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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Osterfeuer sind im Gebirge nicht gebräuchlich, wohl aber kennt man auch
hier den Nutzen des Osterwasscrs, welches namentlich vor Hautkrankheiten be¬
wahrt, mit dem man sieche Kinder badet und (in der Gegend von Lößnitz) das
Brot zu bestreichen Pflegt. Wer sich am zweiten Osterfeiertag peitschen läßt
(in Sofa), dem thun im ganzen Jahre die Beine nicht weh. Am Ostermorgen
besteckt man die Stallthüren mit grünen Tannenzweigen, um das Vieh vor den
Hexen zu sichern. Stirbt jemand in der Marterwoche, so thun im Lauf des
Jahres die Gewitter leinen Schaden. Eine große Anzahl von abergläubischen
Bräuchen, Regeln und Meinungen knüpft sich an den Charfreitag. Fingerringe
aus Nägeln geschmiedet, die in der Nacht de" Charfreitags von Särgen ge¬
nommen sind, schützen vor Gespenstern. Pulver, vermischt mit dem gedörrten
und zerstoßenen Herzen eines am Charfreitag erlegten Naben, trifft bei jedem
Schuß. Kommt man am Charfreitag an Stelle", wo Schätze liegen, so thun diese
sich auf. streut man an diesem Tage Asche aufs Feld, so wächst viel Klee.
Friert es an ihm, so "müssen noch vierzig Fröste heraus", die aber den Feld¬
früchten nicht schaden.

Zu Walpurgis ziehen die Knaben und Knechte mit wergumwickelten und
in Pech getauchten Besen auf die Berge, zünden jene an, schießen mit Schlüssel¬
büchsen und Pistolen, brennen Pulverfrösche und Kanonenschläge los, knallen
mit Peitschen, schlagen Bretter zusammen und machen überhaupt einen mög¬
lichst großen Lärm, um die zum Blocksberg ziehenden Hexen zu verscheuchen,
die man überdies in der Gegend von Annaberg, Grünstädtcl und Geicrsdorf
dadurch von den Ställen fernhält, daß man die Düngerhaufen mit Hollunder-,
oder Ahlert- (prunus xaclus) oder Weidenruthen besteckt oder an jeder
Ecke derselben ein aus Weichselkirschbaumzweigen zusammengebundenes Kreuz
befestigt.

Wieder andere Gebräuche und Meinungen knüpfen sich an den Johannis¬
tag. Regnet es an diesem, so hat man theures Brot zu erwarten, steigt an
ihm das Wasser, so steigen, fällt es, so fallen auch die Getreidepreise. Man
steckt ferner Kränze in den Flachs, und so hoch die Kränze sind, so hoch wächst
der Flachs. Mittags in der zwölften Stunde trägt man schweigend Kräuter
zusammen zu Thee, der gegen alle Krankheiten gut ist, oder man sammelt
"Johannisblumen" (Arnica) die auf Spiritus gesetzt alle Wunden heilen.

Als Haupttag für die Erforschung der Zukunft, besonders in Bezug auf
künftige Verheirathung, gilt im Erzgebirge der Andreastag, 30. Ociober. Dann
wird allenthalben von heirathslustigen Mädchen entweder vor dem Zubettgehen
oder im Bette selbst, nachdem sie dreimal mit der großen Fußzehe an die Bette
stelle gepocht haben, der Andrcasvers gebetet. Die beste Zeit dazu ist Mitter¬
nacht. Besondere Berhaltungsregeln sind: man esse vorher schweigend einen
Hering, steige rücklings ins Bett und unterlasse für diesmal das gewöhnlich-


Osterfeuer sind im Gebirge nicht gebräuchlich, wohl aber kennt man auch
hier den Nutzen des Osterwasscrs, welches namentlich vor Hautkrankheiten be¬
wahrt, mit dem man sieche Kinder badet und (in der Gegend von Lößnitz) das
Brot zu bestreichen Pflegt. Wer sich am zweiten Osterfeiertag peitschen läßt
(in Sofa), dem thun im ganzen Jahre die Beine nicht weh. Am Ostermorgen
besteckt man die Stallthüren mit grünen Tannenzweigen, um das Vieh vor den
Hexen zu sichern. Stirbt jemand in der Marterwoche, so thun im Lauf des
Jahres die Gewitter leinen Schaden. Eine große Anzahl von abergläubischen
Bräuchen, Regeln und Meinungen knüpft sich an den Charfreitag. Fingerringe
aus Nägeln geschmiedet, die in der Nacht de« Charfreitags von Särgen ge¬
nommen sind, schützen vor Gespenstern. Pulver, vermischt mit dem gedörrten
und zerstoßenen Herzen eines am Charfreitag erlegten Naben, trifft bei jedem
Schuß. Kommt man am Charfreitag an Stelle», wo Schätze liegen, so thun diese
sich auf. streut man an diesem Tage Asche aufs Feld, so wächst viel Klee.
Friert es an ihm, so „müssen noch vierzig Fröste heraus", die aber den Feld¬
früchten nicht schaden.

