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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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die Bischöfe von Chur und Trient diesen Anordnungen, erklärten dieselbe als
einen schismatischen Versuch, bestanden auch noch persönlich in Innsbruck, wo¬
hin sie vom Gcnerallaudescommissär geladen waren, auf den angeblichen Rech¬
ten der Kirche und wurden in Folge dessen auf königlichen Befehl über die
Grenze geschafft, der erstere in die Schweiz, der letztere nach Salzburg. In
Trient wurde wegen der Abwesenheit des Bischofs von der Mehrzahl der Dom"
Herren, die sich nicht gleich den Bischöfen ihre Einkünfte wollten sperren lassen,
ein Generalvicar gewählt, die Leitung der geistlichen Angelegenheiten erlitt also
hier keine Störung, am Starrsinn und Trotz des churer Bischofs scheiterte aber
jeder Versuch zur Herstellung der Ordnung. Der Aufforderung, auf den tiroler
Antheil seines Sprengels zu verzichten, begegnete er durch die Erklärung, dieselbe
sei "einem häretischen Princip entsprungen",, und hetzte dafür das Volk, das
mit kindlicher Einfalt am allen Ceremoniendienst hing, durch eine Art von
Interdict gegen die Regierung auf. Die Geistlichen sollten nämlich keinen aus¬
wärtigen Bischof oder Vicar anerkennen, und falls man deshalb die Widerstre¬
benden depvrtirte, wurde den Gläubigen jede Gemeinschaft mit den von der
Regierung eingesetzten, sowie der Empfang der Sacramente aus ihren Händen
mit der Weisung verboten, die Ehen ohne Priester nur vor katholischen Zeu¬
gen zu schließen, ihre Kinder selbst zu taufen und für die Verstorbenen, wenn
sie dieselben begraben, zu Hause zu beten. Nur des Bischofs treue Anhänger durften
in Kellern. Höhlen und Wäldern, und wenn es erforderlich, auch zweimal des
Tages oder um Mitternacht Messe lesen. Als nun der Klerus trotzig die Ab"
brechung seiner Verbindungen mit dem churer Bischof, sowie die Unterwerfung
unter jenen von Augsburg verweigerte, und mehre davon deportirt wurden,
nahmen die frommen Geistlichen unter Thränen von ihren Gemeinden Abschied,
theilten zum letzten Mal das Sacrament aus, leerten den Tabernakel, und ver¬
boten ihren Pfarrkindern, fürder die Kirche zu besuchen. Hatte doch auch der
Bischof von Chur beim Einsteigen in den Deportativnswagcn diejenigen, die
weinend umherstanden, belehrt, seine Verfolgung sei schlimmer als jene der
Heiden; denn sie gehe von Christen aus. Die bayerischen Beamten machten
sich freilich mancher Rohheit und Gewaltthat schuldig, doch auch die Trieb-
feder der halsstarrigen Bischöfe und ihres Anhangs war sicher nicht lauteres
Pflichtgefühl, sondern vielmehr Rache für die Beschränkung ihrer früheren Ge¬
walt. Schon im November 1807 erließ der churer Bischof an den Provicar
von Meran die Weisung, "das Volk auf den kommenden Sturm vorzuberei¬
ten", und forderte ihn auf, sich an die Gemeindevorsteher zu wenden und in
ganz Vintschgau Unterschriften für eine Petition an den König um Freigebung
der Verbindung mit ihm zu sammeln. Hätte in den Anforderungen des
Rescnpts vom 16. April 1806 ein häretisches Princip gelegen, so würde auch der
Bischof von Brixen nicht nachgiebiger gewesen, und der Einladung nach Inns-


die Bischöfe von Chur und Trient diesen Anordnungen, erklärten dieselbe als
einen schismatischen Versuch, bestanden auch noch persönlich in Innsbruck, wo¬
hin sie vom Gcnerallaudescommissär geladen waren, auf den angeblichen Rech¬
ten der Kirche und wurden in Folge dessen auf königlichen Befehl über die
Grenze geschafft, der erstere in die Schweiz, der letztere nach Salzburg. In
Trient wurde wegen der Abwesenheit des Bischofs von der Mehrzahl der Dom»
Herren, die sich nicht gleich den Bischöfen ihre Einkünfte wollten sperren lassen,
ein Generalvicar gewählt, die Leitung der geistlichen Angelegenheiten erlitt also
hier keine Störung, am Starrsinn und Trotz des churer Bischofs scheiterte aber
jeder Versuch zur Herstellung der Ordnung. Der Aufforderung, auf den tiroler
Antheil seines Sprengels zu verzichten, begegnete er durch die Erklärung, dieselbe
sei „einem häretischen Princip entsprungen",, und hetzte dafür das Volk, das
mit kindlicher Einfalt am allen Ceremoniendienst hing, durch eine Art von
Interdict gegen die Regierung auf. Die Geistlichen sollten nämlich keinen aus¬
wärtigen Bischof oder Vicar anerkennen, und falls man deshalb die Widerstre¬
benden depvrtirte, wurde den Gläubigen jede Gemeinschaft mit den von der
Regierung eingesetzten, sowie der Empfang der Sacramente aus ihren Händen
mit der Weisung verboten, die Ehen ohne Priester nur vor katholischen Zeu¬
gen zu schließen, ihre Kinder selbst zu taufen und für die Verstorbenen, wenn
sie dieselben begraben, zu Hause zu beten. Nur des Bischofs treue Anhänger durften
in Kellern. Höhlen und Wäldern, und wenn es erforderlich, auch zweimal des
Tages oder um Mitternacht Messe lesen. Als nun der Klerus trotzig die Ab»
brechung seiner Verbindungen mit dem churer Bischof, sowie die Unterwerfung
unter jenen von Augsburg verweigerte, und mehre davon deportirt wurden,
nahmen die frommen Geistlichen unter Thränen von ihren Gemeinden Abschied,
theilten zum letzten Mal das Sacrament aus, leerten den Tabernakel, und ver¬
boten ihren Pfarrkindern, fürder die Kirche zu besuchen. Hatte doch auch der
Bischof von Chur beim Einsteigen in den Deportativnswagcn diejenigen, die
weinend umherstanden, belehrt, seine Verfolgung sei schlimmer als jene der
Heiden; denn sie gehe von Christen aus. Die bayerischen Beamten machten
sich freilich mancher Rohheit und Gewaltthat schuldig, doch auch die Trieb-
feder der halsstarrigen Bischöfe und ihres Anhangs war sicher nicht lauteres
Pflichtgefühl, sondern vielmehr Rache für die Beschränkung ihrer früheren Ge¬
walt. Schon im November 1807 erließ der churer Bischof an den Provicar
von Meran die Weisung, „das Volk auf den kommenden Sturm vorzuberei¬
ten", und forderte ihn auf, sich an die Gemeindevorsteher zu wenden und in
ganz Vintschgau Unterschriften für eine Petition an den König um Freigebung
der Verbindung mit ihm zu sammeln. Hätte in den Anforderungen des
Rescnpts vom 16. April 1806 ein häretisches Princip gelegen, so würde auch der
Bischof von Brixen nicht nachgiebiger gewesen, und der Einladung nach Inns-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/10>, abgerufen am 28.09.2024.