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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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wenn man annimmt, daß es ihm im Grunde wenig auf die Paragraphen
einer Verfassung ankommt, welche in vielen Hauptsachen weniger unbequem
für eine eigenwillige Regierung ist, als die preußische, und welche, für ganz
andere Verhältnisse gegeben, als die des neuen Staates sind, ohnedies aus
Verfassungsmäßigem Wege eine gründliche Revision erfahren würde. Aber sie
soll geändert werden nicht durch den Herzog und das Volk, sondern unter dem
Einfluß der Großmächte, zunächst also Preußens. Wird dann der Herzog von
Augustenburg unvermeidlich, so wird er wenigstens unter Bedingungen ein¬
gesetzt, welche Preußen dictirt. Unterdeß wird das Land so lange als möglich
im Besitz gehalten, es find wohl noch andere Eventualitäten möglich.

So erscheint aus der Ferne die Politik des Ministerpräsidenten. Es ist
klar, daß sie auch vom Standpunkt seiner Partei gewichtigen Einwürfen aus-
gesetzt ist. Zunächst ist die Verfassung von Schleswig-Holstein zwar für die
Herzogthümer selbst eine ernste Sache, für Deutschland und Preußen aber nicht von
großer Wichtigkeit. Es ist für die Regierung Preußens nicht praktisch, sich auf
eine Angelegenheit von untergeordnetem Interesse zu steifen, deshalb unnöthiges
Odium auf sich zu laden und sich in jedem Augenblick einer kleinen Perfidie
Oestreichs oder gar den Einreden des Auslandes zu exponiren und zuletzt seinen
Willen doch nicht durchzusetzen. Und ferner, wie kann man eine dem Lande
aufgedrungene Verfassung assecuriren? Will man wieder Truppen einrücken
lassen einzelner Paragraphen willen, die später das Volk im EinVerständniß
mit seinem Fürsten abzuändern" beschließt? Das würde doch eine gar zu ruhen"
lose und klägliche Expedition werden.

Wenn es sich wirklich um die Sache selbst handelte und um einzelne mi߬
liebige Paragraphen, so würde man sehr ruhig dem Egoismus der Gutsherren
und der zähen Bauern von Holstein vertrauen können. Sie sind in mancher
Rücksicht konservativer als Herr v. Bismarck selbst.

Uns scheint vielmehr, daß der conservativen Partei in Preußen, wie die
Karten jetzt liegen, kein besseres Spiel bleibt, als kurz und rund abzuschließen
sich die Herzogthümer von Herzen zu verpflichten und sowohl die Deutschen als
das Ausland zu dem Bekenntniß zu nöthigen, daß die conservative Regierung
Preußens etwas Großes auf große Weise durchgesetzt hat.

Wenn dies nicht geschieht, so wird ein Fehler begangen. Die Angelegen¬
heit wird gegen die Pläne des Herrn v. Bismarck zuletzt doch noch beendigt
werden, und von den falschen Schritten werden wir Liberale den Nutzen haben.
Den Nutzen für uns wünschen wir, aber nicht den Schaden für Preußen.




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wenn man annimmt, daß es ihm im Grunde wenig auf die Paragraphen
einer Verfassung ankommt, welche in vielen Hauptsachen weniger unbequem
für eine eigenwillige Regierung ist, als die preußische, und welche, für ganz
andere Verhältnisse gegeben, als die des neuen Staates sind, ohnedies aus
Verfassungsmäßigem Wege eine gründliche Revision erfahren würde. Aber sie
soll geändert werden nicht durch den Herzog und das Volk, sondern unter dem
Einfluß der Großmächte, zunächst also Preußens. Wird dann der Herzog von
Augustenburg unvermeidlich, so wird er wenigstens unter Bedingungen ein¬
gesetzt, welche Preußen dictirt. Unterdeß wird das Land so lange als möglich
im Besitz gehalten, es find wohl noch andere Eventualitäten möglich.

So erscheint aus der Ferne die Politik des Ministerpräsidenten. Es ist
klar, daß sie auch vom Standpunkt seiner Partei gewichtigen Einwürfen aus-
gesetzt ist. Zunächst ist die Verfassung von Schleswig-Holstein zwar für die
Herzogthümer selbst eine ernste Sache, für Deutschland und Preußen aber nicht von
großer Wichtigkeit. Es ist für die Regierung Preußens nicht praktisch, sich auf
eine Angelegenheit von untergeordnetem Interesse zu steifen, deshalb unnöthiges
Odium auf sich zu laden und sich in jedem Augenblick einer kleinen Perfidie
Oestreichs oder gar den Einreden des Auslandes zu exponiren und zuletzt seinen
Willen doch nicht durchzusetzen. Und ferner, wie kann man eine dem Lande
aufgedrungene Verfassung assecuriren? Will man wieder Truppen einrücken
lassen einzelner Paragraphen willen, die später das Volk im EinVerständniß
mit seinem Fürsten abzuändern« beschließt? Das würde doch eine gar zu ruhen«
lose und klägliche Expedition werden.

