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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Rechenschaft abzulegen bereit sein sollen, so soll die Regierung offen zu den
Bürgern sprechen, damit eine Einigung entstehe, ohne welche niemals auch nur
der geringste Erfolg möglich ist."

Nach diesen Maximen handelte er, als er die Macht dazu hatte. Zunächst
forderten die zerrütteten Finanzen seine Aufmerksamkeit, und mit Rastlosigkeit
arbeitete er auf die Herbeischaffung der Kriegssteuern und die Hebung des
Staatscredits hin. Eine große Anleihe im Auslande würde bei der damaligen
Lage Preußens gescheitert sein, und so bot sich kein anderer Ausweg dar, als
dem Volke neue Abgaben aufzulegen. Es in den Stand zu setzen, dieselben zu
tragen, war Hardenbergs Meinung nach nur durch eine völlige Umgestaltung
des Staatswesens, vor allem durch stärkere Belastung der Privilegirten, Hebung
der unteren Classen und freie Entwickelung der Kräfte derselben möglich. Die
Accise sollte aus das Platte Land ausgedehnt, die Staatsschulden fundirt und
eine Nationalban? errichtet werden, Maßregeln, die Notabeln zur Prüfung vor¬
gelegt werden sollten. Eine starke Partei am Hofe und im Lande mißbilligte
diese Pläne durchaus, Hardenberg aber ließ sich dadurch nicht irre machen, son¬
dern blieb fest, wogegen er auf die Meinung Anderer, die nicht zu jener Partei
zählten, Gewicht legte und sich bereit erklärte, dieselbe zu hören und zu prüfen.
Doch fand Hardenberg auch hier nicht überall das gewünschte Entgegenkommen,
und namentlich Niebuhr, auf den er hauptsächlich gerechnet, trat ihm -- wohl
aus persönlicher Abneigung und in Vorahnung des späteren schwachen und
würdelosen Verhaltens des Staatskanzlers -- in schonungsloser Weise entgegen.
Auch Schön theilte die hochgespannter Erwartungen nicht, mit denen Harden-
bergs Eintritt in den Staatsdienst von Vielen begrüßt wurde. Dagegen erwies
der König ihm unbedingtes Vertrauen, und auch Stein, dem Hardenberg seinen
Finanzplan übersandt, schlug nur einzelne Veränderungen an demselben vor,
die sofort Annahme fanden. Frei von Egoismus und Dünkel, erklärte der
Staatskanzler Stein für seinen Minister in Finanzsachen. Indem er einen
mündlichen Gedankenaustausch für nöthig hielt, veranlaßte er eine geheime
Zusammenkunft mit Stein, die, als er den König auf einer Reise nach Breslau
begleitete, an einem einsamen Orte an der böhmischen Grenze (wahrscheinlich
am 16. September) stattfand und zu einer völligen Einigung der beiden Staats¬
männer führte.

Gleich nach der Rückkunft des Staatskanzlers ergingen sodann die wich¬
tigsten Verordnungen. Am 27. October wurde ein Edict über die Finanzen
des Staates und über ein neues Abgabensystem erlassen, welches Abschaffung
der Grundstcuerbefreiung und des Zunftzwanges verfügte, alle Classen der Be¬
völkerung gleichmäßig nach ihrem Vermögen zu den Steuern heranzog und die
neuen Abgaben vorzugsweise aus die Konsumtion und den Luxus legte. Am
30. October folgte ein Gesetz über den Verkauf der Domänen und die Ein-


Rechenschaft abzulegen bereit sein sollen, so soll die Regierung offen zu den
Bürgern sprechen, damit eine Einigung entstehe, ohne welche niemals auch nur
der geringste Erfolg möglich ist."

Nach diesen Maximen handelte er, als er die Macht dazu hatte. Zunächst
forderten die zerrütteten Finanzen seine Aufmerksamkeit, und mit Rastlosigkeit
arbeitete er auf die Herbeischaffung der Kriegssteuern und die Hebung des
Staatscredits hin. Eine große Anleihe im Auslande würde bei der damaligen
Lage Preußens gescheitert sein, und so bot sich kein anderer Ausweg dar, als
dem Volke neue Abgaben aufzulegen. Es in den Stand zu setzen, dieselben zu
tragen, war Hardenbergs Meinung nach nur durch eine völlige Umgestaltung
des Staatswesens, vor allem durch stärkere Belastung der Privilegirten, Hebung
der unteren Classen und freie Entwickelung der Kräfte derselben möglich. Die
Accise sollte aus das Platte Land ausgedehnt, die Staatsschulden fundirt und
eine Nationalban? errichtet werden, Maßregeln, die Notabeln zur Prüfung vor¬
gelegt werden sollten. Eine starke Partei am Hofe und im Lande mißbilligte
diese Pläne durchaus, Hardenberg aber ließ sich dadurch nicht irre machen, son¬
dern blieb fest, wogegen er auf die Meinung Anderer, die nicht zu jener Partei
zählten, Gewicht legte und sich bereit erklärte, dieselbe zu hören und zu prüfen.
Doch fand Hardenberg auch hier nicht überall das gewünschte Entgegenkommen,
und namentlich Niebuhr, auf den er hauptsächlich gerechnet, trat ihm — wohl
aus persönlicher Abneigung und in Vorahnung des späteren schwachen und
würdelosen Verhaltens des Staatskanzlers — in schonungsloser Weise entgegen.
Auch Schön theilte die hochgespannter Erwartungen nicht, mit denen Harden-
bergs Eintritt in den Staatsdienst von Vielen begrüßt wurde. Dagegen erwies
der König ihm unbedingtes Vertrauen, und auch Stein, dem Hardenberg seinen
Finanzplan übersandt, schlug nur einzelne Veränderungen an demselben vor,
die sofort Annahme fanden. Frei von Egoismus und Dünkel, erklärte der
Staatskanzler Stein für seinen Minister in Finanzsachen. Indem er einen
mündlichen Gedankenaustausch für nöthig hielt, veranlaßte er eine geheime
Zusammenkunft mit Stein, die, als er den König auf einer Reise nach Breslau
begleitete, an einem einsamen Orte an der böhmischen Grenze (wahrscheinlich
am 16. September) stattfand und zu einer völligen Einigung der beiden Staats¬
männer führte.

Gleich nach der Rückkunft des Staatskanzlers ergingen sodann die wich¬
tigsten Verordnungen. Am 27. October wurde ein Edict über die Finanzen
des Staates und über ein neues Abgabensystem erlassen, welches Abschaffung
der Grundstcuerbefreiung und des Zunftzwanges verfügte, alle Classen der Be¬
völkerung gleichmäßig nach ihrem Vermögen zu den Steuern heranzog und die
neuen Abgaben vorzugsweise aus die Konsumtion und den Luxus legte. Am
30. October folgte ein Gesetz über den Verkauf der Domänen und die Ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/411>, abgerufen am 20.10.2024.