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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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bracht und die Hauptschlacht geschlagen*) nicht dem Besiegten und ebensowenig
den Neutralen steht es zu, die Friedensbedingungen zu sanctionircn.

Daß Opportunitätsgründe vorhanden sind, die davon absehen lassen könn¬
ten, und wie weit diese Gründe die Deutschen bestimmen dürften, Nechtsopfer
zu bringen, soll später zu zeigen versucht werden. Für jetzt nehmen wir einmal
den Fall an, die jetzige Conferenz oben eine spätere Vereinbarung gelangte
dahin, den Nechtsstandpunkt zu adoptiren und die Schleswig-Holsteiner selbst
hätten zu entscheiden, ob eine Abtretung zulässig sei -- wie sollte und wie
würde aller Wahrscheinlichkeit nach ihr Spruch lauten?

Die Schleswig-Holsteiner wollen -- das ist das A und O des Streites,
mindestens die Cardinalfrage -- einen deutschen Staat bilden. Der Krieg
ist, gleichviel, ob dies von dem wiener Cabinet anerkannt worden, wo nicht
in erster, sicher doch in zweiter Linie ein Krieg für das Recht der Nationa¬
lität 'gewesen, das Nationalitätsprincip wird also auch bei dem Friedens¬
schluß eine hervorragende Rolle zu spielen haben. Das Recht des Herzogs
gewann ferner einen mächtigen Bundesgenossen und verdoppelte Bedeutung
dadurch, daß ihm der unzweideutige Wille des Volkes im Süden der Herzog¬
tümer zur Seite stand. Es wäre ohne diesen Willen ein Recht wie das
Recht der Bourbonen in Neapel, der Habsburger in Toscana gewesen, und
so wird auch der Wille der plattdänisch redenden Nordschleswiger zu berücksichtigen
sein. Wie man selbst nicht in einen dänischen Staat gezwungen sein wollte, so
darf man, wenn man gerecht sein will, auch nicht wieder wie die Advocatcn-
politik von 1848 verlangen, daß Dänen ungefragt sich in einen deutschen
Staat einfügen lassen sollen, wofern dies nicht ein ganz unabweisbares Be^
dürfniß erfordert. Endlich mag auch, versteht sich wieder nur, soweit die
Interessen des Landes und ganz Deutschlands nicht dawider sprechen, dem bis¬
herigen Feinde und zukünftigen Nachbar gegenüber Billigkeit zu üben schön
sein, so wenig auch die Dänen bis jetzt verdient haben, daß man nach Rück¬
sichten der Billigkeit mit ihnen verfährt.

In den vorhergehenden beiden Abschnitten unserer Erörterung fanden wir:
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') Wir glauben noch nicht, daß man dies an gewisser Stelle schon vergessen hat und das
Schiff des Herzogs bereits in östreichisches Fahrwasser und in die mittelstaatliche "Selbstän¬
digkeit" hineinzulaviren vor hat, wie ein Theil der Presse anzunehmen scheint. Wäre dem
aber wirklich so, dann möge man sich von der flensburgcr "Norddeutschen Zeitung", beiläufig
dem besten Blatte der Herzogthümer, gesagt sein lassen, daß es im Schleswig-holsteinischen Bolle
eine Partei (wir fügen hinzu, eine starke und die tüchtigsten Köpfe, die uneigennützigsten
Patrioten umfassende Partei) giebt, welche glaubt, daß "das wirklich- und wohlver¬
standene Interesse sah l cswig-Holsteins und ganz D eutschlandS dahin führen
muß. den festen Anschluß der Herzogthümer an Preußen für jetzt und für alle
Zukunft zu dem ersten Postulat unsrer politischen Vernunft zu machen."
D. Red.
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bracht und die Hauptschlacht geschlagen*) nicht dem Besiegten und ebensowenig
den Neutralen steht es zu, die Friedensbedingungen zu sanctionircn.

Daß Opportunitätsgründe vorhanden sind, die davon absehen lassen könn¬
ten, und wie weit diese Gründe die Deutschen bestimmen dürften, Nechtsopfer
zu bringen, soll später zu zeigen versucht werden. Für jetzt nehmen wir einmal
den Fall an, die jetzige Conferenz oben eine spätere Vereinbarung gelangte
dahin, den Nechtsstandpunkt zu adoptiren und die Schleswig-Holsteiner selbst
hätten zu entscheiden, ob eine Abtretung zulässig sei — wie sollte und wie
würde aller Wahrscheinlichkeit nach ihr Spruch lauten?

Die Schleswig-Holsteiner wollen — das ist das A und O des Streites,
mindestens die Cardinalfrage — einen deutschen Staat bilden. Der Krieg
ist, gleichviel, ob dies von dem wiener Cabinet anerkannt worden, wo nicht
in erster, sicher doch in zweiter Linie ein Krieg für das Recht der Nationa¬
lität 'gewesen, das Nationalitätsprincip wird also auch bei dem Friedens¬
schluß eine hervorragende Rolle zu spielen haben. Das Recht des Herzogs
gewann ferner einen mächtigen Bundesgenossen und verdoppelte Bedeutung
dadurch, daß ihm der unzweideutige Wille des Volkes im Süden der Herzog¬
tümer zur Seite stand. Es wäre ohne diesen Willen ein Recht wie das
Recht der Bourbonen in Neapel, der Habsburger in Toscana gewesen, und
so wird auch der Wille der plattdänisch redenden Nordschleswiger zu berücksichtigen
sein. Wie man selbst nicht in einen dänischen Staat gezwungen sein wollte, so
darf man, wenn man gerecht sein will, auch nicht wieder wie die Advocatcn-
politik von 1848 verlangen, daß Dänen ungefragt sich in einen deutschen
Staat einfügen lassen sollen, wofern dies nicht ein ganz unabweisbares Be^
dürfniß erfordert. Endlich mag auch, versteht sich wieder nur, soweit die
Interessen des Landes und ganz Deutschlands nicht dawider sprechen, dem bis¬
herigen Feinde und zukünftigen Nachbar gegenüber Billigkeit zu üben schön
sein, so wenig auch die Dänen bis jetzt verdient haben, daß man nach Rück¬
sichten der Billigkeit mit ihnen verfährt.

In den vorhergehenden beiden Abschnitten unserer Erörterung fanden wir:
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') Wir glauben noch nicht, daß man dies an gewisser Stelle schon vergessen hat und das
Schiff des Herzogs bereits in östreichisches Fahrwasser und in die mittelstaatliche „Selbstän¬
digkeit" hineinzulaviren vor hat, wie ein Theil der Presse anzunehmen scheint. Wäre dem
aber wirklich so, dann möge man sich von der flensburgcr „Norddeutschen Zeitung", beiläufig
dem besten Blatte der Herzogthümer, gesagt sein lassen, daß es im Schleswig-holsteinischen Bolle
eine Partei (wir fügen hinzu, eine starke und die tüchtigsten Köpfe, die uneigennützigsten
Patrioten umfassende Partei) giebt, welche glaubt, daß „das wirklich- und wohlver¬
standene Interesse sah l cswig-Holsteins und ganz D eutschlandS dahin führen
muß. den festen Anschluß der Herzogthümer an Preußen für jetzt und für alle
Zukunft zu dem ersten Postulat unsrer politischen Vernunft zu machen."
D. Red.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/515>, abgerufen am 23.07.2024.