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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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gänzlich unzureichend für größere Kriege. Und größere europäische Kriege gab
es fast immer. Die Folge davon war, daß sich in Spanien, Frankreich und
Deutschland ein eigner Stand von Leuten ausbildete, die ein Handwerk daraus
machten, sich als Söldlinge zu verdingen. Sie waren die Kriegsknechte -- Lands¬
knechte, wenn sie zu Fuß dienten, Reiter, wenn zu Pferde. Fronsperger er¬
mahnt sie zwar sehr dringend, nicht zu betteln und zu rauben, sondern ein ehr¬
liches Handwerk zu ergreifen, wenn sie entlassen werden. Wir haben aber
gute Gründe, daran zu zweifeln, daß seine Ermahnungen fruchteten. Wie andere
Handwerker, so neigten auch die Soldaten zum Zunftwesen. Pfuscher wurden
nicht gelitten. Man sah es zwar nicht ungern, wenn sich ein kräftiger Bursche
anwerben ließ, selbst wenn sein Vater kein Soldat gewesen. Aber alle solche,
die nicht im Lande geboren oder ansäßig waren, wurden ausgeschlossen, weil
die Fremden sonst die Preise verderben würden. Im kaiserlichen Kriegsbuche
ist dieser Grundsatz in voller Strenge anerkannt und Bernardino Mendozza
empfiehlt wenigstens, ihn nicht ohne dringende Noth zu verletzen. Zu den Kriegs¬
knechten gehörten Kricgswciber. damals mit einem Ausdrucke bezeichnet, der jetzt
für unanständig gilt. Sie glichen aber nicht mehr ihren Vorgängerinnen, den
Kriegsmctzen. Sie waren, wenn auch nicht besonders zarte und ehrsame Frauen,
jedenfalls zaghafter Natur, wie Weiber heutzutage. Ein besonderer "Huren-
wybcl" (das Wort meint nichts Anstößiges) war über sie bestellt, der sie und
ihre Buben "bei harter Straff Leibes und Lebens allezeit zusammenhalten, auch
in den Angriffen fern von der Schlachtordnung eynschließcn mußte, daß die
Knechte ihr nördlich Geschrey nicht verzage."

Dieses Volk, meist im Lager geboren und aufgewachsen, bildet den Stoff
zu den Heeren, mit denen Franz und Karl, Ferdinand und Philipp ihre Kriege
führten, die Länder verwüsteten und die Völker unterdrückten. Das willige
Werkzeug jeder Gewaltthat, waren die Söldlinge doch keines Weges gesonnen,
sich selbst der Willkür ihrer Generale zu unterwerfen. Im Heere erhielt sich
das Geschwornengericht, nachdem es auf dem Eontincnte längst im Bürger-
stande verschwunden war. Das Wesen des Contractsverhältnisses, in dem der
eine Theil seiner Verpflichtungen ledig wird, sobald der andere sie nicht erfüllt,
wurde streng fest gehalten. Das Mittel, die Rechte der Soldaten zu ertrotzen,
war Meuterei. Mendozza erschöpft sich in Rathschlägen, wie man ihr nament¬
lich in einer belagerten Stadt vorbeugen solle. Das kaiserliche Kriegsrecht
sagt einfach von Meuterern: "die sol man erwürgen, eylends on grad, wie Joab
den aufrührischen Seher." Das war indessen nicht so leicht auszuführen. Denn
wie der Kaiser seine Kriegsartikel, so hatten die Soldaten ihre Mcutereiartikel.
Sie wußten sehr wohl, daß wüste Unordnung sie wehrlos in die Hand ihrer
Gegner liefern würde. Darum ging die Meuterei in größter Regelmäßigkeit
vor sich.


gänzlich unzureichend für größere Kriege. Und größere europäische Kriege gab
es fast immer. Die Folge davon war, daß sich in Spanien, Frankreich und
Deutschland ein eigner Stand von Leuten ausbildete, die ein Handwerk daraus
machten, sich als Söldlinge zu verdingen. Sie waren die Kriegsknechte — Lands¬
knechte, wenn sie zu Fuß dienten, Reiter, wenn zu Pferde. Fronsperger er¬
mahnt sie zwar sehr dringend, nicht zu betteln und zu rauben, sondern ein ehr¬
liches Handwerk zu ergreifen, wenn sie entlassen werden. Wir haben aber
gute Gründe, daran zu zweifeln, daß seine Ermahnungen fruchteten. Wie andere
Handwerker, so neigten auch die Soldaten zum Zunftwesen. Pfuscher wurden
nicht gelitten. Man sah es zwar nicht ungern, wenn sich ein kräftiger Bursche
anwerben ließ, selbst wenn sein Vater kein Soldat gewesen. Aber alle solche,
die nicht im Lande geboren oder ansäßig waren, wurden ausgeschlossen, weil
die Fremden sonst die Preise verderben würden. Im kaiserlichen Kriegsbuche
ist dieser Grundsatz in voller Strenge anerkannt und Bernardino Mendozza
empfiehlt wenigstens, ihn nicht ohne dringende Noth zu verletzen. Zu den Kriegs¬
knechten gehörten Kricgswciber. damals mit einem Ausdrucke bezeichnet, der jetzt
für unanständig gilt. Sie glichen aber nicht mehr ihren Vorgängerinnen, den
Kriegsmctzen. Sie waren, wenn auch nicht besonders zarte und ehrsame Frauen,
jedenfalls zaghafter Natur, wie Weiber heutzutage. Ein besonderer „Huren-
wybcl" (das Wort meint nichts Anstößiges) war über sie bestellt, der sie und
ihre Buben „bei harter Straff Leibes und Lebens allezeit zusammenhalten, auch
in den Angriffen fern von der Schlachtordnung eynschließcn mußte, daß die
Knechte ihr nördlich Geschrey nicht verzage."

Dieses Volk, meist im Lager geboren und aufgewachsen, bildet den Stoff
zu den Heeren, mit denen Franz und Karl, Ferdinand und Philipp ihre Kriege
führten, die Länder verwüsteten und die Völker unterdrückten. Das willige
Werkzeug jeder Gewaltthat, waren die Söldlinge doch keines Weges gesonnen,
sich selbst der Willkür ihrer Generale zu unterwerfen. Im Heere erhielt sich
das Geschwornengericht, nachdem es auf dem Eontincnte längst im Bürger-
stande verschwunden war. Das Wesen des Contractsverhältnisses, in dem der
eine Theil seiner Verpflichtungen ledig wird, sobald der andere sie nicht erfüllt,
wurde streng fest gehalten. Das Mittel, die Rechte der Soldaten zu ertrotzen,
war Meuterei. Mendozza erschöpft sich in Rathschlägen, wie man ihr nament¬
lich in einer belagerten Stadt vorbeugen solle. Das kaiserliche Kriegsrecht
sagt einfach von Meuterern: „die sol man erwürgen, eylends on grad, wie Joab
den aufrührischen Seher." Das war indessen nicht so leicht auszuführen. Denn
wie der Kaiser seine Kriegsartikel, so hatten die Soldaten ihre Mcutereiartikel.
Sie wußten sehr wohl, daß wüste Unordnung sie wehrlos in die Hand ihrer
Gegner liefern würde. Darum ging die Meuterei in größter Regelmäßigkeit
vor sich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/242>, abgerufen am 28.09.2024.