Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Piraten überwältigt und noch Algier gebracht, wo die vier Friesen auf dem
Markte in die Sklaverei verkauft wurden. Nachdem Hart mehrmals den Herrn
gewechselt, wurde er Sklave des Bei von Konstantine, Affin, dem er etwa dritt¬
halb Jahre als gemeiner Lakai diente, worauf er das Amt eines "Gasnadi"
(Kasnadar) oder Oberl'assirers erhielt, welches er vier Jahre bekleidete, und in
dem er 2 Schreiber und 20 Bediente unter sich hatte. Zugleich mit dem Be¬
fehl über öOO Reiter betraut, fand er Gelegenheit sich im Kriege auszuzeichnen,
worauf er Anführer der gesammten Cavallerie des Bei wurde. Bald nachher
jedoch ließ sich das Heer des letzteren in einen Hinterhalt locken und erlitt eine
Niederlage, bei welcher Hart Olufs im Gefangenschaft gerieth. Nach einiger
Zeit gelang es ihm zu entfliehen, und glücklich rettete er sich nach zweitägigem
Ritt auf einem schnellen Pferde in das Lager seines alten Herrn/ Dieser erklärte
einige Monate später dem Bei von Tunis den Krieg, und in diesem wurde
Hart abermals gefangen. Er gab sich indeß für einen Ueberläufer aus, fand
Glauben und erhielt sogar ein Commando über ein Streifcorps von 100 Reitern,
die er gegen den Bei von Konstantine führen sollte. Allein er täuschte diese
und ersah einen passenden Augenblick, um wieder zu seinem Herrn und Gönner
zu flüchten, der sich höchlich über seine Treue freute, und den er nun veranlaßte,
die tunesische Armee, deren schwache Seite ihm bekannt geworden, ohne Verzug
anzugreifen. Der Erfolg war ein vollständiger, und der Bei erfocht einen
glänzenden Sieg.

Acht Jahre nach seiner Ankunft in Afrika unternahm Hart Olufs mit dem
Bei eine Wallfahrt nach Mekka. Später ging er als Gesandter des letztern nach
Marokko. Endlich, nachdem er dem Bei Assin im Ganzen zwölf Jahre gedient,
erhielt er von diesem auf seine Bitte den Abschied und die Erlaubniß nach
Hause zurückzukehren. Reichlich mit Geld und Gut versehen, reiste er nach
Algier und von da über Marseille, Lyon, Paris und Hamburg nach seiner
Heimathsinsel Aurum, wo er im Frühjahr 1736 eintraf. Im folgenden Jahre
verheirathete er sich, und von da an lebte er in Ruhe und Frieden bis an
seinen Tod, der am 13. October 1734 erfolgte.

Ein ähnliches Schicksal wie Hart Olufs hatte später Tam Tauen von
Sylt. Auch er wurde von afrikanischen Corsaren nach Algier geschleppt, gerieth
aber von dort unter einen Mohrenstamm in der Wüste, wo er genöthigt wurde
Muselmann zu werden. Indem er sich durch Klugheit und Tapferkeit aus¬
zeichnete, machte man ihn zum Anführer, und zuletzt schwang er sich sogar
zum Beglerbcg, d. i. zum Statthalter einer Provinz empor, in welcher Eigen¬
schaft ihn ein Landsmann in Alexandrien getroffen haben soll. Desgleichen
brachte es ein andrer Spider, Jens Balser, in Afrika zu einer angesehenen
Stellung. Einst saß, so erzählt der fleißige Sammler und Chronist Hansen, ein
friesischer Jüngling betrübt auf dem Markt zu Algier und sollte verkauft werden.


Piraten überwältigt und noch Algier gebracht, wo die vier Friesen auf dem
Markte in die Sklaverei verkauft wurden. Nachdem Hart mehrmals den Herrn
gewechselt, wurde er Sklave des Bei von Konstantine, Affin, dem er etwa dritt¬
halb Jahre als gemeiner Lakai diente, worauf er das Amt eines „Gasnadi"
(Kasnadar) oder Oberl'assirers erhielt, welches er vier Jahre bekleidete, und in
dem er 2 Schreiber und 20 Bediente unter sich hatte. Zugleich mit dem Be¬
fehl über öOO Reiter betraut, fand er Gelegenheit sich im Kriege auszuzeichnen,
worauf er Anführer der gesammten Cavallerie des Bei wurde. Bald nachher
jedoch ließ sich das Heer des letzteren in einen Hinterhalt locken und erlitt eine
Niederlage, bei welcher Hart Olufs im Gefangenschaft gerieth. Nach einiger
Zeit gelang es ihm zu entfliehen, und glücklich rettete er sich nach zweitägigem
Ritt auf einem schnellen Pferde in das Lager seines alten Herrn/ Dieser erklärte
einige Monate später dem Bei von Tunis den Krieg, und in diesem wurde
Hart abermals gefangen. Er gab sich indeß für einen Ueberläufer aus, fand
Glauben und erhielt sogar ein Commando über ein Streifcorps von 100 Reitern,
die er gegen den Bei von Konstantine führen sollte. Allein er täuschte diese
und ersah einen passenden Augenblick, um wieder zu seinem Herrn und Gönner
zu flüchten, der sich höchlich über seine Treue freute, und den er nun veranlaßte,
die tunesische Armee, deren schwache Seite ihm bekannt geworden, ohne Verzug
anzugreifen. Der Erfolg war ein vollständiger, und der Bei erfocht einen
glänzenden Sieg.

