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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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zu widersetzen, der ihm für die Wiedergeburt der Welt das Dasein schenkte.
Der große Napoleon und sein würdiger Sohn sollten von nun an das tiroler
Volk beschützen! Donei übersetzte Hofer und den um ihn versammelten Vätern
des Vaterlandes diese französischen Phrasen in die schlichte tiroler Sprache, und
erhielt vom ersteren auf sein Befragen, ob er alles recht geschrieben, folgende
Antwort: "Dies müssen Sie besser wissen als ich, ich habe nicht studirt. Unsre
lieben Pater (die Mönche) müssen wir haben, in der Religion lassen wir uns
nichts dazwischen machen, so viel bezahlen wie ehvor kann das Land auch
minds; woher denn das Geld nehmen? Jetzt wissen Sie, was Sie zu schreiben
haben. Das Uebrige wird schon die Mutter Gottes und der heilige Antoni
zurecht richten." Hierauf unterfertigte er das Schriftstück mit seinem Siegel
und Namen, dem er die Worte: "Comedcmt gewöster" beifügte. Die Anderen
folgten. Donei und der Schützenmajor sicherer wurden als Boten gewählt
und nöthigten den Kapuziner, sie bis Untcrau zu begleiten. Am 5. November
in Vliland angelangt, wurden sie noch Abends vom Vicekönig freundlich empfangen,
überreichten ihm den Unterwerfungsact und suchten den Aufstand zu entschul¬
digen. Donei schob allen Anlaß auf die bayerischen Beamten, welche die from¬
men Bräuche gestört. Bischöfe und Priester transpovtirt und im neunzehnten
Jahrhundert ein armes Gebirgsvoik wegen seines Glaubens verfolgt hätten.
Nicht den Franzosen, nur den deutschen Bayern habe sein Haß und Kampf ge¬
golten. Zu bestimmten Bitten aufgefordert, erklärte sich Donei außer Stande,
dieselben sogleich auszusprechen, und ersuchte um Reisepässe für die Vertreter der
Landstände, die sie ihm vortragen würden. Der Vicekönig ließ ihm deren
vierundzwanzig mit einem Schreiben zustellen, das an seine Vollmachtsgeber
gerichtet war. "Leget die Waffen ab." lautete die Mahnung, "und seid ver¬
sichert, daß die Generale der Armee euch als Freunde behandeln werden."
Unter dieser Bedingung wurde ihnen Vergebung des Vergangenen von der
Großmuth Napoleons zugesichert. Die beiden Abgeordneten erfuhren aber schon
auf ihrer Rückkehr die neue Erhebung der Bauern, in Bruneck zeigte ihnen der
französische Divisionsgeneral Baraguay d'Hiiliers aus seinem Fenster die Wach¬
feuer der ringsum gelagerten Stürmer. Hofer ließ sich durch Lügengerüchte
von Siegen über die Franzosen und Bayern und dem Anmarsch von 60,000
Schweizern täuschen, rief nach allen Seiten zu den Waffen und schrieb seinem
Freunde Strand, dem er das Ausrücken der Schützen verkündete: "Gott Wirth
uns noch auf Einer Cvriosen Weiss Ehrlösen." Donei gegenüber entschuldigte
er sich mit dem Zwang, den ihm einige Brixener angethan, die ihn mit dem
Tode bedroht hätten. Der Priester belehrte ihn mit wenigen Worten eines
Besseren, und bald war wieder niemand, der den Frieden mehr herbeiwünschte
als Hofer selbst. Am 8. November erließ er aus Sterzing einen von Donei
geschriebenen Aufruf an die Tiroler, seine lieben "Brüder", worin er erklärte:


zu widersetzen, der ihm für die Wiedergeburt der Welt das Dasein schenkte.
Der große Napoleon und sein würdiger Sohn sollten von nun an das tiroler
Volk beschützen! Donei übersetzte Hofer und den um ihn versammelten Vätern
des Vaterlandes diese französischen Phrasen in die schlichte tiroler Sprache, und
erhielt vom ersteren auf sein Befragen, ob er alles recht geschrieben, folgende
Antwort: „Dies müssen Sie besser wissen als ich, ich habe nicht studirt. Unsre
lieben Pater (die Mönche) müssen wir haben, in der Religion lassen wir uns
nichts dazwischen machen, so viel bezahlen wie ehvor kann das Land auch
minds; woher denn das Geld nehmen? Jetzt wissen Sie, was Sie zu schreiben
haben. Das Uebrige wird schon die Mutter Gottes und der heilige Antoni
zurecht richten." Hierauf unterfertigte er das Schriftstück mit seinem Siegel
und Namen, dem er die Worte: „Comedcmt gewöster" beifügte. Die Anderen
folgten. Donei und der Schützenmajor sicherer wurden als Boten gewählt
und nöthigten den Kapuziner, sie bis Untcrau zu begleiten. Am 5. November
in Vliland angelangt, wurden sie noch Abends vom Vicekönig freundlich empfangen,
überreichten ihm den Unterwerfungsact und suchten den Aufstand zu entschul¬
digen. Donei schob allen Anlaß auf die bayerischen Beamten, welche die from¬
men Bräuche gestört. Bischöfe und Priester transpovtirt und im neunzehnten
Jahrhundert ein armes Gebirgsvoik wegen seines Glaubens verfolgt hätten.
Nicht den Franzosen, nur den deutschen Bayern habe sein Haß und Kampf ge¬
golten. Zu bestimmten Bitten aufgefordert, erklärte sich Donei außer Stande,
dieselben sogleich auszusprechen, und ersuchte um Reisepässe für die Vertreter der
Landstände, die sie ihm vortragen würden. Der Vicekönig ließ ihm deren
vierundzwanzig mit einem Schreiben zustellen, das an seine Vollmachtsgeber
gerichtet war. „Leget die Waffen ab." lautete die Mahnung, „und seid ver¬
sichert, daß die Generale der Armee euch als Freunde behandeln werden."
Unter dieser Bedingung wurde ihnen Vergebung des Vergangenen von der
Großmuth Napoleons zugesichert. Die beiden Abgeordneten erfuhren aber schon
auf ihrer Rückkehr die neue Erhebung der Bauern, in Bruneck zeigte ihnen der
französische Divisionsgeneral Baraguay d'Hiiliers aus seinem Fenster die Wach¬
feuer der ringsum gelagerten Stürmer. Hofer ließ sich durch Lügengerüchte
von Siegen über die Franzosen und Bayern und dem Anmarsch von 60,000
Schweizern täuschen, rief nach allen Seiten zu den Waffen und schrieb seinem
Freunde Strand, dem er das Ausrücken der Schützen verkündete: „Gott Wirth
uns noch auf Einer Cvriosen Weiss Ehrlösen." Donei gegenüber entschuldigte
er sich mit dem Zwang, den ihm einige Brixener angethan, die ihn mit dem
Tode bedroht hätten. Der Priester belehrte ihn mit wenigen Worten eines
Besseren, und bald war wieder niemand, der den Frieden mehr herbeiwünschte
als Hofer selbst. Am 8. November erließ er aus Sterzing einen von Donei
geschriebenen Aufruf an die Tiroler, seine lieben „Brüder", worin er erklärte:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/72>, abgerufen am 28.09.2024.