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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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fast antediluvianisches Geschoß) und schien den Gebrauch der sehr wirksamen
und gerade von der östreichischen Artillerie mit besonderer Vorliebe ausgebil¬
deten Granaten und Shrapnels völlig vergessen zu haben. Unter solchen Ver¬
hältnissen konnte das Resultat des Scetreffens nicht wohl anders ausfallen.

So ist denn die östreichische Marine, weit entfernt von einer wirklich hoff¬
nungsvollen Entwicklung und achtunggebietenden Beschaffenheit, nur ein ge¬
treues und darum trauriges Abbild der in den meisten andern Zweigen der
Staatsverwaltung herrschenden, vorzüglich durch das Streben nach äußerem
Glanz und Befriedigung verschiedener Standes- und Privatinteressen hervor¬
gegangenen mißlichen Zustände, und die östreichischen Schiffe werden, wenn sie
mit einem nur einigermaßen tüchtigen Gegner zu thun bekommen, sich in der
D. Regel auf ihre Niederlage gefaßt machen müssen.




Die Süditaliener.

Sicilien und Neapel von Franz Löser. München, 1864. E. A. Fleischmcmns
Buchhandlung. Zwei Theile.

Daß man über Italien immer noch Neues und Interessantes schreiben
kann, hat uns in den letzten zehn Jahren Gregvrovius durch mehr als ein
anziehendes Buch bewiesen. Daß auch das letzte derselben noch Stoff für einen
offenen Blick und die Hand eines geschickten Zeichners übrig gelassen, zeigt die
neue Schrift Loders. Städte und Landschaften zu schildern ist freilich ziemlich
überflüssig, wenn der Reisende nicht weit von der großen Heerstraße ablenkt. Da¬
gegen bieten Geschichte und sociales Leben noch mancherlei Darstellenswerthes,
und auf diesen Gebieten bewegt sich unser Buch mit Vorliebe. Wir erhalten
ansprechende Bilder aus den Zeiten der griechischen, arabischen und normanni¬
schen Zeit Siciliens, unter denen wir namentlich das Capitel über die Cultur¬
blüthe der Araber hervorheben, von welcher der Verfasser nachweist, daß sie die
Bedeutung, die man ihr gewöhnlich zuschreibt, nicht gehabt hat. Wir begegnen
ferner auf guten Studien ruhenden Darstellungen aus der Geschichte Neapels
unter den Anjous, unter König Alfons und Vicekönig Toledo. Wir bekommen
endlich in drei Capiteln des zweiten Theiles eine vortreffliche Charakteristik der
Süditaliener in der Gegenwart, welche über Volksnatur, bürgerliche Thätigkeit,
Sitte und Bildung dieses noch immer nicht genügend bekannten, bisweilen zu
hoch, häusiger zu tief gestellten Theiles des neuen Italien so viel Verständiges
und Wohlbcgründetes enthält, daß wir uns nicht versagen können, das Haupt¬
sächlichste im Folgenden mitzutheilen, zumal hier nächst Rom der Kern- und
Knotenpunkt der italienischen Frage liegt, die so lange eine Frage bleiben wird,
bis es gelingt, dieses von den Norditalienern fast wie eine fremde Nation ver-


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fast antediluvianisches Geschoß) und schien den Gebrauch der sehr wirksamen
und gerade von der östreichischen Artillerie mit besonderer Vorliebe ausgebil¬
deten Granaten und Shrapnels völlig vergessen zu haben. Unter solchen Ver¬
hältnissen konnte das Resultat des Scetreffens nicht wohl anders ausfallen.

So ist denn die östreichische Marine, weit entfernt von einer wirklich hoff¬
nungsvollen Entwicklung und achtunggebietenden Beschaffenheit, nur ein ge¬
treues und darum trauriges Abbild der in den meisten andern Zweigen der
Staatsverwaltung herrschenden, vorzüglich durch das Streben nach äußerem
Glanz und Befriedigung verschiedener Standes- und Privatinteressen hervor¬
gegangenen mißlichen Zustände, und die östreichischen Schiffe werden, wenn sie
mit einem nur einigermaßen tüchtigen Gegner zu thun bekommen, sich in der
D. Regel auf ihre Niederlage gefaßt machen müssen.




Die Süditaliener.

Sicilien und Neapel von Franz Löser. München, 1864. E. A. Fleischmcmns
Buchhandlung. Zwei Theile.

Daß man über Italien immer noch Neues und Interessantes schreiben
kann, hat uns in den letzten zehn Jahren Gregvrovius durch mehr als ein
anziehendes Buch bewiesen. Daß auch das letzte derselben noch Stoff für einen
offenen Blick und die Hand eines geschickten Zeichners übrig gelassen, zeigt die
neue Schrift Loders. Städte und Landschaften zu schildern ist freilich ziemlich
überflüssig, wenn der Reisende nicht weit von der großen Heerstraße ablenkt. Da¬
gegen bieten Geschichte und sociales Leben noch mancherlei Darstellenswerthes,
und auf diesen Gebieten bewegt sich unser Buch mit Vorliebe. Wir erhalten
ansprechende Bilder aus den Zeiten der griechischen, arabischen und normanni¬
schen Zeit Siciliens, unter denen wir namentlich das Capitel über die Cultur¬
blüthe der Araber hervorheben, von welcher der Verfasser nachweist, daß sie die
Bedeutung, die man ihr gewöhnlich zuschreibt, nicht gehabt hat. Wir begegnen
ferner auf guten Studien ruhenden Darstellungen aus der Geschichte Neapels
unter den Anjous, unter König Alfons und Vicekönig Toledo. Wir bekommen
endlich in drei Capiteln des zweiten Theiles eine vortreffliche Charakteristik der
Süditaliener in der Gegenwart, welche über Volksnatur, bürgerliche Thätigkeit,
Sitte und Bildung dieses noch immer nicht genügend bekannten, bisweilen zu
hoch, häusiger zu tief gestellten Theiles des neuen Italien so viel Verständiges
und Wohlbcgründetes enthält, daß wir uns nicht versagen können, das Haupt¬
sächlichste im Folgenden mitzutheilen, zumal hier nächst Rom der Kern- und
Knotenpunkt der italienischen Frage liegt, die so lange eine Frage bleiben wird,
bis es gelingt, dieses von den Norditalienern fast wie eine fremde Nation ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/347>, abgerufen am 28.09.2024.