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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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dann springen und rinnen jählings die Wasser: Geschütz und Feuerwerk
brennt los.

ö) Von der keuschen römischen Matrone Pauline. welche im Tempel der
Isis durch Betrug der Priester geschändet worden. Geschrieben um 1840. Ist
als Druck und Hds. beides noch unsicher; vgl. Kottinger XXVI: ^ KiM
Dtter Reim.

Von weitaus größerer Wichtigkeit sind durch ihren sittengeschichtlichen
Inhalt Ruoffs historische Stücke; mit ihnen lenkt unsre eigne Arbeit wieder in
ihr Thema ein.

6) Eyn nüwes spil vom wol- vnd übelstand eyner löblichen
eydgnoschaft. Zugleich in zwei Handschriften vorliegend, deren eine dem
Stück den Titel giebt: Elter Heini vß dem Schwyzerland. Unter letzterem Namen
hat es Kottinger in Quedlinburg 1847 herausgegeben. Es soll, wie Ettmüller
(Handb. der Lid.-Gesch. 313) angiebt, Ueberarbeitung eines schon 1S14 vor¬
handenen älteren Schauspiels sein und ist 1542 von Ruoff verfaßt worden.
Es hat 5 Acte, jeder mit Musik schließend, und 31 spielende Personen.
Darunter sind 6 Teufel: Luzifer, Sathan, Belzebock, Bell, Runzifall; serner
die 7 Weisen, die 6 Eidgenossen und 2 junge Knaben.

Inhalt. Der alte Eidgenoß und sein Vetter Heini gewahren, wie im
Schweizerland die alte Ehrenhaftigkeit und Treue vergehe, und berathen deshalb
die sieben weisen Meister. Gegen deren guten Rath, so zu handeln, wie das
Leben der Altvordern es als Muster vorzeichne, intriguiren nun sämmtliche
Teufel der Hölle, und als es dem ungeachtet nach langer Säumniß gelingt, die
Landsgemeinde zur Entscheidung einzuberufen, stellen sich dabei auch die Teufel
mit Blasebälgen ein, soufliren damit ihren schweizerischen Gesinnungsgenossen,
und suchen die Versammlung in ihren schlimmen Gewohnheiten weiter bestärken
zu lassen. Als sodann Vetter Heini den Antrag an die Gemeinde bringt, aller
Fürsten, Herren und Fürstenpensionen müßig zu gehen, so erheben sich hiergegen,
mit Ausnahme Des Wilhelm Tell selbst, alle diejenigen Helden, welche im alten
Tellenspiel in der Rolle der Landesbesreier aufzutreten haben: Hans Stausacker,
Hauptmann Erni von Unterwalden, Rudi ab Alzellen, sogar Junker Fridli Tell,
Teils eigener Sohn. Sie alle stimmen für Beibehaltung der fremden Dienste
und Militärcapitulationen. Allein gegen die Teufel und die von ihnen voll¬
geblasenen Pensionirer erscheint zuletzt der warnende getreue Eckart. Durch
seinen guten Rath wird endlich die Landsgemeinde überzeugt, und mit Stimmen¬
mehrheit wird die Söldnerei abgeschafft.

Man hat hier eine der frühesten politischen Komödien unsrer Literatur vor
sich. Der Elter Heini ist der Repräsentant der damaligen Gesinnungen des
zürcher Landes; sein Name beweist dies, bis in unsre Jahre pflegte man in
der deutschen Schweiz jeden Zürcher apellativ einen, Züri-Heiri zu nennen.


dann springen und rinnen jählings die Wasser: Geschütz und Feuerwerk
brennt los.

ö) Von der keuschen römischen Matrone Pauline. welche im Tempel der
Isis durch Betrug der Priester geschändet worden. Geschrieben um 1840. Ist
als Druck und Hds. beides noch unsicher; vgl. Kottinger XXVI: ^ KiM
Dtter Reim.

Von weitaus größerer Wichtigkeit sind durch ihren sittengeschichtlichen
Inhalt Ruoffs historische Stücke; mit ihnen lenkt unsre eigne Arbeit wieder in
ihr Thema ein.

6) Eyn nüwes spil vom wol- vnd übelstand eyner löblichen
eydgnoschaft. Zugleich in zwei Handschriften vorliegend, deren eine dem
Stück den Titel giebt: Elter Heini vß dem Schwyzerland. Unter letzterem Namen
hat es Kottinger in Quedlinburg 1847 herausgegeben. Es soll, wie Ettmüller
(Handb. der Lid.-Gesch. 313) angiebt, Ueberarbeitung eines schon 1S14 vor¬
handenen älteren Schauspiels sein und ist 1542 von Ruoff verfaßt worden.
Es hat 5 Acte, jeder mit Musik schließend, und 31 spielende Personen.
Darunter sind 6 Teufel: Luzifer, Sathan, Belzebock, Bell, Runzifall; serner
die 7 Weisen, die 6 Eidgenossen und 2 junge Knaben.

