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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Wenn ein Staatsmann das, was er als nothwendig erkannt hat, schnell
und ganz thut, wie unwillkommen ihm auch die Nothwendigkeit sei, so ver¬
dient er Lob und z. B. nicht die versteckten Angriffe, welche ein großer Theil
der östreichischen Presse jetzt dem Grafen Rechberg gönnt.

Allerdings hat er in seinem Staat mit Gegnern zu kämpfen. Das Poli¬
tisirende Publicum Wiens ist ihm abgeneigt, weil er in inneren Angelegenheiten
für einen Anhänger des alten Systems und Gegner der Reformideen gilt, welche
Herr v. Schmerling jetzt an seinen Namen zu knüpfen verstanden hat.

Gefährlicher ist ihm die Richtung in seiner Diplomatie, welche vorzugs¬
weise durch die bekehrten Ausländer vertreten wird; ihre Grundstimmung ist:
Abneigung gegen Preußen, Wunsch, die Mittelstaaten immer noch für die
Zwecke Oestreichs zu verwenden und in diesem Augenblick: Wunsch sich Frank¬
reich zu nähern.

Gerade jetzt werden Versuche gemacht, diesen Grundsätzen Geltung zu ver¬
schaffen und die Nachricht ist wahrscheinlich nicht ohne Grund, daß die Stellung
des Grafen Rechberg gefährdet ist.

Für Preußen sollten diese letzten Schwankungen in den regierenden Kreisen
Wiens eine neue Veranlassung werden, die Schleswig-holsteinische Sache so schnell
als möglich zum Ende zu bringen.

Unterdeß ist die Lage der meisten deutschen Mittelstaaten so schlimm als
möglich. Seit den Tagen von Frankfurt ist eine Niederlage auf die andere ge¬
folgt, sie sind nie Günstlinge der öffentlichen Meinung gewesen, jetzt hat sich
ihre Schwäche sowohl in den Herzogthümern als in der Zollfrage vor ganz
Europa in einer Weise bloßgelegt, welche selbst dem Spott kaum noch eine
lohnende Aufgabe stellt. Einige haben ihre Ministerien gewechselt, in anderen
sind die innern Zustände fast hoffnungslos. Wer näher zusieht, wird im Gan¬
zen die Verringerung ihrer Bedeutung nicht der Schuld einzelner Personen zu¬
messen, sie ist eine Folge davon, daß sie ihrer Natur nach zur Vertretung
größerer nationaler Interessen nicht geeignet sind. Dafür, daß uns Deutschen
die brennenden nationalen Fragen nicht fehlen, sorgt man jetzt in Nassau und
Kurhessen, und es sieht darnach aus. als würde für unsere Großmächte nach
der Entscheidung über die Zukunft der Herzogthümer eine Entscheidung über
die Zukunft anderer deutscher Gebiete nöthig werden.




Wenn ein Staatsmann das, was er als nothwendig erkannt hat, schnell
und ganz thut, wie unwillkommen ihm auch die Nothwendigkeit sei, so ver¬
dient er Lob und z. B. nicht die versteckten Angriffe, welche ein großer Theil
der östreichischen Presse jetzt dem Grafen Rechberg gönnt.

Allerdings hat er in seinem Staat mit Gegnern zu kämpfen. Das Poli¬
tisirende Publicum Wiens ist ihm abgeneigt, weil er in inneren Angelegenheiten
für einen Anhänger des alten Systems und Gegner der Reformideen gilt, welche
Herr v. Schmerling jetzt an seinen Namen zu knüpfen verstanden hat.

Gefährlicher ist ihm die Richtung in seiner Diplomatie, welche vorzugs¬
weise durch die bekehrten Ausländer vertreten wird; ihre Grundstimmung ist:
Abneigung gegen Preußen, Wunsch, die Mittelstaaten immer noch für die
Zwecke Oestreichs zu verwenden und in diesem Augenblick: Wunsch sich Frank¬
reich zu nähern.

Gerade jetzt werden Versuche gemacht, diesen Grundsätzen Geltung zu ver¬
schaffen und die Nachricht ist wahrscheinlich nicht ohne Grund, daß die Stellung
des Grafen Rechberg gefährdet ist.

