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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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bitten, wogegen Schleswig-Holstein für dieses Interesse von höchster Wichtig¬
keit ist. Das Gebäude des Verfassers der Schrift hat also auch hier schlechten
Grund. Es aber noch weiter zu untersuchen, scheint nicht nöthig.




Die römische Frage.

Unter eigenthümlich großartigen Verhältnissen wird Florenz und mit ihm
Italien im kommenden Mai das Fest ihres großen Dichters feiern. Was auch
Kunst und Gelehrsamkeit wetteifernd zur Feier des Tags aufbieten mögen, alles
wird doch zurücktreten vor dem gewaltigen Hintergrund, aus welchen dieses Fest
aufgetragen sein wird: vor der gegenwärtigen .Krisis des Papstthums. Ein
Moment tiefster nationaler Erregung, in dem sich Vergangenheit und Zukunft
des ganzen Volkes zusammenpressen -- wie glücklich trifft es sich, daß gerade
in solchem Moment die Erinnerung an die große Dichtergestalt der Nation sich
aufdrängt, welche, seitdem sie als Nation sich zu fühlen begonnen hat, eben in
Dante das Symbol ihrer Größe und ihrer Zukunft verehrte. Wir könnten
Italien um dieses Fest beneiden. Denn was ist jene unklare Aufregung, in
welche unser Schillerjubiläum hineinfiel, jene trübe Zeit der gegenseitigen An¬
klagen und Verdächtigungen, die nur aus einen Tag durch die Festfreude zum
Schweigen gebracht wurden, was ist sie gegen die gehobene Stimmung, mit
der die Italiener ihren Nationaldichtcr feiern können, gegen das Bewußtsein,
ein gutes Stück zurückgelegt zu haben, und auf dem Wege zur Vollendung des
Ganzen zu sein? Vielleicht um die gleiche Zeit wird sich die alte Guclfcnstadt
zum Feste des Dichters und zum Empfang des Königs von Italien schmücken.
Und das Gedächtniß Dantes, welcher über den Parteigegensatz hinaussah, der
feine Vaterstadt zerfleischte, könnte nicht sinniger gefeiert werden, als durch den
Einzug des Königthums, welches Oestreich gegenüber das Guelsenthum, dem
Papste gegenüber das Ghibellincnthum repräsentirt, -- Gegensätze, die im Grunde
erst heute ihre Bedeutung verloren haben. Ein kühnes Wagniß. unternommen
in der Absicht, damit den Weg nach Rom, die Mittel zur Beseitigung der welt¬
lichen Herrschaft des Papstthums zu finden, ist die schönste Festgabe zum Tag
des Sehers, welcher nicht blos die Entartung der Kirche, sondern auch das Un¬
glück Italiens, ja die Verwüstung der ganzen Welt vom weltlichen Besitz der
Päpste ableitete und sehnsüchtig dem Retter entgegenblickte, "der das Unthier


bitten, wogegen Schleswig-Holstein für dieses Interesse von höchster Wichtig¬
keit ist. Das Gebäude des Verfassers der Schrift hat also auch hier schlechten
Grund. Es aber noch weiter zu untersuchen, scheint nicht nöthig.




Die römische Frage.

