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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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nach einer entscheidenden Schlacht der gute, und an der Entschiedenheit in der
Verfolgung der große Feldherr zu erkennen ist. - In dem Bestreben sich in
festen Plätzen zu vertheidigen, oder seine Kräfte ur der Belagerung derselben
gründlich zu beschäftigen, documentirt sich stets die Schwäche. -- Der Angriff
hebt das moralische Element, die Vertheidigung mindert eS und trotzdem der
Vertheidiger in der gedeckten Aufstellung seinen frei herankommenden Gegner
viel besser treffen müßte, wie dieser jenen, so ist doch oft das Umgekehrte der
Fall. Der Angreifer verfehlt seinen gedeckten Gegner viel seltner als dieser ihn.
weil der Angreifer frei in den Tod und'deshalb schärfer und klarer sieht, als
der Vertheidiger, welcher die Gefahr mit jedem Schritt, den der Gegner vor¬
wärts macht/ wachsen und den Gesichtskreis sich verdunkeln sieht. Andrerseits
ist aber nicht zu verkennen, daß eine ruhige Vertheidigung das beste Mittel
gegen einen kühn anstürmenden Feind ist. wie am schlagendsten die Angriffe der
Cavallerie gegen eine ruhige und brave Infanterie beweisen. In der Regel
macht die Cavallerie auf 40-50 Schritt Kehrt vor der Infanterie, wenn diese
nicht feuert; stürmt die Cavallerie trotzdem weiter, und die Infanterie giebt
aus 20 Schritt eine recht gleichmäßige Salve, so drehen sich die Pferde um
und die Masse eilt wo möglich noch rascher von dannen, als sie gekommen.
Die Kriegsgeschichte ist reich an diesen Beispielen. -- Die in der neuern Zeit
so berühmt gewordene t'nun, ü-im^Sö hat in den napoleonischen Kriegen oft
genug ihr Beruhigungsmittel in dem wohlgezielten Feuern ihrer Gegner ge¬
funden; zumal die englische Armee hat hierin in Spanien -und zuletzt bei
Waterloo schöne Triumphe gefeiert. Die zwanzigjährigen Kriege am Ende des
vorigen und im Beginn des jetzigen Jahrhunderts hatten überhaupt die Kunst-
stücke aus der Gefechtsführung entfernt und dieselbe auf die Einfachheit ihrer
Natur, nämlich auf das einfache Tödten reducirt. General v. Clausewitz. der
anerkannteste Militärschriftsteller aus jener Zeit, faßt die Schilderung einer
Schlacht deshalb in folgendes, schmuckloses Bild zusammen:

"Man stellt sich in Massen neben und hinter einander geordnet, ruhig hin,
entwickelt verhältnißmäßig nur einen geringen Theil des Ganzen und läßt sich
diesen in einem stundenlangen Feuergesccht ausringen, welches durch einzelne
kleine Stöße von Sturmschritt, Bajonnet- und Cavallericanfall hin und wieder
unterbrochen und etwas hin und her geschoben wird. Hat dieser eine Theil
sein kriegerisches Feuer auf diese Weise nach und nach ausgeströmt und es bleiben
nichts als die Schlacken übrig, so wird er zurückgezogen und von einem andern
ersetzt. Auf diese Weise brennt die Schlacht mit gemäßigtem Element, wie
nasses Pulver, langsam ab und wenn der Schleier der Nacht Ruhe gebietet,
weil niemand mehr sehen kann und sich niemand dem blinden Zufall Preis
geben will, so wird geschätzt, was dem Einen oder dem Andern übrig bleiben
wäg, an Waffen, die noch brauchbar genannt werden können, d. h. die noch


nach einer entscheidenden Schlacht der gute, und an der Entschiedenheit in der
Verfolgung der große Feldherr zu erkennen ist. - In dem Bestreben sich in
festen Plätzen zu vertheidigen, oder seine Kräfte ur der Belagerung derselben
gründlich zu beschäftigen, documentirt sich stets die Schwäche. — Der Angriff
hebt das moralische Element, die Vertheidigung mindert eS und trotzdem der
Vertheidiger in der gedeckten Aufstellung seinen frei herankommenden Gegner
viel besser treffen müßte, wie dieser jenen, so ist doch oft das Umgekehrte der
Fall. Der Angreifer verfehlt seinen gedeckten Gegner viel seltner als dieser ihn.
weil der Angreifer frei in den Tod und'deshalb schärfer und klarer sieht, als
der Vertheidiger, welcher die Gefahr mit jedem Schritt, den der Gegner vor¬
wärts macht/ wachsen und den Gesichtskreis sich verdunkeln sieht. Andrerseits
ist aber nicht zu verkennen, daß eine ruhige Vertheidigung das beste Mittel
gegen einen kühn anstürmenden Feind ist. wie am schlagendsten die Angriffe der
Cavallerie gegen eine ruhige und brave Infanterie beweisen. In der Regel
macht die Cavallerie auf 40-50 Schritt Kehrt vor der Infanterie, wenn diese
nicht feuert; stürmt die Cavallerie trotzdem weiter, und die Infanterie giebt
aus 20 Schritt eine recht gleichmäßige Salve, so drehen sich die Pferde um
und die Masse eilt wo möglich noch rascher von dannen, als sie gekommen.
Die Kriegsgeschichte ist reich an diesen Beispielen. — Die in der neuern Zeit
so berühmt gewordene t'nun, ü-im^Sö hat in den napoleonischen Kriegen oft
genug ihr Beruhigungsmittel in dem wohlgezielten Feuern ihrer Gegner ge¬
funden; zumal die englische Armee hat hierin in Spanien -und zuletzt bei
Waterloo schöne Triumphe gefeiert. Die zwanzigjährigen Kriege am Ende des
vorigen und im Beginn des jetzigen Jahrhunderts hatten überhaupt die Kunst-
stücke aus der Gefechtsführung entfernt und dieselbe auf die Einfachheit ihrer
Natur, nämlich auf das einfache Tödten reducirt. General v. Clausewitz. der
anerkannteste Militärschriftsteller aus jener Zeit, faßt die Schilderung einer
Schlacht deshalb in folgendes, schmuckloses Bild zusammen:

„Man stellt sich in Massen neben und hinter einander geordnet, ruhig hin,
entwickelt verhältnißmäßig nur einen geringen Theil des Ganzen und läßt sich
diesen in einem stundenlangen Feuergesccht ausringen, welches durch einzelne
kleine Stöße von Sturmschritt, Bajonnet- und Cavallericanfall hin und wieder
unterbrochen und etwas hin und her geschoben wird. Hat dieser eine Theil
sein kriegerisches Feuer auf diese Weise nach und nach ausgeströmt und es bleiben
nichts als die Schlacken übrig, so wird er zurückgezogen und von einem andern
ersetzt. Auf diese Weise brennt die Schlacht mit gemäßigtem Element, wie
nasses Pulver, langsam ab und wenn der Schleier der Nacht Ruhe gebietet,
weil niemand mehr sehen kann und sich niemand dem blinden Zufall Preis
geben will, so wird geschätzt, was dem Einen oder dem Andern übrig bleiben
wäg, an Waffen, die noch brauchbar genannt werden können, d. h. die noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/79>, abgerufen am 23.07.2024.