Acht Jahre nach seiner Ankunft in Afrika unternahm Hart Olufs mit dem
Bei eine Wallfahrt nach Mekka. Später ging er als Gesandter des letztern nach
Marokko. Endlich, nachdem er dem Bei Assin im Ganzen zwölf Jahre gedient,
erhielt er von diesem auf seine Bitte den Abschied und die Erlaubniß nach
Hause zurückzukehren. Reichlich mit Geld und Gut versehen, reiste er nach
Algier und von da über Marseille, Lyon, Paris und Hamburg nach seiner
Heimathsinsel Aurum, wo er im Frühjahr 1736 eintraf. Im folgenden Jahre
verheirathete er sich, und von da an lebte er in Ruhe und Frieden bis an
seinen Tod, der am 13. October 1734 erfolgte.

Ein ähnliches Schicksal wie Hart Olufs hatte später Tam Tauen von
Sylt. Auch er wurde von afrikanischen Corsaren nach Algier geschleppt, gerieth
aber von dort unter einen Mohrenstamm in der Wüste, wo er genöthigt wurde
Muselmann zu werden. Indem er sich durch Klugheit und Tapferkeit aus¬
zeichnete, machte man ihn zum Anführer, und zuletzt schwang er sich sogar
zum Beglerbcg, d. i. zum Statthalter einer Provinz empor, in welcher Eigen¬
schaft ihn ein Landsmann in Alexandrien getroffen haben soll. Desgleichen
brachte es ein andrer Spider, Jens Balser, in Afrika zu einer angesehenen
Stellung. Einst saß, so erzählt der fleißige Sammler und Chronist Hansen, ein
friesischer Jüngling betrübt auf dem Markt zu Algier und sollte verkauft werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189132"/>
          <p xml:id="ID_84" prev="#ID_83"> Piraten überwältigt und noch Algier gebracht, wo die vier Friesen auf dem<lb/>
Markte in die Sklaverei verkauft wurden. Nachdem Hart mehrmals den Herrn<lb/>
gewechselt, wurde er Sklave des Bei von Konstantine, Affin, dem er etwa dritt¬<lb/>
halb Jahre als gemeiner Lakai diente, worauf er das Amt eines &#x201E;Gasnadi"<lb/>
(Kasnadar) oder Oberl'assirers erhielt, welches er vier Jahre bekleidete, und in<lb/>
dem er 2 Schreiber und 20 Bediente unter sich hatte. Zugleich mit dem Be¬<lb/>
fehl über öOO Reiter betraut, fand er Gelegenheit sich im Kriege auszuzeichnen,<lb/>
worauf er Anführer der gesammten Cavallerie des Bei wurde. Bald nachher<lb/>
jedoch ließ sich das Heer des letzteren in einen Hinterhalt locken und erlitt eine<lb/>
Niederlage, bei welcher Hart Olufs im Gefangenschaft gerieth. Nach einiger<lb/>
Zeit gelang es ihm zu entfliehen, und glücklich rettete er sich nach zweitägigem<lb/>
Ritt auf einem schnellen Pferde in das Lager seines alten Herrn/ Dieser erklärte<lb/>
einige Monate später dem Bei von Tunis den Krieg, und in diesem wurde<lb/>
Hart abermals gefangen. Er gab sich indeß für einen Ueberläufer aus, fand<lb/>
Glauben und erhielt sogar ein Commando über ein Streifcorps von 100 Reitern,<lb/>
die er gegen den Bei von Konstantine führen sollte. Allein er täuschte diese<lb/>
und ersah einen passenden Augenblick, um wieder zu seinem Herrn und Gönner<lb/>
zu flüchten, der sich höchlich über seine Treue freute, und den er nun veranlaßte,<lb/>
die tunesische Armee, deren schwache Seite ihm bekannt geworden, ohne Verzug<lb/>
anzugreifen. Der Erfolg war ein vollständiger, und der Bei erfocht einen<lb/>
glänzenden Sieg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_85"> Acht Jahre nach seiner Ankunft in Afrika unternahm Hart Olufs mit dem<lb/>
Bei eine Wallfahrt nach Mekka. Später ging er als Gesandter des letztern nach<lb/>
Marokko. Endlich, nachdem er dem Bei Assin im Ganzen zwölf Jahre gedient,<lb/>
erhielt er von diesem auf seine Bitte den Abschied und die Erlaubniß nach<lb/>
Hause zurückzukehren. Reichlich mit Geld und Gut versehen, reiste er nach<lb/>
Algier und von da über Marseille, Lyon, Paris und Hamburg nach seiner<lb/>
Heimathsinsel Aurum, wo er im Frühjahr 1736 eintraf. Im folgenden Jahre<lb/>
verheirathete er sich, und von da an lebte er in Ruhe und Frieden bis an<lb/>
seinen Tod, der am 13. October 1734 erfolgte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_86" next="#ID_87"> Ein ähnliches Schicksal wie Hart Olufs hatte später Tam Tauen von<lb/>