Unter eigenthümlich großartigen Verhältnissen wird Florenz und mit ihm
Italien im kommenden Mai das Fest ihres großen Dichters feiern. Was auch
Kunst und Gelehrsamkeit wetteifernd zur Feier des Tags aufbieten mögen, alles
wird doch zurücktreten vor dem gewaltigen Hintergrund, aus welchen dieses Fest
aufgetragen sein wird: vor der gegenwärtigen .Krisis des Papstthums. Ein
Moment tiefster nationaler Erregung, in dem sich Vergangenheit und Zukunft
des ganzen Volkes zusammenpressen — wie glücklich trifft es sich, daß gerade
in solchem Moment die Erinnerung an die große Dichtergestalt der Nation sich
aufdrängt, welche, seitdem sie als Nation sich zu fühlen begonnen hat, eben in
Dante das Symbol ihrer Größe und ihrer Zukunft verehrte. Wir könnten
Italien um dieses Fest beneiden. Denn was ist jene unklare Aufregung, in
welche unser Schillerjubiläum hineinfiel, jene trübe Zeit der gegenseitigen An¬
klagen und Verdächtigungen, die nur aus einen Tag durch die Festfreude zum
Schweigen gebracht wurden, was ist sie gegen die gehobene Stimmung, mit
der die Italiener ihren Nationaldichtcr feiern können, gegen das Bewußtsein,
ein gutes Stück zurückgelegt zu haben, und auf dem Wege zur Vollendung des
Ganzen zu sein? Vielleicht um die gleiche Zeit wird sich die alte Guclfcnstadt
zum Feste des Dichters und zum Empfang des Königs von Italien schmücken.
Und das Gedächtniß Dantes, welcher über den Parteigegensatz hinaussah, der
feine Vaterstadt zerfleischte, könnte nicht sinniger gefeiert werden, als durch den
Einzug des Königthums, welches Oestreich gegenüber das Guelsenthum, dem
Papste gegenüber das Ghibellincnthum repräsentirt, — Gegensätze, die im Grunde
erst heute ihre Bedeutung verloren haben. Ein kühnes Wagniß. unternommen
in der Absicht, damit den Weg nach Rom, die Mittel zur Beseitigung der welt¬
lichen Herrschaft des Papstthums zu finden, ist die schönste Festgabe zum Tag
des Sehers, welcher nicht blos die Entartung der Kirche, sondern auch das Un¬
glück Italiens, ja die Verwüstung der ganzen Welt vom weltlichen Besitz der
Päpste ableitete und sehnsüchtig dem Retter entgegenblickte, „der das Unthier


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[0144] bitten, wogegen Schleswig-Holstein für dieses Interesse von höchster Wichtig¬ keit ist. Das Gebäude des Verfassers der Schrift hat also auch hier schlechten Grund. Es aber noch weiter zu untersuchen, scheint nicht nöthig. Die römische Frage. Unter eigenthümlich großartigen Verhältnissen wird Florenz und mit ihm Italien im kommenden Mai das Fest ihres großen Dichters feiern. Was auch Kunst und Gelehrsamkeit wetteifernd zur Feier des Tags aufbieten mögen, alles wird doch zurücktreten vor dem gewaltigen Hintergrund, aus welchen dieses Fest aufgetragen sein wird: vor der gegenwärtigen .Krisis des Papstthums. Ein Moment tiefster nationaler Erregung, in dem sich Vergangenheit und Zukunft des ganzen Volkes zusammenpressen — wie glücklich trifft es sich, daß gerade in solchem Moment die Erinnerung an die große Dichtergestalt der Nation sich aufdrängt, welche, seitdem sie als Nation sich zu fühlen begonnen hat, eben in Dante das Symbol ihrer Größe und ihrer Zukunft verehrte. Wir könnten Italien um dieses Fest beneiden. Denn was ist jene unklare Aufregung, in welche unser Schillerjubiläum hineinfiel, jene trübe Zeit der gegenseitigen An¬ klagen und Verdächtigungen, die nur aus einen Tag durch die Festfreude zum Schweigen gebracht wurden, was ist sie gegen die gehobene Stimmung, mit der die Italiener ihren Nationaldichtcr feiern können, gegen das Bewußtsein, ein gutes Stück zurückgelegt zu haben, und auf dem Wege zur Vollendung des Ganzen zu sein? Vielleicht um die gleiche Zeit wird sich die alte Guclfcnstadt zum Feste des Dichters und zum Empfang des Königs von Italien schmücken. Und das Gedächtniß Dantes, welcher über den Parteigegensatz hinaussah, der feine Vaterstadt zerfleischte, könnte nicht sinniger gefeiert werden, als durch den Einzug des Königthums, welches Oestreich gegenüber das Guelsenthum, dem Papste gegenüber das Ghibellincnthum repräsentirt, — Gegensätze, die im Grunde erst heute ihre Bedeutung verloren haben. Ein kühnes Wagniß. unternommen in der Absicht, damit den Weg nach Rom, die Mittel zur Beseitigung der welt¬ lichen Herrschaft des Papstthums zu finden, ist die schönste Festgabe zum Tag des Sehers, welcher nicht blos die Entartung der Kirche, sondern auch das Un¬ glück Italiens, ja die Verwüstung der ganzen Welt vom weltlichen Besitz der Päpste ableitete und sehnsüchtig dem Retter entgegenblickte, „der das Unthier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/144>, abgerufen am 03.07.2024.