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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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als Verbündeter Frankreichs Theil zu nehmen und 3) über seine Festungen nur
im EinVerständniß mit Oestreich zu verfügen. Dieses gewährleistete seinerseits
die Integrität Sachsens, versprach seine guten Dienste, um jeder feindlichen Be¬
lastung des Landes durch die Alliirten ein Ende zu machen, verpflichtete sich,
dem König eine angemessene Entschädigung für das Herzogthum Warschau zu
verschaffen, wenn die Aufopferung dieses Landes nothwendig werden sollte, und
versprach noch besonders Sorge zu tragen, daß über Erfurt und die kleinen
Staaten Neuß, Schwarzburg und Anhalt sowie über die sächsischen Herzogthü-
mer nicht anders, als zu Gunsten der Krone Sachsen verfügt werde. Außer¬
dem wünschte der wiener Hof, daß der König und die königliche Familie sich
nach Prag begaben und erbot sich, den sächsischen Truppen in Böhmen eine Zu¬
fluchtsstätte zu gewähren.

Gegen diese Grundzüge hatte der König nichts einzuwenden. Hr. v. Senfft
wünschte aber, daß der allgemeine Theil, der Beitritt zur Vermittlung Oestreichs,
die Form eines öffentlichen Vündnißvertrages erhalte, während die anderen Be¬
stimmungen den Gegenstand geheimer Artikel bilden sollten. Der Fürst Ester-
hazy widerstrebte diesem Vorschlage nicht, aber er besaß keine Vollmacht, um zu
unterzeichnen und wünschte, daß der Abschluß in Wien stattfände. Allein in Wien
war man überhaupt nicht geneigt, durch öffentlichen Vertrag eine so schnelle
Klärung der Verhältnisse herbeizuführen und dem König von Sachsen war diese
östreichische Vorsicht höchst sympathisch. Da er nämlich die Verbindung mit
Frankreich für gelöst hielt und sich angelegentlich nach einer neuen Stütze um¬
sah, befahl er, daß den an den sächsischen Gesandten in Wien abzuschickenden
Instruktionen die Ermächtigung beigefügt werde, sämmtliche Abmachungen in
einen geheimen Vertrag aufzunehmen, falls der wiener Hof an dieser Bedingung
festhielte.

Während diese Unterhandlungen schwebten, sprach sich die öffentliche Mei¬
nung in Sachsen immer bestimmter aus. Herr v. Senfft hatte in Plauen an-
der in Torgau commandirenden General Thielmann geschrieben, daß Sachsen
der natürliche Verbündete, der Vertheidiger der Freiheit und Unabhängigkeit
Deutschlands sei; da aber sein System sich in einer der Würde des Königs
angemessenen Weise aussprechen-müsse, erscheine ihm der Anschluß an die Po¬
litik Oestreichs als das einzige passende Mittel. Der Minister setzte noch hin¬
zu, daß der Gedanke, sich einer über ganz Norddeutschland ausgedehnten
Suprematie Preußens zu unterwerfen, in dem Herzen eines guten Sachsen
keinen Raum finden könne. Der^General empfing zu gleicher Zeit die be¬
stimmtesten Befehle, in den von ihm befehligten Platz keinen fremden Truppen
Einlaß zu gestatten. In diesem Sinne sielen denn auch die Antworten aus,
die General Thielmann dem preußischen General Kleist auf wiederholte Auf¬
forderung, preußische Truppen in Torgau aufzunehmen, ertheilte. Und auch


als Verbündeter Frankreichs Theil zu nehmen und 3) über seine Festungen nur
im EinVerständniß mit Oestreich zu verfügen. Dieses gewährleistete seinerseits
die Integrität Sachsens, versprach seine guten Dienste, um jeder feindlichen Be¬
lastung des Landes durch die Alliirten ein Ende zu machen, verpflichtete sich,
dem König eine angemessene Entschädigung für das Herzogthum Warschau zu
verschaffen, wenn die Aufopferung dieses Landes nothwendig werden sollte, und
versprach noch besonders Sorge zu tragen, daß über Erfurt und die kleinen
Staaten Neuß, Schwarzburg und Anhalt sowie über die sächsischen Herzogthü-
mer nicht anders, als zu Gunsten der Krone Sachsen verfügt werde. Außer¬
dem wünschte der wiener Hof, daß der König und die königliche Familie sich
nach Prag begaben und erbot sich, den sächsischen Truppen in Böhmen eine Zu¬
fluchtsstätte zu gewähren.

Gegen diese Grundzüge hatte der König nichts einzuwenden. Hr. v. Senfft
wünschte aber, daß der allgemeine Theil, der Beitritt zur Vermittlung Oestreichs,
die Form eines öffentlichen Vündnißvertrages erhalte, während die anderen Be¬
stimmungen den Gegenstand geheimer Artikel bilden sollten. Der Fürst Ester-
hazy widerstrebte diesem Vorschlage nicht, aber er besaß keine Vollmacht, um zu
unterzeichnen und wünschte, daß der Abschluß in Wien stattfände. Allein in Wien
war man überhaupt nicht geneigt, durch öffentlichen Vertrag eine so schnelle
Klärung der Verhältnisse herbeizuführen und dem König von Sachsen war diese
östreichische Vorsicht höchst sympathisch. Da er nämlich die Verbindung mit
Frankreich für gelöst hielt und sich angelegentlich nach einer neuen Stütze um¬
sah, befahl er, daß den an den sächsischen Gesandten in Wien abzuschickenden
Instruktionen die Ermächtigung beigefügt werde, sämmtliche Abmachungen in
einen geheimen Vertrag aufzunehmen, falls der wiener Hof an dieser Bedingung
festhielte.

Während diese Unterhandlungen schwebten, sprach sich die öffentliche Mei¬
nung in Sachsen immer bestimmter aus. Herr v. Senfft hatte in Plauen an-
der in Torgau commandirenden General Thielmann geschrieben, daß Sachsen
der natürliche Verbündete, der Vertheidiger der Freiheit und Unabhängigkeit
Deutschlands sei; da aber sein System sich in einer der Würde des Königs
angemessenen Weise aussprechen-müsse, erscheine ihm der Anschluß an die Po¬
litik Oestreichs als das einzige passende Mittel. Der Minister setzte noch hin¬
zu, daß der Gedanke, sich einer über ganz Norddeutschland ausgedehnten
Suprematie Preußens zu unterwerfen, in dem Herzen eines guten Sachsen
keinen Raum finden könne. Der^General empfing zu gleicher Zeit die be¬
stimmtesten Befehle, in den von ihm befehligten Platz keinen fremden Truppen
Einlaß zu gestatten. In diesem Sinne sielen denn auch die Antworten aus,
die General Thielmann dem preußischen General Kleist auf wiederholte Auf¬
forderung, preußische Truppen in Torgau aufzunehmen, ertheilte. Und auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/258>, abgerufen am 23.07.2024.