Wenn es sich wirklich um die Sache selbst handelte und um einzelne mi߬
liebige Paragraphen, so würde man sehr ruhig dem Egoismus der Gutsherren
und der zähen Bauern von Holstein vertrauen können. Sie sind in mancher
Rücksicht konservativer als Herr v. Bismarck selbst.

Uns scheint vielmehr, daß der conservativen Partei in Preußen, wie die
Karten jetzt liegen, kein besseres Spiel bleibt, als kurz und rund abzuschließen
sich die Herzogthümer von Herzen zu verpflichten und sowohl die Deutschen als
das Ausland zu dem Bekenntniß zu nöthigen, daß die conservative Regierung
Preußens etwas Großes auf große Weise durchgesetzt hat.

Wenn dies nicht geschieht, so wird ein Fehler begangen. Die Angelegen¬
heit wird gegen die Pläne des Herrn v. Bismarck zuletzt doch noch beendigt
werden, und von den falschen Schritten werden wir Liberale den Nutzen haben.
Den Nutzen für uns wünschen wir, aber nicht den Schaden für Preußen.




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[0379] wenn man annimmt, daß es ihm im Grunde wenig auf die Paragraphen einer Verfassung ankommt, welche in vielen Hauptsachen weniger unbequem für eine eigenwillige Regierung ist, als die preußische, und welche, für ganz andere Verhältnisse gegeben, als die des neuen Staates sind, ohnedies aus Verfassungsmäßigem Wege eine gründliche Revision erfahren würde. Aber sie soll geändert werden nicht durch den Herzog und das Volk, sondern unter dem Einfluß der Großmächte, zunächst also Preußens. Wird dann der Herzog von Augustenburg unvermeidlich, so wird er wenigstens unter Bedingungen ein¬ gesetzt, welche Preußen dictirt. Unterdeß wird das Land so lange als möglich im Besitz gehalten, es find wohl noch andere Eventualitäten möglich. So erscheint aus der Ferne die Politik des Ministerpräsidenten. Es ist klar, daß sie auch vom Standpunkt seiner Partei gewichtigen Einwürfen aus- gesetzt ist. Zunächst ist die Verfassung von Schleswig-Holstein zwar für die Herzogthümer selbst eine ernste Sache, für Deutschland und Preußen aber nicht von großer Wichtigkeit. Es ist für die Regierung Preußens nicht praktisch, sich auf eine Angelegenheit von untergeordnetem Interesse zu steifen, deshalb unnöthiges Odium auf sich zu laden und sich in jedem Augenblick einer kleinen Perfidie Oestreichs oder gar den Einreden des Auslandes zu exponiren und zuletzt seinen Willen doch nicht durchzusetzen. Und ferner, wie kann man eine dem Lande aufgedrungene Verfassung assecuriren? Will man wieder Truppen einrücken lassen einzelner Paragraphen willen, die später das Volk im EinVerständniß mit seinem Fürsten abzuändern« beschließt? Das würde doch eine gar zu ruhen« lose und klägliche Expedition werden. Wenn es sich wirklich um die Sache selbst handelte und um einzelne mi߬ liebige Paragraphen, so würde man sehr ruhig dem Egoismus der Gutsherren und der zähen Bauern von Holstein vertrauen können. Sie sind in mancher Rücksicht konservativer als Herr v. Bismarck selbst. Uns scheint vielmehr, daß der conservativen Partei in Preußen, wie die Karten jetzt liegen, kein besseres Spiel bleibt, als kurz und rund abzuschließen sich die Herzogthümer von Herzen zu verpflichten und sowohl die Deutschen als das Ausland zu dem Bekenntniß zu nöthigen, daß die conservative Regierung Preußens etwas Großes auf große Weise durchgesetzt hat. Wenn dies nicht geschieht, so wird ein Fehler begangen. Die Angelegen¬ heit wird gegen die Pläne des Herrn v. Bismarck zuletzt doch noch beendigt werden, und von den falschen Schritten werden wir Liberale den Nutzen haben. Den Nutzen für uns wünschen wir, aber nicht den Schaden für Preußen. 47*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/379>, abgerufen am 28.09.2024.