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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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su> in einem Staate Schleswig-Holstein zu tragen hätten, wahrscheinlich be¬
deutend geringer sein würde, als in Dänemark mit seinen durch den Krieg
angeschwollenen Staatsschulden, seinen wenigen Domänen und seiner Gro߬
mannssucht, die ihm auch ferner eine kostspielige Flotte zu halten gebieten
wird. Endlich würde eine geschickte Aufklärung über die friedlichen Beziehungen
des deutschen Bundes zu dem Padischah in Stambul und die friedfertige Natur
dieser Staatcngruppe überhaupt nicht übel angebracht sein.

Nach solcher Vorbereitung würde es nicht wahrscheinlich, wenn auch immerhin
noch möglich sein, daß die Nordschleswiger. wenn man ihnen das Selbstbestim¬
mungsrecht zugestünde, in ihrer Majorität sich nicht von ihrem Vortheil, sondern
von ihren politischen Sympathien mit Dänemark und ihrer Scheu vor den Türken¬
kriegen des deutschen Bundes leiten ließen, und daß sie demzufolge bei der Frage:
ob sckleswig-holsteinisch und deutsch oder dänisch? sich für die letztere Alter¬
native entschieden. Dann würde man sie ungern zwar, aber der Billigkeit ge¬
mäss, soweit das von ihnen bewohnte Land nicht von besonderem Werth für
Schleswig-Holstein und Deutschland wäre, abtrennen müssen. Blieben bei die¬
ser Theilung einige südlichere Striche -- Sundewitt und Alsen z. B/--wider¬
willig bei Schleswig-Holstein, so gliche sich das theilweise damit aus, daß mit
den nördlichen Strichen dort angesiedelte Deutsche oder Deutschgesinnte (denen Am¬
nestie, freie Bewegung und Auswanderungsrecht zu stipuliren wären) an Däne¬
mark gelangten, und im Uebrigen spräche dafür das Recht der Eroberung,
welches auf diese Weise immer noch mit Mäßigung ausgeübt würde.

Geben wir uns aber keinen Illusionen hin. So wie im Vorigen an¬
genommen wurde,'haben sich die Dinge noch nicht gestaltet, und daß man die Frage
der Theilung Schleswigs den Schleswig-Holsteincrn zur Entscheidung überlassen
wird, ist. obwohl die letzten Monate in der Sache der Herzogthümer mancherlei
überraschende Wendungen gebracht haben, kaum zu erwarten, und zwar schon
deshalb nicht, weil Oestreich, so angenehm ihm auch ein nur halbdeutscher
Staat hier oben sein könnte, das Selbstbestimmungrecht der Völker nicht an¬
erkennen wird, und weil es andrerseits den Frieden zu sehnlich herbeiwünscht,
um für" das ungeschmälerte Recht des Herzogs Friedrich einen Krieg zu führen,
der wahrscheinlich ein allgemeiner werden würde.

Niemand kann diese Situation mehr beklagen als wir. Aber nehme man
die Dinge wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. Der Krieg ist bis jetzt ein
Cabinetskrieg gewesen, kein Volkskrieg, oder dies doch nur insoweit, als die
beiden deutschen Großmächte ihn nicht unternommen hätten, wenn sie nicht
durch die tiefe Aufregung der Nation dazu gedrängt worden wären. Nur ein
Volkskrieg aber, womit wir selbstverständlich keinen Freischaarenlärm meinen,
nur ein Krieg, der von vornherein für das volle Recht und Interesse und
wie mit der vollen Beistimmung so auch mit der vollen Kraft der gesammten


su> in einem Staate Schleswig-Holstein zu tragen hätten, wahrscheinlich be¬
deutend geringer sein würde, als in Dänemark mit seinen durch den Krieg
angeschwollenen Staatsschulden, seinen wenigen Domänen und seiner Gro߬
mannssucht, die ihm auch ferner eine kostspielige Flotte zu halten gebieten
wird. Endlich würde eine geschickte Aufklärung über die friedlichen Beziehungen
des deutschen Bundes zu dem Padischah in Stambul und die friedfertige Natur
dieser Staatcngruppe überhaupt nicht übel angebracht sein.

Nach solcher Vorbereitung würde es nicht wahrscheinlich, wenn auch immerhin
noch möglich sein, daß die Nordschleswiger. wenn man ihnen das Selbstbestim¬
mungsrecht zugestünde, in ihrer Majorität sich nicht von ihrem Vortheil, sondern
von ihren politischen Sympathien mit Dänemark und ihrer Scheu vor den Türken¬
kriegen des deutschen Bundes leiten ließen, und daß sie demzufolge bei der Frage:
ob sckleswig-holsteinisch und deutsch oder dänisch? sich für die letztere Alter¬
native entschieden. Dann würde man sie ungern zwar, aber der Billigkeit ge¬
mäss, soweit das von ihnen bewohnte Land nicht von besonderem Werth für
Schleswig-Holstein und Deutschland wäre, abtrennen müssen. Blieben bei die¬
ser Theilung einige südlichere Striche — Sundewitt und Alsen z. B/—wider¬
willig bei Schleswig-Holstein, so gliche sich das theilweise damit aus, daß mit
den nördlichen Strichen dort angesiedelte Deutsche oder Deutschgesinnte (denen Am¬
nestie, freie Bewegung und Auswanderungsrecht zu stipuliren wären) an Däne¬
mark gelangten, und im Uebrigen spräche dafür das Recht der Eroberung,
welches auf diese Weise immer noch mit Mäßigung ausgeübt würde.

