als Schwer¬
punkt der Elemente, die außer ihm einen Schwerpunkt nicht haben, einen be¬
deutenden Erfolg davongetragen; ob einen vollständigen, das wird freilich erst
der Ausgang der Verhandlungen mit Oestreich zeigen. Indessen scheint es doch,
daß man in Bezug auf diese Verhandlungen nicht Ursache hat, sich Besorgnissen
hinzugeben, da sich kein genügender Grund ersehen läßt, weshalb Preußen, ohne
jede zwingende Nothwendigkeit, aus reiner Großmuth Oestreich Concessionen
machen sollte, die irgendwie, sei es auch erst für eine ferne Zukunft die Selb¬
ständigkeit der Zvllvereinsvolitik zu schmälern geeignet sein könnten. Man
wird sich daher wohl der zuversichtlichen Hoffnung hingeben können, daß
der Sieg der nationalen Sache, die Preußen in der Handelsfrage vertritt,


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[0304] in dem das mittelstaatliche Deutschland zum ersten Male, und zwar im Gegen¬ satze zu den beiden Großmächten, sich der nationalen Sympathien erfreute, sich füglich nicht hat erreichen lassen, das wird man im politischen Sinne als unmöglich bezeichnen sonnen. Wenn ferner Herr Fröbel auch in der Handelspolitik den Ansatz zu einer dreiheitlicbcn Stellung der deutschen Staaten sieht, so ist dieser Ansatz wenig¬ stens außerordentlich schwach gewesen; oder besser gesagt, er bestand nur in der Phantasie derjenigen Staaten, die verblendet genug waren, gerade auf dem handels¬ politischen Terrain, wo alle Vortheile auf Seiten des Gegners waren, Preußen den Kampf anzubieten. Die Illusionen, denen man sich in München und Stutt¬ gart hingab, sind schwer begreiflich, zumal da von Anfang klar hervortrat, daß es den verschiedenen Gliedern der Gruppe durchaus an einem gemeinsamen Standpunkt fehlte. Wie sollten z. B. Bayern, Sachsen und Hannover sich zu einem handelspolitischen System vereinigen? Die schroffsten Gegensätze traten innerhalb der Gruppe unvermittelt gegenüber, eine Ausgleichung derselben war nur möglich durch die Vereinigung der kleineren Staaten mit einem größeren, der die Gegensätze in sich bereits überwunden und gebunden hatte, zu einem einheitlichen großen Handelsgebiete. Man hat dies auch wohl selbst in Süddeutschland niemals verkannt; aber die Tendenz, die Schwierigkeiten, die man Preußen bei Durchführung des Vertrages in den Weg legen zu können glaubte, zu Zwecken der hohen Politik auszubeuten, gewann die Oberhand über jede sachliche Erwägung. Verbündet mit den principiellen Schutzzöllnern mach¬ ten die süddeutschen Regierungen eine Opposition, die auch dem befangensten Blicke in dem Moment als gescheitert erscheinen mußte, wo Sachsen, dem mäch¬ tigen Zuge seiner handelspolitischen Interessen folgend, seinen Beitritt zum Han¬ delsvertrage erklärte. Zwischen dem finanziellen und commerziellen Ruin und eine schwere politische Niederlage gestellt haben die Gegner des Vertrages schlie߬ lich die letztere gewählt, wenn überhaupt hier noch von einer Wahl die Rede sein konnte. So hat Preußen in dieser Angelegenheit ohne Anwendung dra¬ stischer Mittel, einfach durch Geltendmachen seiner natürlichen Position als Schwer¬ punkt der Elemente, die außer ihm einen Schwerpunkt nicht haben, einen be¬ deutenden Erfolg davongetragen; ob einen vollständigen, das wird freilich erst der Ausgang der Verhandlungen mit Oestreich zeigen. Indessen scheint es doch, daß man in Bezug auf diese Verhandlungen nicht Ursache hat, sich Besorgnissen hinzugeben, da sich kein genügender Grund ersehen läßt, weshalb Preußen, ohne jede zwingende Nothwendigkeit, aus reiner Großmuth Oestreich Concessionen machen sollte, die irgendwie, sei es auch erst für eine ferne Zukunft die Selb¬ ständigkeit der Zvllvereinsvolitik zu schmälern geeignet sein könnten. Man wird sich daher wohl der zuversichtlichen Hoffnung hingeben können, daß der Sieg der nationalen Sache, die Preußen in der Handelsfrage vertritt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/304>, abgerufen am 22.07.2024.