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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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er war in der Richtung von Osten nach Westen von Armenien bis zur tyrrheni-
schen Küste Italiens und in der Richtung von Norden nach Süden vom schwar¬
zen Meer bis an die Grenze Äthiopieus gezogen. Pausanias hatte niemanden
getroffen, der in Babylon oder in Susa gewesen war. In den Donauländern
begegnete man noch zu Trajans Zeit Fremden, die nicht Handeltreibende oder
Armeelieferanten waren, höchst selten, und nach den Nordprovinzen des Reichs
als Tourist, ohne wissenschaftlichen Zweck, zu reisen, konnte kaum jemandem
einfallen. Dagegen wurden allerdings in die westlichen wohl nicht ganz selten
Ausflüge aus bloßer Schaulust gemacht, und in Spanien scheint besonders
Gades ein vielbesuchtes Reiseziel gewesen zu sein. Doch die weit überwiegende
Mehrzahl der Reisenden schlug, wenn sie sich nicht mit Wanderungen in Italien
und Sicilien begnügte, die Richtung nach Süden und Osten ein. Griechen¬
land, Kleinasien und Aegypten zu sehen, war nach dem jüngern Plinius das,
was jedem Gebildeten am nächsten lag.

Zu kleinen Ausflügen bot Italien anziehende Punkte in Menge. Man
konnte sich an Campaniens Lieblichkeit weiden, in den lunarischer und brutti-
schen Waldschluchten sein Verlangen nach Wildnissen stillen, sich am Anblick
Tarents oder an den prachtvollen Palästen Antiums, der Villenreihe zwischen
Ostia und Laurentum, dem mit Landhäusern der schönsten Art besäeten Alba-
nergebirg von der starren Rauheit jener Gebirgslandschaft erholen oder in
der herrlichen Natur Bajäs sich seliger Vergessenheit der übrigen Welt über¬
lassen.

Die Schilderung, die Friedländer von den Sommerfrischen und Badeörtern
der altrömischen Kante volee giebt, gehört zu dem Brillantesten in der Mosaik,
die seine Belesenheit und sein Geschick anmuthig zu gruppiren uns hier zu¬
sammengestellt hat. Doch müssen wir dieselbe hier unberücksichtigt lassen, da sie
ihrer Natur nach keine Auslassungen gestattet.

Dasselbe gilt von dem gleichfalls glänzenden Bilde, welches der Verfasser
uns von der Physiognomie Griechenlands in der Kaiserzeit entwirft, und von
der Darstellung, die er uns von dem damaligen Kleinasien giebt. Dagegen mag
sein Bericht von dem, was in Aegypten den römischen Touristen anzog, wie¬
der im Auszug folgen.

Cypern, Syrien und Palästina boten zwar Merkwürdiges und Sehens¬
werthes genug, doch schreckte gewiß die weite und beschwerliche Seefahrt die
Meisten vom Besuch dieser Länder ab, und vor dem dritten Jahrhundert kamen
wohl selbst nach dem prachtvollen Antiochia und nach dem hochberühmten Hiero-
solyma nur die wenigsten römischen Reisenden. Desto größer war die Zahl
derer, die jahraus jahrein von Italien wie von Griechenland aus Aegypten
besuchten, welches namentlich mit ersterem durch eine regelmäßig befahrene


er war in der Richtung von Osten nach Westen von Armenien bis zur tyrrheni-
schen Küste Italiens und in der Richtung von Norden nach Süden vom schwar¬
zen Meer bis an die Grenze Äthiopieus gezogen. Pausanias hatte niemanden
getroffen, der in Babylon oder in Susa gewesen war. In den Donauländern
begegnete man noch zu Trajans Zeit Fremden, die nicht Handeltreibende oder
Armeelieferanten waren, höchst selten, und nach den Nordprovinzen des Reichs
als Tourist, ohne wissenschaftlichen Zweck, zu reisen, konnte kaum jemandem
einfallen. Dagegen wurden allerdings in die westlichen wohl nicht ganz selten
Ausflüge aus bloßer Schaulust gemacht, und in Spanien scheint besonders
Gades ein vielbesuchtes Reiseziel gewesen zu sein. Doch die weit überwiegende
Mehrzahl der Reisenden schlug, wenn sie sich nicht mit Wanderungen in Italien
und Sicilien begnügte, die Richtung nach Süden und Osten ein. Griechen¬
land, Kleinasien und Aegypten zu sehen, war nach dem jüngern Plinius das,
was jedem Gebildeten am nächsten lag.

Zu kleinen Ausflügen bot Italien anziehende Punkte in Menge. Man
konnte sich an Campaniens Lieblichkeit weiden, in den lunarischer und brutti-
schen Waldschluchten sein Verlangen nach Wildnissen stillen, sich am Anblick
Tarents oder an den prachtvollen Palästen Antiums, der Villenreihe zwischen
Ostia und Laurentum, dem mit Landhäusern der schönsten Art besäeten Alba-
nergebirg von der starren Rauheit jener Gebirgslandschaft erholen oder in
der herrlichen Natur Bajäs sich seliger Vergessenheit der übrigen Welt über¬
lassen.

Die Schilderung, die Friedländer von den Sommerfrischen und Badeörtern
der altrömischen Kante volee giebt, gehört zu dem Brillantesten in der Mosaik,
die seine Belesenheit und sein Geschick anmuthig zu gruppiren uns hier zu¬
sammengestellt hat. Doch müssen wir dieselbe hier unberücksichtigt lassen, da sie
ihrer Natur nach keine Auslassungen gestattet.

Dasselbe gilt von dem gleichfalls glänzenden Bilde, welches der Verfasser
uns von der Physiognomie Griechenlands in der Kaiserzeit entwirft, und von
der Darstellung, die er uns von dem damaligen Kleinasien giebt. Dagegen mag
sein Bericht von dem, was in Aegypten den römischen Touristen anzog, wie¬
der im Auszug folgen.

Cypern, Syrien und Palästina boten zwar Merkwürdiges und Sehens¬
werthes genug, doch schreckte gewiß die weite und beschwerliche Seefahrt die
Meisten vom Besuch dieser Länder ab, und vor dem dritten Jahrhundert kamen
wohl selbst nach dem prachtvollen Antiochia und nach dem hochberühmten Hiero-
solyma nur die wenigsten römischen Reisenden. Desto größer war die Zahl
derer, die jahraus jahrein von Italien wie von Griechenland aus Aegypten
besuchten, welches namentlich mit ersterem durch eine regelmäßig befahrene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/295>, abgerufen am 28.09.2024.