Geben wir uns aber keinen Illusionen hin. So wie im Vorigen an¬
genommen wurde,'haben sich die Dinge noch nicht gestaltet, und daß man die Frage
der Theilung Schleswigs den Schleswig-Holsteincrn zur Entscheidung überlassen
wird, ist. obwohl die letzten Monate in der Sache der Herzogthümer mancherlei
überraschende Wendungen gebracht haben, kaum zu erwarten, und zwar schon
deshalb nicht, weil Oestreich, so angenehm ihm auch ein nur halbdeutscher
Staat hier oben sein könnte, das Selbstbestimmungrecht der Völker nicht an¬
erkennen wird, und weil es andrerseits den Frieden zu sehnlich herbeiwünscht,
um für" das ungeschmälerte Recht des Herzogs Friedrich einen Krieg zu führen,
der wahrscheinlich ein allgemeiner werden würde.

Niemand kann diese Situation mehr beklagen als wir. Aber nehme man
die Dinge wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. Der Krieg ist bis jetzt ein
Cabinetskrieg gewesen, kein Volkskrieg, oder dies doch nur insoweit, als die
beiden deutschen Großmächte ihn nicht unternommen hätten, wenn sie nicht
durch die tiefe Aufregung der Nation dazu gedrängt worden wären. Nur ein
Volkskrieg aber, womit wir selbstverständlich keinen Freischaarenlärm meinen,
nur ein Krieg, der von vornherein für das volle Recht und Interesse und
wie mit der vollen Beistimmung so auch mit der vollen Kraft der gesammten


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[0518] su> in einem Staate Schleswig-Holstein zu tragen hätten, wahrscheinlich be¬ deutend geringer sein würde, als in Dänemark mit seinen durch den Krieg angeschwollenen Staatsschulden, seinen wenigen Domänen und seiner Gro߬ mannssucht, die ihm auch ferner eine kostspielige Flotte zu halten gebieten wird. Endlich würde eine geschickte Aufklärung über die friedlichen Beziehungen des deutschen Bundes zu dem Padischah in Stambul und die friedfertige Natur dieser Staatcngruppe überhaupt nicht übel angebracht sein. Nach solcher Vorbereitung würde es nicht wahrscheinlich, wenn auch immerhin noch möglich sein, daß die Nordschleswiger. wenn man ihnen das Selbstbestim¬ mungsrecht zugestünde, in ihrer Majorität sich nicht von ihrem Vortheil, sondern von ihren politischen Sympathien mit Dänemark und ihrer Scheu vor den Türken¬ kriegen des deutschen Bundes leiten ließen, und daß sie demzufolge bei der Frage: ob sckleswig-holsteinisch und deutsch oder dänisch? sich für die letztere Alter¬ native entschieden. Dann würde man sie ungern zwar, aber der Billigkeit ge¬ mäss, soweit das von ihnen bewohnte Land nicht von besonderem Werth für Schleswig-Holstein und Deutschland wäre, abtrennen müssen. Blieben bei die¬ ser Theilung einige südlichere Striche — Sundewitt und Alsen z. B/—wider¬ willig bei Schleswig-Holstein, so gliche sich das theilweise damit aus, daß mit den nördlichen Strichen dort angesiedelte Deutsche oder Deutschgesinnte (denen Am¬ nestie, freie Bewegung und Auswanderungsrecht zu stipuliren wären) an Däne¬ mark gelangten, und im Uebrigen spräche dafür das Recht der Eroberung, welches auf diese Weise immer noch mit Mäßigung ausgeübt würde. Geben wir uns aber keinen Illusionen hin. So wie im Vorigen an¬ genommen wurde,'haben sich die Dinge noch nicht gestaltet, und daß man die Frage der Theilung Schleswigs den Schleswig-Holsteincrn zur Entscheidung überlassen wird, ist. obwohl die letzten Monate in der Sache der Herzogthümer mancherlei überraschende Wendungen gebracht haben, kaum zu erwarten, und zwar schon deshalb nicht, weil Oestreich, so angenehm ihm auch ein nur halbdeutscher Staat hier oben sein könnte, das Selbstbestimmungrecht der Völker nicht an¬ erkennen wird, und weil es andrerseits den Frieden zu sehnlich herbeiwünscht, um für" das ungeschmälerte Recht des Herzogs Friedrich einen Krieg zu führen, der wahrscheinlich ein allgemeiner werden würde. Niemand kann diese Situation mehr beklagen als wir. Aber nehme man die Dinge wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. Der Krieg ist bis jetzt ein Cabinetskrieg gewesen, kein Volkskrieg, oder dies doch nur insoweit, als die beiden deutschen Großmächte ihn nicht unternommen hätten, wenn sie nicht durch die tiefe Aufregung der Nation dazu gedrängt worden wären. Nur ein Volkskrieg aber, womit wir selbstverständlich keinen Freischaarenlärm meinen, nur ein Krieg, der von vornherein für das volle Recht und Interesse und wie mit der vollen Beistimmung so auch mit der vollen Kraft der gesammten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/518>, abgerufen am 23.07.2024.