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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Soldaten besteht ferner darin, daß ein besonders starker und gewandter Kame¬
rad mit Hilfe eines alten schwarzen Pelzes und einiger Schaffelle als ein Tanz¬
bär, dem eine aus rothem Tuch geschnittene Zunge fußlang ans dem Maule
hängt. Verkleidet wird, während ein anderer sich als polnischer Bärenführer
costümirt, drei bis vier Soldaten hingegen, ebenfalls möglichst bunt angezogen,
mit Trommeln, Pfeifen, allen Kochkesseln als Pauken und Feuerzangen als
Triangeln versehen, eine infernalische Musik dazu aufführen. Selbst bis zu
Kameelen, die dann von zwei besonders stämmigen Soldaten mit Hilfe alter
Packlcinwand geschickt dargestellt werden, während ein kleiner Tambour, als
Affe verkleidet, darauf hockt und Gesichter schneidet, versteigt sich mitunter
die Kunstfertigkeit der Leute. Unter lauter Musik, von einem Hausen lachen¬
der und jubelnder Soldaten gefolgt, ziehen dann diese Bärenführer vor die
Quartiere der besonders beliebten Offiziere. Ein helltönender Tusch wird
hier geblasen, getrommelt und gepfiffen, worauf dann der Tanzbär unter lau¬
tem Gebrumme und obligaten Peitschenhieben und kölnischen Drohungen des
Bärenführers seine Tänze und Purzelbäume macht. Eine oft recht witzige, von
einem Poeten der Compagnie gewandt in Knittelverse gebrachte Rede des Bä¬
renführers schließt gewöhnlich den Aufzug. Die Offiziere spenden dem zuletzt
mit einem Teller herumgehenden Bärenführer nun einige Cigarren, eine Flasche
Wein oder Branntwein, Lebensmittel oder ähnliche kleine Geschenke zur Be¬
lohnung, was dann von den Soldaten, welche die Komödie aufführten, gemein¬
sam verbraucht wird. Daß es nicht an großen wie kleinen Sängerchörcn, die
oft vortrefflich singen, fehlt, bedarf kaum der Erwähnung.

So herrschte, so wie nur die Witterung sich einmal etwas günstig zeigte, sogleich
das regste Leben und Treiben und die sorgloseste Fröhlichkeit in allen näher oder
ferner an den düppeler Schanzen im Sundewitt liegenden Quartieren der preußischen
Soldaten. Wahrlich, wer ein heiteres Lagerleben kennen lernen wollte, der
brauchte nicht die sonst in dieser Hinsicht bekannten französischen Kriegslager zu
besuchen, er konnte bei den in Schleswig-Holstein stehenden preußischen Truppen
ein Gleiches finden. Wir haben in Deutschland alle Elemente zu nicht allein
muthigen und kriegstüchtigen, sondern auch lustigen Soldaten, und wollte man
um preußischen Heere eine Truppe gleich den französischen Zuavcn bilden, so
würden die berliner Jungen die gleiche Rolle dabei spielen, wie die pariser
Gamins dies bei den französischen Zuaven thun. Die frohe Stimmung und
der Witz der preußischen Soldaten im Sundewitt zeigen sich auch in den ver¬
schiedenen komischen Benennungen, welche sie manchen Gebäuden und Ort¬
schaften oder den ambulanten Markctendcrwirthschaften beigelegt haben. An
einem von den Kugeln des "Rolf-Krake" halb zerstörten Bauernhause prangt
ein großes Schild, auf dem mit riesigen Buchstaben geschrieben steht: "Hier
können Familien mit Kindern sich ihren Kaffee gegen ein Billiges selbst kochen,"


Soldaten besteht ferner darin, daß ein besonders starker und gewandter Kame¬
rad mit Hilfe eines alten schwarzen Pelzes und einiger Schaffelle als ein Tanz¬
bär, dem eine aus rothem Tuch geschnittene Zunge fußlang ans dem Maule
hängt. Verkleidet wird, während ein anderer sich als polnischer Bärenführer
costümirt, drei bis vier Soldaten hingegen, ebenfalls möglichst bunt angezogen,
mit Trommeln, Pfeifen, allen Kochkesseln als Pauken und Feuerzangen als
Triangeln versehen, eine infernalische Musik dazu aufführen. Selbst bis zu
Kameelen, die dann von zwei besonders stämmigen Soldaten mit Hilfe alter
Packlcinwand geschickt dargestellt werden, während ein kleiner Tambour, als
Affe verkleidet, darauf hockt und Gesichter schneidet, versteigt sich mitunter
die Kunstfertigkeit der Leute. Unter lauter Musik, von einem Hausen lachen¬
der und jubelnder Soldaten gefolgt, ziehen dann diese Bärenführer vor die
Quartiere der besonders beliebten Offiziere. Ein helltönender Tusch wird
hier geblasen, getrommelt und gepfiffen, worauf dann der Tanzbär unter lau¬
tem Gebrumme und obligaten Peitschenhieben und kölnischen Drohungen des
Bärenführers seine Tänze und Purzelbäume macht. Eine oft recht witzige, von
einem Poeten der Compagnie gewandt in Knittelverse gebrachte Rede des Bä¬
renführers schließt gewöhnlich den Aufzug. Die Offiziere spenden dem zuletzt
mit einem Teller herumgehenden Bärenführer nun einige Cigarren, eine Flasche
Wein oder Branntwein, Lebensmittel oder ähnliche kleine Geschenke zur Be¬
lohnung, was dann von den Soldaten, welche die Komödie aufführten, gemein¬
sam verbraucht wird. Daß es nicht an großen wie kleinen Sängerchörcn, die
oft vortrefflich singen, fehlt, bedarf kaum der Erwähnung.

