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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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ins Unterinnthal eindrang, hielt er es für einen Bruch des Waffenstillstandes,
und rief das ganze Land zu den Waffen. "Nicht blos der Rettung zeitlichen
Eigenthums," betheuerte er, könne es gelten, "nein, augenscheinliche Gefahr
droht unserer heiligsten Religion, für diese haben wir das große Wert begonnen.
Ergreifet die Waffen wider den allgemeinen Feind des Himmels und der Erde!'
Von Sterzing aus, wohin er sich sofort begab, bot er auf die Nachricht, daß
die Feinde am 1. August aus Innsbruck dahin aufgebrochen, die ganze dortige
Umgegend zum Landsturm auf. schrieb nach Klausen an den Kapuziner Joachim
Haspinger, er möge Schützen werben, und nach dem Brenner schicke", sandte
Boten nach Passeier, Meran, Vintschgau, Ober- und Unterinnthal und ver¬
kündete aller Orten, das Vaterland sei in Gefahr. Nur er selbst hielt es für
rathsam, sich einstweilen nach dem 1. August drei volle Tage hindurch auf der
Schindler-Ecke in einer Höhle am Ausgang des passeircr Thales zu verbergen.
Kurz vorher im Mai war er ganz erbittert über den Kleinmuth Chastelcrs, der
sich durch die Achtserklärung Napoleons schrecken ließ, ihn selbst trieb schon
eine dunkle Ahnung davon in die Flucht; denn Lefebvre hatte in der am 1. August
erlassenen Kundmachung nur den Major Teimer von der Amnestie ausgenommen,
Hofer dagegen mit den andern Commandanten bis zum 10. nach Innsbruck
geladen. Der Befehl alle zu erschießen, die von ihm verleitet die Waffen er¬
greifen sollten, wurde erst am 2. August, also nach seiner Entweichung, erlassen.
Gleichwohl hielt er sich schon für ,.vogelfrei", und träumte von einer "größern
Summe Geldes", die auf seinen Kops gesetzt wäre. Wahrhaft Mitleid erregend
ist ein von ihm am 4. August aus seinem Versteck erlassener Aufruf an die
"herzallerliebster Tiroler", worin er sagt, daß er so lange unsichtbar bleiben
wolle, bis sich eine hinreichende Anzahl wahrer Patrioten hervorgethan, "wegen
Gott, Religion und Vaterland zu kämpfen", erst wenn er sich dadurch ge¬
sichert wisse, wolle er sie anführen -- "so viel sein Verstand vermag". Unter¬
zeichnet war er: "Euer treues Herz. Andere Hofer Obercommandant von Pas-
seier. Dermalen wo ich bin." Seine guten Freunde, die Geistlichen, ließen
es auch wirklich nicht an glühender Beredsamkeit zur Rettung des allein wahren
Glaubens fehlen. Der Kapuziner Haspinger trieb den Peter Mayr, Wirth in
der Mähr, einen der wackersten Anführer, der nun keinen Widerstand mehr leisten
wollte, mitten in der Nacht aus den Armen seines jammernden Weibes. Der
Kaplan Johann Gruber stellte sich als Commandant an die Spitze derer von
Villanders, Latzfons und Feidthurns. Paul Wassermann, ein Chorherr von
Neustift, und Georg Landfahrer, Curat von Wellenthal, ließen in der Gegend
von Schäds, Mühlbach, Rodeneck und Schöneck Sturm läuten, predigten das
Cruzifix in der Hand den Kreuzzug gegen die Verräther des Christenthums und
liefen wuthentbrannt vor ihren Schaaren her. Die letzteren beiden waren es
auch, die auf den grausamen Gedanken geriethen, Steine und Bäume von den


Grenzboten III. 1864. 2

ins Unterinnthal eindrang, hielt er es für einen Bruch des Waffenstillstandes,
und rief das ganze Land zu den Waffen. „Nicht blos der Rettung zeitlichen
Eigenthums," betheuerte er, könne es gelten, „nein, augenscheinliche Gefahr
droht unserer heiligsten Religion, für diese haben wir das große Wert begonnen.
Ergreifet die Waffen wider den allgemeinen Feind des Himmels und der Erde!'
Von Sterzing aus, wohin er sich sofort begab, bot er auf die Nachricht, daß
die Feinde am 1. August aus Innsbruck dahin aufgebrochen, die ganze dortige
Umgegend zum Landsturm auf. schrieb nach Klausen an den Kapuziner Joachim
Haspinger, er möge Schützen werben, und nach dem Brenner schicke», sandte
Boten nach Passeier, Meran, Vintschgau, Ober- und Unterinnthal und ver¬
kündete aller Orten, das Vaterland sei in Gefahr. Nur er selbst hielt es für
rathsam, sich einstweilen nach dem 1. August drei volle Tage hindurch auf der
Schindler-Ecke in einer Höhle am Ausgang des passeircr Thales zu verbergen.
Kurz vorher im Mai war er ganz erbittert über den Kleinmuth Chastelcrs, der
sich durch die Achtserklärung Napoleons schrecken ließ, ihn selbst trieb schon
eine dunkle Ahnung davon in die Flucht; denn Lefebvre hatte in der am 1. August
erlassenen Kundmachung nur den Major Teimer von der Amnestie ausgenommen,
Hofer dagegen mit den andern Commandanten bis zum 10. nach Innsbruck
geladen. Der Befehl alle zu erschießen, die von ihm verleitet die Waffen er¬
greifen sollten, wurde erst am 2. August, also nach seiner Entweichung, erlassen.
Gleichwohl hielt er sich schon für ,.vogelfrei", und träumte von einer „größern
Summe Geldes", die auf seinen Kops gesetzt wäre. Wahrhaft Mitleid erregend
ist ein von ihm am 4. August aus seinem Versteck erlassener Aufruf an die
„herzallerliebster Tiroler", worin er sagt, daß er so lange unsichtbar bleiben
wolle, bis sich eine hinreichende Anzahl wahrer Patrioten hervorgethan, „wegen
Gott, Religion und Vaterland zu kämpfen", erst wenn er sich dadurch ge¬
sichert wisse, wolle er sie anführen — „so viel sein Verstand vermag". Unter¬
zeichnet war er: „Euer treues Herz. Andere Hofer Obercommandant von Pas-
seier. Dermalen wo ich bin." Seine guten Freunde, die Geistlichen, ließen
es auch wirklich nicht an glühender Beredsamkeit zur Rettung des allein wahren
Glaubens fehlen. Der Kapuziner Haspinger trieb den Peter Mayr, Wirth in
der Mähr, einen der wackersten Anführer, der nun keinen Widerstand mehr leisten
wollte, mitten in der Nacht aus den Armen seines jammernden Weibes. Der
Kaplan Johann Gruber stellte sich als Commandant an die Spitze derer von
Villanders, Latzfons und Feidthurns. Paul Wassermann, ein Chorherr von
Neustift, und Georg Landfahrer, Curat von Wellenthal, ließen in der Gegend
von Schäds, Mühlbach, Rodeneck und Schöneck Sturm läuten, predigten das
Cruzifix in der Hand den Kreuzzug gegen die Verräther des Christenthums und
liefen wuthentbrannt vor ihren Schaaren her. Die letzteren beiden waren es
auch, die auf den grausamen Gedanken geriethen, Steine und Bäume von den


Grenzboten III. 1864. 2
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/17>, abgerufen am 28.09.2024.