Zu Walpurgis ziehen die Knaben und Knechte mit wergumwickelten und
in Pech getauchten Besen auf die Berge, zünden jene an, schießen mit Schlüssel¬
büchsen und Pistolen, brennen Pulverfrösche und Kanonenschläge los, knallen
mit Peitschen, schlagen Bretter zusammen und machen überhaupt einen mög¬
lichst großen Lärm, um die zum Blocksberg ziehenden Hexen zu verscheuchen,
die man überdies in der Gegend von Annaberg, Grünstädtcl und Geicrsdorf
dadurch von den Ställen fernhält, daß man die Düngerhaufen mit Hollunder-,
oder Ahlert- (prunus xaclus) oder Weidenruthen besteckt oder an jeder
Ecke derselben ein aus Weichselkirschbaumzweigen zusammengebundenes Kreuz
befestigt.

Wieder andere Gebräuche und Meinungen knüpfen sich an den Johannis¬
tag. Regnet es an diesem, so hat man theures Brot zu erwarten, steigt an
ihm das Wasser, so steigen, fällt es, so fallen auch die Getreidepreise. Man
steckt ferner Kränze in den Flachs, und so hoch die Kränze sind, so hoch wächst
der Flachs. Mittags in der zwölften Stunde trägt man schweigend Kräuter
zusammen zu Thee, der gegen alle Krankheiten gut ist, oder man sammelt
„Johannisblumen" (Arnica) die auf Spiritus gesetzt alle Wunden heilen.

Als Haupttag für die Erforschung der Zukunft, besonders in Bezug auf
künftige Verheirathung, gilt im Erzgebirge der Andreastag, 30. Ociober. Dann
wird allenthalben von heirathslustigen Mädchen entweder vor dem Zubettgehen
oder im Bette selbst, nachdem sie dreimal mit der großen Fußzehe an die Bette
stelle gepocht haben, der Andrcasvers gebetet. Die beste Zeit dazu ist Mitter¬
nacht. Besondere Berhaltungsregeln sind: man esse vorher schweigend einen
Hering, steige rücklings ins Bett und unterlasse für diesmal das gewöhnlich-


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[0399] Osterfeuer sind im Gebirge nicht gebräuchlich, wohl aber kennt man auch hier den Nutzen des Osterwasscrs, welches namentlich vor Hautkrankheiten be¬ wahrt, mit dem man sieche Kinder badet und (in der Gegend von Lößnitz) das Brot zu bestreichen Pflegt. Wer sich am zweiten Osterfeiertag peitschen läßt (in Sofa), dem thun im ganzen Jahre die Beine nicht weh. Am Ostermorgen besteckt man die Stallthüren mit grünen Tannenzweigen, um das Vieh vor den Hexen zu sichern. Stirbt jemand in der Marterwoche, so thun im Lauf des Jahres die Gewitter leinen Schaden. Eine große Anzahl von abergläubischen Bräuchen, Regeln und Meinungen knüpft sich an den Charfreitag. Fingerringe aus Nägeln geschmiedet, die in der Nacht de« Charfreitags von Särgen ge¬ nommen sind, schützen vor Gespenstern. Pulver, vermischt mit dem gedörrten und zerstoßenen Herzen eines am Charfreitag erlegten Naben, trifft bei jedem Schuß. Kommt man am Charfreitag an Stelle», wo Schätze liegen, so thun diese sich auf. streut man an diesem Tage Asche aufs Feld, so wächst viel Klee. Friert es an ihm, so „müssen noch vierzig Fröste heraus", die aber den Feld¬ früchten nicht schaden. Zu Walpurgis ziehen die Knaben und Knechte mit wergumwickelten und in Pech getauchten Besen auf die Berge, zünden jene an, schießen mit Schlüssel¬ büchsen und Pistolen, brennen Pulverfrösche und Kanonenschläge los, knallen mit Peitschen, schlagen Bretter zusammen und machen überhaupt einen mög¬ lichst großen Lärm, um die zum Blocksberg ziehenden Hexen zu verscheuchen, die man überdies in der Gegend von Annaberg, Grünstädtcl und Geicrsdorf dadurch von den Ställen fernhält, daß man die Düngerhaufen mit Hollunder-, oder Ahlert- (prunus xaclus) oder Weidenruthen besteckt oder an jeder Ecke derselben ein aus Weichselkirschbaumzweigen zusammengebundenes Kreuz befestigt. Wieder andere Gebräuche und Meinungen knüpfen sich an den Johannis¬ tag. Regnet es an diesem, so hat man theures Brot zu erwarten, steigt an ihm das Wasser, so steigen, fällt es, so fallen auch die Getreidepreise. Man steckt ferner Kränze in den Flachs, und so hoch die Kränze sind, so hoch wächst der Flachs. Mittags in der zwölften Stunde trägt man schweigend Kräuter zusammen zu Thee, der gegen alle Krankheiten gut ist, oder man sammelt „Johannisblumen" (Arnica) die auf Spiritus gesetzt alle Wunden heilen. Als Haupttag für die Erforschung der Zukunft, besonders in Bezug auf künftige Verheirathung, gilt im Erzgebirge der Andreastag, 30. Ociober. Dann wird allenthalben von heirathslustigen Mädchen entweder vor dem Zubettgehen oder im Bette selbst, nachdem sie dreimal mit der großen Fußzehe an die Bette stelle gepocht haben, der Andrcasvers gebetet. Die beste Zeit dazu ist Mitter¬ nacht. Besondere Berhaltungsregeln sind: man esse vorher schweigend einen Hering, steige rücklings ins Bett und unterlasse für diesmal das gewöhnlich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/399>, abgerufen am 28.09.2024.