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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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>,Nos holya water, ta top chiß wa nebisgay. Sjnuta woarda engl geima.
Tia rik komma. Tia willya ßcheig'ot lote nebisgay, tot kak no sine. Noessi
wisse danneishna stgeiba top nam dans. Un wittedoy nom nösse greif tak
moy Witte dogime nossem gresnarim. Up bring göp nos ka warsikonge. Te>y
toso'ay n'os wie wissolak. Chundak!"

Ein Theil der Worte klingt an das heutige oberlausiizer Wendisch an,
viele andere sind entschieden deutsche. Das wendische Idiom in seinem Absterben
wird ein ähnliches Gemisch gewesen sein wie das Deutsch der sogenannten
Pennsylvanier in den Hinterwäldern Amerikas. Einige slavische Neste haben
sich übrigens in dem Plattdeutsch, welches die hannoverschen Wenden jetzt all¬
gemein sprechen, erhalten. Das Wcndland selbst wird Drawehn, von dem
wendischen "Drawa", Holz, also Hvlzland genannt. Paggeleiiz ist ein huf¬
eisenförmiges Weißbrot, Punlencii; ein Geschenk, Korcitz eine Vorstadt, .Pol-
echlch ein kleiner Topf oder Krug, Zeitcrneitz ein Beil, Buh ein Wandbett,
Leineitz ein Wcbekamm, Gungeineilz eine Violine, Schuck ein Verg. Der
Oberboden des Hauses heißt Pomöhs, die Wiese Luza, die Himbeeren werden
Mulcilzen genannt. Ueberdies liebt es der Wende, manche plattdeutsche Worte
mit slavischen Endungen zu versehen, und so neunter ein kleines Brot "Brote'y",
einen kleinen Topf "Pöttky".

Noch zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts wurde von den Bauern des
Wendlandes bei Gelagen ein Lied gesungen, dessen Originaltext in unsrer
Schrift zu lesen ist, und von dem wir im Folgenden die Uebersetzung geben.
Es ist ein recht charakteristisches Beispiel für die Vvlkspoeste dieses Stammes
und ohne Zweifel sehr alt. Es lautet im Deutschen:

"Wer soll Braut sein? Eule (wendisch: Telka) soll Braut sein. Eule
sprach wieder zu ihnen, den beiden: Ich bin eine sehr häßliche Frau, kann
nicht Braut sein. Ich kann nicht Braut sein.

Wer soll Bräutigam sein? Zaunkönig (wendisch; Stresik) soll Bräutigam
sein. Zaunkönig sprach hinwieder zu ihnen, den beiden: Ich bin ein sehr kleiner
Kerl, kann nicht Bräutigam sein. Ich kann nicht Bräutigam sein.

Wer soll Brautführer sein? Krähe (wendisch: Worno) soll Brautführer sein,
Krähe sprach wieder zu ihnen, den beiden: Ich bin ein sehr schwarzer Bursch,
kann nicht Brautführer sein. Ich kann nicht Brautführer sein.

Wer soll Koch sein? Wolf (wendisch: Wauzka) soll Koch sein. Wolf sprach
wieder zu den beiden: Ich bin ein sehr tückischer Gesell, kann nicht Koch sein.
Ich kann nicht Koch sein.

Wer soll Schenke sein? Hase (wendisch: Svgans) soll Schenke sein- Hase
sprach wieder zu ihnen, den beiden: Ich bin ein sehr flinker Kerl, kann nicht
Schenke sein. Ich kann nicht Schenke sein.

Wer soll Spielmann sein? Storch (wendisch: Butgcm) soll Spielmann


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moy Witte dogime nossem gresnarim. Up bring göp nos ka warsikonge. Te>y
toso'ay n'os wie wissolak. Chundak!"

Ein Theil der Worte klingt an das heutige oberlausiizer Wendisch an,
viele andere sind entschieden deutsche. Das wendische Idiom in seinem Absterben
wird ein ähnliches Gemisch gewesen sein wie das Deutsch der sogenannten
Pennsylvanier in den Hinterwäldern Amerikas. Einige slavische Neste haben
sich übrigens in dem Plattdeutsch, welches die hannoverschen Wenden jetzt all¬
gemein sprechen, erhalten. Das Wcndland selbst wird Drawehn, von dem
wendischen „Drawa", Holz, also Hvlzland genannt. Paggeleiiz ist ein huf¬
eisenförmiges Weißbrot, Punlencii; ein Geschenk, Korcitz eine Vorstadt, .Pol-
echlch ein kleiner Topf oder Krug, Zeitcrneitz ein Beil, Buh ein Wandbett,
Leineitz ein Wcbekamm, Gungeineilz eine Violine, Schuck ein Verg. Der
Oberboden des Hauses heißt Pomöhs, die Wiese Luza, die Himbeeren werden
Mulcilzen genannt. Ueberdies liebt es der Wende, manche plattdeutsche Worte
mit slavischen Endungen zu versehen, und so neunter ein kleines Brot „Brote'y",
einen kleinen Topf „Pöttky".

Noch zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts wurde von den Bauern des
Wendlandes bei Gelagen ein Lied gesungen, dessen Originaltext in unsrer
Schrift zu lesen ist, und von dem wir im Folgenden die Uebersetzung geben.
Es ist ein recht charakteristisches Beispiel für die Vvlkspoeste dieses Stammes
und ohne Zweifel sehr alt. Es lautet im Deutschen:

„Wer soll Braut sein? Eule (wendisch: Telka) soll Braut sein. Eule
sprach wieder zu ihnen, den beiden: Ich bin eine sehr häßliche Frau, kann
nicht Braut sein. Ich kann nicht Braut sein.

Wer soll Bräutigam sein? Zaunkönig (wendisch; Stresik) soll Bräutigam
sein. Zaunkönig sprach hinwieder zu ihnen, den beiden: Ich bin ein sehr kleiner
Kerl, kann nicht Bräutigam sein. Ich kann nicht Bräutigam sein.

Wer soll Brautführer sein? Krähe (wendisch: Worno) soll Brautführer sein,
Krähe sprach wieder zu ihnen, den beiden: Ich bin ein sehr schwarzer Bursch,
kann nicht Brautführer sein. Ich kann nicht Brautführer sein.

Wer soll Koch sein? Wolf (wendisch: Wauzka) soll Koch sein. Wolf sprach
wieder zu den beiden: Ich bin ein sehr tückischer Gesell, kann nicht Koch sein.
Ich kann nicht Koch sein.

Wer soll Schenke sein? Hase (wendisch: Svgans) soll Schenke sein- Hase
sprach wieder zu ihnen, den beiden: Ich bin ein sehr flinker Kerl, kann nicht
Schenke sein. Ich kann nicht Schenke sein.

Wer soll Spielmann sein? Storch (wendisch: Butgcm) soll Spielmann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/208>, abgerufen am 01.10.2024.