Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.eigentlichen Gestalt wiederzugeben, tragen die bekannten Züge classischer Philo¬ Diese Unterschiebung des neuen Inhalts unter die herkömmlichen, das Unter Hinweis auf die in einem früheren Jahrgange dieser Blätter von Obgleich aber Ravenna seit der bclisarischen Eroberung neuen künstlerischen eigentlichen Gestalt wiederzugeben, tragen die bekannten Züge classischer Philo¬ Diese Unterschiebung des neuen Inhalts unter die herkömmlichen, das Unter Hinweis auf die in einem früheren Jahrgange dieser Blätter von Obgleich aber Ravenna seit der bclisarischen Eroberung neuen künstlerischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0496" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189591"/> <p xml:id="ID_1840" prev="#ID_1839"> eigentlichen Gestalt wiederzugeben, tragen die bekannten Züge classischer Philo¬<lb/> sophen; in allen Stücken sehen wir. wie gesagt, diese Bilder abhängig von<lb/> dem Vorstellungskreise der römischen Welt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1841"> Diese Unterschiebung des neuen Inhalts unter die herkömmlichen, das<lb/> Ideal der Darsteller völlig beherrschenden alten Typen kehrt nun auch wieder<lb/> bei den schüchternen ersten Versuchen, den Heiland wirklich zu malen. Wo<lb/> solche Bilder — im vierten und fünften Jahrhundert — begegnen, redet aus<lb/> ihnen entweder Apollo oder der olympische Zeus in dürftiger ^Nachbildung.<lb/> Dann erst versucht man, ebenfalls allmälig die eignen Hände von denen der<lb/> antiken Führer befreiend und gleichsam zurücksteigend hinter die überkommene<lb/> Form die Absicht dieser Künstler selbständig zu wiederholen, indem man jene<lb/> Typen verallgemeinert und überhaupt ein Idealbild der Männlichkeit hinzustellen<lb/> strebi. Immer noch in einer gewissen heidnischen Richtung befangen, vielleicht<lb/> auch beeinflußt von der archaisirenden Tendenz der spätrömischen Kunst, deren<lb/> Lebensstrom allmälig ganz versiegt, heben die Späteren in ihren Christusbildern<lb/> derbe Kraft, herkulische Fülle, in allem das Imposante, Gewaltige hervor,<lb/> bis sie sortsteigernd zur Uebertreibung des Majestätischen, zum Schrecklichen und<lb/> Furchtbaren, mit einem Worte zur Caricatur der Antike kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1842"> Unter Hinweis auf die in einem früheren Jahrgange dieser Blätter von<lb/> einem der Autoren unsres Buches selbst gegebene Darstellung der Metamorphosen<lb/> des frühchristlichen Heilandbildes beschränken wir uns hier auf die Andeutung.<lb/> Nur jener Erfrischung und Fristung müssen wir noch gedenken, welche die ver¬<lb/> kommende römische Kunst durch die Verpflanzung der kaiserlichen Residenz nach<lb/> Ravenna erhielt. Hier zeigte sich anfangs die erneute Berührung mit der grie¬<lb/> chischen Welt und ihren Denkmälern in schönster Wirkung, so daß die Zeit«<lb/> genossen in Rom weit hinter den Künstlern zurücktreten, die hier arbeiteten,<lb/> wie wir unter diesen auch wohl zumeist Griechen zu denken haben. Als das<lb/> eigenthümlichste Erzeugniß für unsere Betrachtung haben die Mosaiken der ersten<lb/> Zeit zu gelten. Namentlich die des Baptisteriums und der Grabkapelle der<lb/> Galla Placida (jetzt Se. Nazaro e Celso) zeichnet eine wahrhaft künstlerische<lb/> Behandlung, eine prachtvolle sonnige Farbenwirkung aus. An letzterem Orte<lb/> interessirt außerdem eine äußerst edle und schöne Auffassung des Heilands, der<lb/> classisch in Ausdruck und Haltung als jugendlicher Hirt inmitten einer sanft<lb/> bewegten Landschaft vorgestellt ist, wie er das Lamm liebkost, während er an<lb/> andern Stellen ebenda gleichfalls jugendlich und als Hirt gedacht die Heerde<lb/> in alle Welt sendet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1843" next="#ID_1844"> Obgleich aber Ravenna seit der bclisarischen Eroberung neuen künstlerischen<lb/> Zuwachs aus dem griechischen Osten erhielt, und so eifrig auch die Exarchen<lb/> unter Justinian und seinen Nachfolgern die Stadt durch Monumente und Kir¬<lb/> chen bereicherten, datirt doch von jenem Zeitpunkte ein merkliches Sinken der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0496]
eigentlichen Gestalt wiederzugeben, tragen die bekannten Züge classischer Philo¬
sophen; in allen Stücken sehen wir. wie gesagt, diese Bilder abhängig von
dem Vorstellungskreise der römischen Welt.