Inhalt. Der alte Eidgenoß und sein Vetter Heini gewahren, wie im
Schweizerland die alte Ehrenhaftigkeit und Treue vergehe, und berathen deshalb
die sieben weisen Meister. Gegen deren guten Rath, so zu handeln, wie das
Leben der Altvordern es als Muster vorzeichne, intriguiren nun sämmtliche
Teufel der Hölle, und als es dem ungeachtet nach langer Säumniß gelingt, die
Landsgemeinde zur Entscheidung einzuberufen, stellen sich dabei auch die Teufel
mit Blasebälgen ein, soufliren damit ihren schweizerischen Gesinnungsgenossen,
und suchen die Versammlung in ihren schlimmen Gewohnheiten weiter bestärken
zu lassen. Als sodann Vetter Heini den Antrag an die Gemeinde bringt, aller
Fürsten, Herren und Fürstenpensionen müßig zu gehen, so erheben sich hiergegen,
mit Ausnahme Des Wilhelm Tell selbst, alle diejenigen Helden, welche im alten
Tellenspiel in der Rolle der Landesbesreier aufzutreten haben: Hans Stausacker,
Hauptmann Erni von Unterwalden, Rudi ab Alzellen, sogar Junker Fridli Tell,
Teils eigener Sohn. Sie alle stimmen für Beibehaltung der fremden Dienste
und Militärcapitulationen. Allein gegen die Teufel und die von ihnen voll¬
geblasenen Pensionirer erscheint zuletzt der warnende getreue Eckart. Durch
seinen guten Rath wird endlich die Landsgemeinde überzeugt, und mit Stimmen¬
mehrheit wird die Söldnerei abgeschafft.

Man hat hier eine der frühesten politischen Komödien unsrer Literatur vor
sich. Der Elter Heini ist der Repräsentant der damaligen Gesinnungen des
zürcher Landes; sein Name beweist dies, bis in unsre Jahre pflegte man in
der deutschen Schweiz jeden Zürcher apellativ einen, Züri-Heiri zu nennen.


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[0189] dann springen und rinnen jählings die Wasser: Geschütz und Feuerwerk brennt los. ö) Von der keuschen römischen Matrone Pauline. welche im Tempel der Isis durch Betrug der Priester geschändet worden. Geschrieben um 1840. Ist als Druck und Hds. beides noch unsicher; vgl. Kottinger XXVI: ^ KiM Dtter Reim. Von weitaus größerer Wichtigkeit sind durch ihren sittengeschichtlichen Inhalt Ruoffs historische Stücke; mit ihnen lenkt unsre eigne Arbeit wieder in ihr Thema ein. 6) Eyn nüwes spil vom wol- vnd übelstand eyner löblichen eydgnoschaft. Zugleich in zwei Handschriften vorliegend, deren eine dem Stück den Titel giebt: Elter Heini vß dem Schwyzerland. Unter letzterem Namen hat es Kottinger in Quedlinburg 1847 herausgegeben. Es soll, wie Ettmüller (Handb. der Lid.-Gesch. 313) angiebt, Ueberarbeitung eines schon 1S14 vor¬ handenen älteren Schauspiels sein und ist 1542 von Ruoff verfaßt worden. Es hat 5 Acte, jeder mit Musik schließend, und 31 spielende Personen. Darunter sind 6 Teufel: Luzifer, Sathan, Belzebock, Bell, Runzifall; serner die 7 Weisen, die 6 Eidgenossen und 2 junge Knaben. Inhalt. Der alte Eidgenoß und sein Vetter Heini gewahren, wie im Schweizerland die alte Ehrenhaftigkeit und Treue vergehe, und berathen deshalb die sieben weisen Meister. Gegen deren guten Rath, so zu handeln, wie das Leben der Altvordern es als Muster vorzeichne, intriguiren nun sämmtliche Teufel der Hölle, und als es dem ungeachtet nach langer Säumniß gelingt, die Landsgemeinde zur Entscheidung einzuberufen, stellen sich dabei auch die Teufel mit Blasebälgen ein, soufliren damit ihren schweizerischen Gesinnungsgenossen, und suchen die Versammlung in ihren schlimmen Gewohnheiten weiter bestärken zu lassen. Als sodann Vetter Heini den Antrag an die Gemeinde bringt, aller Fürsten, Herren und Fürstenpensionen müßig zu gehen, so erheben sich hiergegen, mit Ausnahme Des Wilhelm Tell selbst, alle diejenigen Helden, welche im alten Tellenspiel in der Rolle der Landesbesreier aufzutreten haben: Hans Stausacker, Hauptmann Erni von Unterwalden, Rudi ab Alzellen, sogar Junker Fridli Tell, Teils eigener Sohn. Sie alle stimmen für Beibehaltung der fremden Dienste und Militärcapitulationen. Allein gegen die Teufel und die von ihnen voll¬ geblasenen Pensionirer erscheint zuletzt der warnende getreue Eckart. Durch seinen guten Rath wird endlich die Landsgemeinde überzeugt, und mit Stimmen¬ mehrheit wird die Söldnerei abgeschafft. Man hat hier eine der frühesten politischen Komödien unsrer Literatur vor sich. Der Elter Heini ist der Repräsentant der damaligen Gesinnungen des zürcher Landes; sein Name beweist dies, bis in unsre Jahre pflegte man in der deutschen Schweiz jeden Zürcher apellativ einen, Züri-Heiri zu nennen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/189>, abgerufen am 20.10.2024.