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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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eine Deputation entgegen, welche eine Kapitulation erwirken und nur um Er¬
haltung der katholischen Religion und Schutz des Eigenthums bitten sollte.
Sie wurde von einigen Geistlichen begleitet, welche die durch den Brand von
Schwätz erbitterten Bauern beschwichtigen mußten. Nach dieser Demüthigung
rückte Wrede am 19. Mai in Innsbruck ein und befahl den dortigen Bürgern,
Abgeordnete an den König von Bayern und den Kaiser Napoleon zu senden,
um Gnade und Verzeihung des Geschehenen zu erflehen. Man wählte dazu
Leute aus den vier Ständen und beiden Landestheilen, die besten östreichische"
Patrioten ließen sich dazu brauchen.

Hofer erhielt die Kunde vom Einbruch der Bayern, eben als er mit seinen
Landstürmern nach Passeier zurückkehrte, er eilte wieder über den Jansen nach
Sterzing und fing dort ein Schreiben des Feldmarschallleutenants Chasteler an
den General Buvl auf, das diesem den Rückzug befahl. Voll Mißtrauen gegen
die Oestreicher, deren Abzug er besorgte, hielt er jede Hinterlist für erlaubt, wie¬
wohl er sie dem Feldmarschalllieutenant sorgfältig verhehlte. Was nun weiter
vorzukehren, mochte er selbst nicht wissen; denn am 19. erließ er aus Sterzing
den kläglichsten Aufruf zum allgemeinen Landsturm, beschränkte ihn Tags nach¬
her auf das Ausziehen von Schützencompagnien, ging dann nach Bruneck, um
Chasteler vom Abzug abzuhalten und wollte, als ihm dieser wegen der bereits
am 13. erfolgten Uebergabe Wiens kein Gehör gab, sogar nach Vliland zum
Erzherzog Johann. Am Ende lag ihm doch die Benutzung der am Brenner
unter Buol zurückgebliebenen östreichischen Truppen am nächsten, sie konnten
Angesichts der mittlerweile herangezogenen Schützen, 6000 an der Zahl, kaum
entweichen, und die Ordre Chastelers, die sie nach Lienz berief, wurde neuer¬
dings unterschlagen. Buol. dessen Corps aus 2381 Mann und 130 Pferden
bestand, sandte einen Courier an Chasteler und Erzherzog Johann, ließ sich
jedoch durch das unausgesetzte Drängen Hofers bestimmen, ihm 800 Mann mit
6 Kanonen abzugeben, womit dieser gegen Innsbruck vorrückte. Dazu er¬
mutigte ihn besonders die Nachricht, daß dort nur noch 6--8000 Bayern
stehen und der Rest schon ins untere Jnnthal abgezogen. Die Ursache davon
lag in einem Befehl Napoleons, den Wrede. des Commandos des stolzen Her¬
zogs von Danzig überdrüssig, zum Abmarsch seiner Division zu erwirken ge¬
wußt, der zurückgebliebene Deroy sollte seinen Rückzug decken. Hofer versam¬
melte am 24. Mai Abends seine ganze Mannschaft in Steinach, ließ ihr vom
Feldkaplan Joseph Alber eine eindringliche Predigt halten, die Absolution von
ihren Sünden ertheilen, und that dann selbst vor allem Volke mit aufgehobenen
Händen das Gelübde, dem Herzen Jesu zu Ehren jährlich einen Festtag, und
zum Gedächtniß der Schlacht in allen Kirchen des Landes ein Hochamt zu
feiern. Damit glaubte er wohl das Wichtigste gethan zu haben, was ihm als
Anführer seiner Schützen oblag; denn am Kampfe selbst betheiligte er sich gar


eine Deputation entgegen, welche eine Kapitulation erwirken und nur um Er¬
haltung der katholischen Religion und Schutz des Eigenthums bitten sollte.
Sie wurde von einigen Geistlichen begleitet, welche die durch den Brand von
Schwätz erbitterten Bauern beschwichtigen mußten. Nach dieser Demüthigung
rückte Wrede am 19. Mai in Innsbruck ein und befahl den dortigen Bürgern,
Abgeordnete an den König von Bayern und den Kaiser Napoleon zu senden,
um Gnade und Verzeihung des Geschehenen zu erflehen. Man wählte dazu
Leute aus den vier Ständen und beiden Landestheilen, die besten östreichische»
Patrioten ließen sich dazu brauchen.

Hofer erhielt die Kunde vom Einbruch der Bayern, eben als er mit seinen
Landstürmern nach Passeier zurückkehrte, er eilte wieder über den Jansen nach
Sterzing und fing dort ein Schreiben des Feldmarschallleutenants Chasteler an
den General Buvl auf, das diesem den Rückzug befahl. Voll Mißtrauen gegen
die Oestreicher, deren Abzug er besorgte, hielt er jede Hinterlist für erlaubt, wie¬
wohl er sie dem Feldmarschalllieutenant sorgfältig verhehlte. Was nun weiter
vorzukehren, mochte er selbst nicht wissen; denn am 19. erließ er aus Sterzing
den kläglichsten Aufruf zum allgemeinen Landsturm, beschränkte ihn Tags nach¬
her auf das Ausziehen von Schützencompagnien, ging dann nach Bruneck, um
Chasteler vom Abzug abzuhalten und wollte, als ihm dieser wegen der bereits
am 13. erfolgten Uebergabe Wiens kein Gehör gab, sogar nach Vliland zum
Erzherzog Johann. Am Ende lag ihm doch die Benutzung der am Brenner
unter Buol zurückgebliebenen östreichischen Truppen am nächsten, sie konnten
Angesichts der mittlerweile herangezogenen Schützen, 6000 an der Zahl, kaum
entweichen, und die Ordre Chastelers, die sie nach Lienz berief, wurde neuer¬
dings unterschlagen. Buol. dessen Corps aus 2381 Mann und 130 Pferden
bestand, sandte einen Courier an Chasteler und Erzherzog Johann, ließ sich
jedoch durch das unausgesetzte Drängen Hofers bestimmen, ihm 800 Mann mit
6 Kanonen abzugeben, womit dieser gegen Innsbruck vorrückte. Dazu er¬
mutigte ihn besonders die Nachricht, daß dort nur noch 6—8000 Bayern
stehen und der Rest schon ins untere Jnnthal abgezogen. Die Ursache davon
lag in einem Befehl Napoleons, den Wrede. des Commandos des stolzen Her¬
zogs von Danzig überdrüssig, zum Abmarsch seiner Division zu erwirken ge¬
wußt, der zurückgebliebene Deroy sollte seinen Rückzug decken. Hofer versam¬
melte am 24. Mai Abends seine ganze Mannschaft in Steinach, ließ ihr vom
Feldkaplan Joseph Alber eine eindringliche Predigt halten, die Absolution von
ihren Sünden ertheilen, und that dann selbst vor allem Volke mit aufgehobenen
Händen das Gelübde, dem Herzen Jesu zu Ehren jährlich einen Festtag, und
zum Gedächtniß der Schlacht in allen Kirchen des Landes ein Hochamt zu
feiern. Damit glaubte er wohl das Wichtigste gethan zu haben, was ihm als
Anführer seiner Schützen oblag; denn am Kampfe selbst betheiligte er sich gar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/14>, abgerufen am 28.09.2024.