So herrschte, so wie nur die Witterung sich einmal etwas günstig zeigte, sogleich
das regste Leben und Treiben und die sorgloseste Fröhlichkeit in allen näher oder
ferner an den düppeler Schanzen im Sundewitt liegenden Quartieren der preußischen
Soldaten. Wahrlich, wer ein heiteres Lagerleben kennen lernen wollte, der
brauchte nicht die sonst in dieser Hinsicht bekannten französischen Kriegslager zu
besuchen, er konnte bei den in Schleswig-Holstein stehenden preußischen Truppen
ein Gleiches finden. Wir haben in Deutschland alle Elemente zu nicht allein
muthigen und kriegstüchtigen, sondern auch lustigen Soldaten, und wollte man
um preußischen Heere eine Truppe gleich den französischen Zuavcn bilden, so
würden die berliner Jungen die gleiche Rolle dabei spielen, wie die pariser
Gamins dies bei den französischen Zuaven thun. Die frohe Stimmung und
der Witz der preußischen Soldaten im Sundewitt zeigen sich auch in den ver¬
schiedenen komischen Benennungen, welche sie manchen Gebäuden und Ort¬
schaften oder den ambulanten Markctendcrwirthschaften beigelegt haben. An
einem von den Kugeln des „Rolf-Krake" halb zerstörten Bauernhause prangt
ein großes Schild, auf dem mit riesigen Buchstaben geschrieben steht: „Hier
können Familien mit Kindern sich ihren Kaffee gegen ein Billiges selbst kochen,"


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[0324] Soldaten besteht ferner darin, daß ein besonders starker und gewandter Kame¬ rad mit Hilfe eines alten schwarzen Pelzes und einiger Schaffelle als ein Tanz¬ bär, dem eine aus rothem Tuch geschnittene Zunge fußlang ans dem Maule hängt. Verkleidet wird, während ein anderer sich als polnischer Bärenführer costümirt, drei bis vier Soldaten hingegen, ebenfalls möglichst bunt angezogen, mit Trommeln, Pfeifen, allen Kochkesseln als Pauken und Feuerzangen als Triangeln versehen, eine infernalische Musik dazu aufführen. Selbst bis zu Kameelen, die dann von zwei besonders stämmigen Soldaten mit Hilfe alter Packlcinwand geschickt dargestellt werden, während ein kleiner Tambour, als Affe verkleidet, darauf hockt und Gesichter schneidet, versteigt sich mitunter die Kunstfertigkeit der Leute. Unter lauter Musik, von einem Hausen lachen¬ der und jubelnder Soldaten gefolgt, ziehen dann diese Bärenführer vor die Quartiere der besonders beliebten Offiziere. Ein helltönender Tusch wird hier geblasen, getrommelt und gepfiffen, worauf dann der Tanzbär unter lau¬ tem Gebrumme und obligaten Peitschenhieben und kölnischen Drohungen des Bärenführers seine Tänze und Purzelbäume macht. Eine oft recht witzige, von einem Poeten der Compagnie gewandt in Knittelverse gebrachte Rede des Bä¬ renführers schließt gewöhnlich den Aufzug. Die Offiziere spenden dem zuletzt mit einem Teller herumgehenden Bärenführer nun einige Cigarren, eine Flasche Wein oder Branntwein, Lebensmittel oder ähnliche kleine Geschenke zur Be¬ lohnung, was dann von den Soldaten, welche die Komödie aufführten, gemein¬ sam verbraucht wird. Daß es nicht an großen wie kleinen Sängerchörcn, die oft vortrefflich singen, fehlt, bedarf kaum der Erwähnung. So herrschte, so wie nur die Witterung sich einmal etwas günstig zeigte, sogleich das regste Leben und Treiben und die sorgloseste Fröhlichkeit in allen näher oder ferner an den düppeler Schanzen im Sundewitt liegenden Quartieren der preußischen Soldaten. Wahrlich, wer ein heiteres Lagerleben kennen lernen wollte, der brauchte nicht die sonst in dieser Hinsicht bekannten französischen Kriegslager zu besuchen, er konnte bei den in Schleswig-Holstein stehenden preußischen Truppen ein Gleiches finden. Wir haben in Deutschland alle Elemente zu nicht allein muthigen und kriegstüchtigen, sondern auch lustigen Soldaten, und wollte man um preußischen Heere eine Truppe gleich den französischen Zuavcn bilden, so würden die berliner Jungen die gleiche Rolle dabei spielen, wie die pariser Gamins dies bei den französischen Zuaven thun. Die frohe Stimmung und der Witz der preußischen Soldaten im Sundewitt zeigen sich auch in den ver¬ schiedenen komischen Benennungen, welche sie manchen Gebäuden und Ort¬ schaften oder den ambulanten Markctendcrwirthschaften beigelegt haben. An einem von den Kugeln des „Rolf-Krake" halb zerstörten Bauernhause prangt ein großes Schild, auf dem mit riesigen Buchstaben geschrieben steht: „Hier können Familien mit Kindern sich ihren Kaffee gegen ein Billiges selbst kochen,"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/324>, abgerufen am 20.10.2024.