Diese Unterschiebung des neuen Inhalts unter die herkömmlichen, das
Ideal der Darsteller völlig beherrschenden alten Typen kehrt nun auch wieder
bei den schüchternen ersten Versuchen, den Heiland wirklich zu malen. Wo
solche Bilder — im vierten und fünften Jahrhundert — begegnen, redet aus
ihnen entweder Apollo oder der olympische Zeus in dürftiger ^Nachbildung.
Dann erst versucht man, ebenfalls allmälig die eignen Hände von denen der
antiken Führer befreiend und gleichsam zurücksteigend hinter die überkommene
Form die Absicht dieser Künstler selbständig zu wiederholen, indem man jene
Typen verallgemeinert und überhaupt ein Idealbild der Männlichkeit hinzustellen
strebi. Immer noch in einer gewissen heidnischen Richtung befangen, vielleicht
auch beeinflußt von der archaisirenden Tendenz der spätrömischen Kunst, deren
Lebensstrom allmälig ganz versiegt, heben die Späteren in ihren Christusbildern
derbe Kraft, herkulische Fülle, in allem das Imposante, Gewaltige hervor,
bis sie sortsteigernd zur Uebertreibung des Majestätischen, zum Schrecklichen und
Furchtbaren, mit einem Worte zur Caricatur der Antike kommen.
Unter Hinweis auf die in einem früheren Jahrgange dieser Blätter von
einem der Autoren unsres Buches selbst gegebene Darstellung der Metamorphosen
des frühchristlichen Heilandbildes beschränken wir uns hier auf die Andeutung.
Nur jener Erfrischung und Fristung müssen wir noch gedenken, welche die ver¬
kommende römische Kunst durch die Verpflanzung der kaiserlichen Residenz nach
Ravenna erhielt. Hier zeigte sich anfangs die erneute Berührung mit der grie¬
chischen Welt und ihren Denkmälern in schönster Wirkung, so daß die Zeit«
genossen in Rom weit hinter den Künstlern zurücktreten, die hier arbeiteten,
wie wir unter diesen auch wohl zumeist Griechen zu denken haben. Als das
eigenthümlichste Erzeugniß für unsere Betrachtung haben die Mosaiken der ersten
Zeit zu gelten. Namentlich die des Baptisteriums und der Grabkapelle der
Galla Placida (jetzt Se. Nazaro e Celso) zeichnet eine wahrhaft künstlerische
Behandlung, eine prachtvolle sonnige Farbenwirkung aus. An letzterem Orte
interessirt außerdem eine äußerst edle und schöne Auffassung des Heilands, der
classisch in Ausdruck und Haltung als jugendlicher Hirt inmitten einer sanft
bewegten Landschaft vorgestellt ist, wie er das Lamm liebkost, während er an
andern Stellen ebenda gleichfalls jugendlich und als Hirt gedacht die Heerde
in alle Welt sendet.
Obgleich aber Ravenna seit der bclisarischen Eroberung neuen künstlerischen
Zuwachs aus dem griechischen Osten erhielt, und so eifrig auch die Exarchen
unter Justinian und seinen Nachfolgern die Stadt durch Monumente und Kir¬
chen bereicherten, datirt doch von jenem Zeitpunkte ein merkliches Sinken der
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