Für Preußen sollten diese letzten Schwankungen in den regierenden Kreisen
Wiens eine neue Veranlassung werden, die Schleswig-holsteinische Sache so schnell
als möglich zum Ende zu bringen.

Unterdeß ist die Lage der meisten deutschen Mittelstaaten so schlimm als
möglich. Seit den Tagen von Frankfurt ist eine Niederlage auf die andere ge¬
folgt, sie sind nie Günstlinge der öffentlichen Meinung gewesen, jetzt hat sich
ihre Schwäche sowohl in den Herzogthümern als in der Zollfrage vor ganz
Europa in einer Weise bloßgelegt, welche selbst dem Spott kaum noch eine
lohnende Aufgabe stellt. Einige haben ihre Ministerien gewechselt, in anderen
sind die innern Zustände fast hoffnungslos. Wer näher zusieht, wird im Gan¬
zen die Verringerung ihrer Bedeutung nicht der Schuld einzelner Personen zu¬
messen, sie ist eine Folge davon, daß sie ihrer Natur nach zur Vertretung
größerer nationaler Interessen nicht geeignet sind. Dafür, daß uns Deutschen
die brennenden nationalen Fragen nicht fehlen, sorgt man jetzt in Nassau und
Kurhessen, und es sieht darnach aus. als würde für unsere Großmächte nach
der Entscheidung über die Zukunft der Herzogthümer eine Entscheidung über
die Zukunft anderer deutscher Gebiete nöthig werden.




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[0156] Wenn ein Staatsmann das, was er als nothwendig erkannt hat, schnell und ganz thut, wie unwillkommen ihm auch die Nothwendigkeit sei, so ver¬ dient er Lob und z. B. nicht die versteckten Angriffe, welche ein großer Theil der östreichischen Presse jetzt dem Grafen Rechberg gönnt. Allerdings hat er in seinem Staat mit Gegnern zu kämpfen. Das Poli¬ tisirende Publicum Wiens ist ihm abgeneigt, weil er in inneren Angelegenheiten für einen Anhänger des alten Systems und Gegner der Reformideen gilt, welche Herr v. Schmerling jetzt an seinen Namen zu knüpfen verstanden hat. Gefährlicher ist ihm die Richtung in seiner Diplomatie, welche vorzugs¬ weise durch die bekehrten Ausländer vertreten wird; ihre Grundstimmung ist: Abneigung gegen Preußen, Wunsch, die Mittelstaaten immer noch für die Zwecke Oestreichs zu verwenden und in diesem Augenblick: Wunsch sich Frank¬ reich zu nähern. Gerade jetzt werden Versuche gemacht, diesen Grundsätzen Geltung zu ver¬ schaffen und die Nachricht ist wahrscheinlich nicht ohne Grund, daß die Stellung des Grafen Rechberg gefährdet ist. Für Preußen sollten diese letzten Schwankungen in den regierenden Kreisen Wiens eine neue Veranlassung werden, die Schleswig-holsteinische Sache so schnell als möglich zum Ende zu bringen. Unterdeß ist die Lage der meisten deutschen Mittelstaaten so schlimm als möglich. Seit den Tagen von Frankfurt ist eine Niederlage auf die andere ge¬ folgt, sie sind nie Günstlinge der öffentlichen Meinung gewesen, jetzt hat sich ihre Schwäche sowohl in den Herzogthümern als in der Zollfrage vor ganz Europa in einer Weise bloßgelegt, welche selbst dem Spott kaum noch eine lohnende Aufgabe stellt. Einige haben ihre Ministerien gewechselt, in anderen sind die innern Zustände fast hoffnungslos. Wer näher zusieht, wird im Gan¬ zen die Verringerung ihrer Bedeutung nicht der Schuld einzelner Personen zu¬ messen, sie ist eine Folge davon, daß sie ihrer Natur nach zur Vertretung größerer nationaler Interessen nicht geeignet sind. Dafür, daß uns Deutschen die brennenden nationalen Fragen nicht fehlen, sorgt man jetzt in Nassau und Kurhessen, und es sieht darnach aus. als würde für unsere Großmächte nach der Entscheidung über die Zukunft der Herzogthümer eine Entscheidung über die Zukunft anderer deutscher Gebiete nöthig werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/156>, abgerufen am 03.07.2024.