Sylt. Auch er wurde von afrikanischen Corsaren nach Algier geschleppt, gerieth<lb/>
aber von dort unter einen Mohrenstamm in der Wüste, wo er genöthigt wurde<lb/>
Muselmann zu werden. Indem er sich durch Klugheit und Tapferkeit aus¬<lb/>
zeichnete, machte man ihn zum Anführer, und zuletzt schwang er sich sogar<lb/>
zum Beglerbcg, d. i. zum Statthalter einer Provinz empor, in welcher Eigen¬<lb/>
schaft ihn ein Landsmann in Alexandrien getroffen haben soll. Desgleichen<lb/>
brachte es ein andrer Spider, Jens Balser, in Afrika zu einer angesehenen<lb/>
Stellung. Einst saß, so erzählt der fleißige Sammler und Chronist Hansen, ein<lb/>
friesischer Jüngling betrübt auf dem Markt zu Algier und sollte verkauft werden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0037] Piraten überwältigt und noch Algier gebracht, wo die vier Friesen auf dem Markte in die Sklaverei verkauft wurden. Nachdem Hart mehrmals den Herrn gewechselt, wurde er Sklave des Bei von Konstantine, Affin, dem er etwa dritt¬ halb Jahre als gemeiner Lakai diente, worauf er das Amt eines „Gasnadi" (Kasnadar) oder Oberl'assirers erhielt, welches er vier Jahre bekleidete, und in dem er 2 Schreiber und 20 Bediente unter sich hatte. Zugleich mit dem Be¬ fehl über öOO Reiter betraut, fand er Gelegenheit sich im Kriege auszuzeichnen, worauf er Anführer der gesammten Cavallerie des Bei wurde. Bald nachher jedoch ließ sich das Heer des letzteren in einen Hinterhalt locken und erlitt eine Niederlage, bei welcher Hart Olufs im Gefangenschaft gerieth. Nach einiger Zeit gelang es ihm zu entfliehen, und glücklich rettete er sich nach zweitägigem Ritt auf einem schnellen Pferde in das Lager seines alten Herrn/ Dieser erklärte einige Monate später dem Bei von Tunis den Krieg, und in diesem wurde Hart abermals gefangen. Er gab sich indeß für einen Ueberläufer aus, fand Glauben und erhielt sogar ein Commando über ein Streifcorps von 100 Reitern, die er gegen den Bei von Konstantine führen sollte. Allein er täuschte diese und ersah einen passenden Augenblick, um wieder zu seinem Herrn und Gönner zu flüchten, der sich höchlich über seine Treue freute, und den er nun veranlaßte, die tunesische Armee, deren schwache Seite ihm bekannt geworden, ohne Verzug anzugreifen. Der Erfolg war ein vollständiger, und der Bei erfocht einen glänzenden Sieg. Acht Jahre nach seiner Ankunft in Afrika unternahm Hart Olufs mit dem Bei eine Wallfahrt nach Mekka. Später ging er als Gesandter des letztern nach Marokko. Endlich, nachdem er dem Bei Assin im Ganzen zwölf Jahre gedient, erhielt er von diesem auf seine Bitte den Abschied und die Erlaubniß nach Hause zurückzukehren. Reichlich mit Geld und Gut versehen, reiste er nach Algier und von da über Marseille, Lyon, Paris und Hamburg nach seiner Heimathsinsel Aurum, wo er im Frühjahr 1736 eintraf. Im folgenden Jahre verheirathete er sich, und von da an lebte er in Ruhe und Frieden bis an seinen Tod, der am 13. October 1734 erfolgte. Ein ähnliches Schicksal wie Hart Olufs hatte später Tam Tauen von Sylt. Auch er wurde von afrikanischen Corsaren nach Algier geschleppt, gerieth aber von dort unter einen Mohrenstamm in der Wüste, wo er genöthigt wurde Muselmann zu werden. Indem er sich durch Klugheit und Tapferkeit aus¬ zeichnete, machte man ihn zum Anführer, und zuletzt schwang er sich sogar zum Beglerbcg, d. i. zum Statthalter einer Provinz empor, in welcher Eigen¬ schaft ihn ein Landsmann in Alexandrien getroffen haben soll. Desgleichen brachte es ein andrer Spider, Jens Balser, in Afrika zu einer angesehenen Stellung. Einst saß, so erzählt der fleißige Sammler und Chronist Hansen, ein friesischer Jüngling betrübt auf dem Markt zu Algier und sollte verkauft werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/37
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/37>, abgerufen am 20.10.2024.