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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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gefährlicher ist der Vorwand, welchen die auswärtigen Mächte erhalten, einer
definitiven Lösung der Frage entgegenzuarbeiten und sich auch in die innere
Seite der Frage einzumischen; denn es handelt sich für die Regierungen de-s
Auslandes jetzt nicht mehr allein darum, ob Schleswig ganz oder theilmeisc zu
Holstein fallen soll, sie habe" auch Veranlassung und ein Recht gewonnen, sich
über die künftigen Negentenhäuser zu entscheiden. Und diese gefährliche und
das deutsche Gefühl demüthigende Einmischung des Auslandes ist erst möglich
geworden, seit mehr als ein deutscher Fürst den Anspruch erhob, Herzog von
Schleswig-Holstein zu werden.

Für den Großherzog wird das alles kein Gewinn. Die Angelegenheit
Schleswig-Holsteins ist leine Sache, welche noch so oder anders abgemacht wer¬
den kann. Die deutsche Nation hat seit drei Vierteljahren gedrängt, gefordert,
getrauert und gejubelt um diese eine Angelegenheit. Es ist in der That eine
Volkssache geworden in der höchsten Bedeutung, welche man diesem Worte
geben kann. Sie durchzufechten mag uns noch viele Opfer kosten und viele
Mühe verursachen, aber sie wird auf dem Wege entschieden werden, auf den
sie im Herbst vorige" Jahres gestellt wurde. Das Volk der Herzogthümer hat
den Herzog Friedrich als seinen rechtmäßigen Landesherrn in vielen hundert
Versammlungen, Adressen und Deputationen anerkannt. Und es ist unleidlich,
daß das Volk der Schleswig-Holstciuer zum Narren seiner Loyalität gemacht
werde. Ein Landesherr ist in Deutschland doch noch etwas Anderes, als ein
Rock, den man anzieht und auszieht und nach fremdem Wunsch und Willen
mit- einem andern vertauscht. Und weil er uns mehr bedeutet, deshalb wird
Herzog Friedrich jetzt Herzog von Schleswig-Holstein werden, ganz abgesehen
von seinen guten Rechtsansprüchen. Und deshalb werden die Forderungen des
Großherzogs von Oldenburg vergeblich erhoben werden, und sein Hervortreten
wird mit bitterer Enttäuschung für ihn enden. Daß er selbst sich in diese
Lage versetzt hat -- es sei hier wiederholt -- das thut Vielen leid. Denn ein
Leben, das bis jetzt in friedlicher Pflichterfüllung, als ein Beispiel für man¬
chen unsrer Herren dahinlief, das wird jetzt durch einen Sturm von Wünschen
und Begehrlichkeit, von nichtigen Erfolgen und von bittern Enttäuschungen auf¬
gewühlt, er selbst hat sich in Gefahr gebracht, daß seine künftigen Tage fried¬
los verrinnen, und er hat uns Alle in die Gefahr gebracht, einen wackern und
patriotischen Herrn aus unserm Herzen zu verlieren, der in schlechter Zeit mehr
als einmal dem Volke treu gefunden wurde, >wo Andere es nicht waren.

Giebt es für ihn noch einen Rückweg von der abschüssigen Bahn, die er
betreten hat, so ist jetzt die letzte Stunde gekommen, sich den Frieden, uns den
Glauben an ihn zu erhalten. Er mag seine Ansprüche beim Bunde begrün¬
den, aber er soll, wie die anderen Linien von Gottorp zu seinen Gunsten ver¬
zichtet haben, selbst wieder zu Gunsten seines Vetters aus dem augustenburger


gefährlicher ist der Vorwand, welchen die auswärtigen Mächte erhalten, einer
definitiven Lösung der Frage entgegenzuarbeiten und sich auch in die innere
Seite der Frage einzumischen; denn es handelt sich für die Regierungen de-s
Auslandes jetzt nicht mehr allein darum, ob Schleswig ganz oder theilmeisc zu
Holstein fallen soll, sie habe» auch Veranlassung und ein Recht gewonnen, sich
über die künftigen Negentenhäuser zu entscheiden. Und diese gefährliche und
das deutsche Gefühl demüthigende Einmischung des Auslandes ist erst möglich
geworden, seit mehr als ein deutscher Fürst den Anspruch erhob, Herzog von
Schleswig-Holstein zu werden.

Für den Großherzog wird das alles kein Gewinn. Die Angelegenheit
Schleswig-Holsteins ist leine Sache, welche noch so oder anders abgemacht wer¬
den kann. Die deutsche Nation hat seit drei Vierteljahren gedrängt, gefordert,
getrauert und gejubelt um diese eine Angelegenheit. Es ist in der That eine
Volkssache geworden in der höchsten Bedeutung, welche man diesem Worte
geben kann. Sie durchzufechten mag uns noch viele Opfer kosten und viele
Mühe verursachen, aber sie wird auf dem Wege entschieden werden, auf den
sie im Herbst vorige» Jahres gestellt wurde. Das Volk der Herzogthümer hat
den Herzog Friedrich als seinen rechtmäßigen Landesherrn in vielen hundert
Versammlungen, Adressen und Deputationen anerkannt. Und es ist unleidlich,
daß das Volk der Schleswig-Holstciuer zum Narren seiner Loyalität gemacht
werde. Ein Landesherr ist in Deutschland doch noch etwas Anderes, als ein
Rock, den man anzieht und auszieht und nach fremdem Wunsch und Willen
mit- einem andern vertauscht. Und weil er uns mehr bedeutet, deshalb wird
Herzog Friedrich jetzt Herzog von Schleswig-Holstein werden, ganz abgesehen
von seinen guten Rechtsansprüchen. Und deshalb werden die Forderungen des
Großherzogs von Oldenburg vergeblich erhoben werden, und sein Hervortreten
wird mit bitterer Enttäuschung für ihn enden. Daß er selbst sich in diese
Lage versetzt hat — es sei hier wiederholt — das thut Vielen leid. Denn ein
Leben, das bis jetzt in friedlicher Pflichterfüllung, als ein Beispiel für man¬
chen unsrer Herren dahinlief, das wird jetzt durch einen Sturm von Wünschen
und Begehrlichkeit, von nichtigen Erfolgen und von bittern Enttäuschungen auf¬
gewühlt, er selbst hat sich in Gefahr gebracht, daß seine künftigen Tage fried¬
los verrinnen, und er hat uns Alle in die Gefahr gebracht, einen wackern und
patriotischen Herrn aus unserm Herzen zu verlieren, der in schlechter Zeit mehr
als einmal dem Volke treu gefunden wurde, >wo Andere es nicht waren.

Giebt es für ihn noch einen Rückweg von der abschüssigen Bahn, die er
betreten hat, so ist jetzt die letzte Stunde gekommen, sich den Frieden, uns den
Glauben an ihn zu erhalten. Er mag seine Ansprüche beim Bunde begrün¬
den, aber er soll, wie die anderen Linien von Gottorp zu seinen Gunsten ver¬
zichtet haben, selbst wieder zu Gunsten seines Vetters aus dem augustenburger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/47>, abgerufen am 28.09.2024.