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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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2. und 3. Juni vollzogenen Neuwahlen zum Deputirtencvllegium (Stadtver¬
ordneten) bezeichnend. Bon den Gewählten gehören 13 der deutschen, 9 der
dänischen, 2 keiner Partei an. Daß die landesfeindliche Fraction so viele ihrer
Kandidaten durchsetzte, und daß selbst Deutschgcborne mit ihr stimmen konnten, wird
nicht wundern, wen" man bedenkt, daß Flensburg vorwiegend Handelsstadt ist,
und daß in Handelsstädten >n der Regel politische Meinungen häufiger als
anderwärts-vor dem Geldinteresse die Segel streichen. Man hat mit Dänemark
gute Geschäfte gemacht, und man fürchtet, daß eine Lostrennung von diesem
den Einnahmen der Comptvirkasse gefährlich werde" wird. Dazu kommt der
von diesen vornehmeren Politikern abhängige, auf deren Worte schwörende nie¬
dere Theil der Bevölkerung und ferner die nicht unbedeutende Zahl der ge¬
borenen Dänen. Endlich aber tritt dazu die Furcht der Schwankenden, daß
die Dänen nicht für immer die Herzogtümer, mindestens nicht für immer den
Norden geräumt haben möchten, und daß infolge dessen die von König Chri¬
stian angedrohte Rache eintreten könnte.

Aehnlich steht es in den übrigen Städten Mittel- und Nordschleswigs in
diesem Augenblick, Tondern, welches sich eifrig deutsch geäußert hat, und Svn-
derburg ausgenommen, welches ebenso eifrig für Dänemark ist. Auch in
Apenrade sind viele Dänischgesinnte und vielleicht noch mehr Furchtsame, und
in Hadersleben, wo jetzt eine recht gutgeschriebene dänische Zeitung, die von
Dr. Jansen redigirte "Nordsiesvigsk Tldende" für das Schleswig-holsteinische
Recht Anhänger wirbt, und wo sich in diesen Tage" eine Boltsversamm-
iung für das Ausscheiden auch Nvrdschleswigs aus dem Bcrvande mit Däne¬
mark ausgesprochen hat, giebt es ebenfalls eine nicht kleine Minorität,
welche den Wunsch hegt, daß es beim Bisherigen bleibe. Und waS sich
auf dem Lande überhaupt rührt, ist gleichermaßen der Mehrzahl nach dänisch
gesinnt. Wer anders denkt, lebt meist in der Befürchtung, daß Schleswig,
wenigstens der Norden, wiederum von Deutschland im Stich gelassen werden
wird, und schweigt deshalb. Doch fanden sich Beispiele -von mehr Energie und
Entschlossenheit. Im Amte Tondern wurde die für die Eonferenz bestimmte
Nechtsverwahrung der Schleswiger mit 7000 Unterschriften bedeckt. In Nord-
hackstedt in der Wiesharde betheiligte man sich stark sowohl an der großen
Schleswiger-Deputation wie an der freiwilligen Anleihe. In Lygumtloster ver¬
langte man mit bedeutender Stimmenmehrheit deutschen Schulunterricht. Im
Allgemeinen aber gilt vo" dem Landvolk, was oben bemerkt wurde: Die
große Menge ist gleichgiltig, die Mehrheit der zu dem Schleswig-holsteinischen
Programm Hinneigenden scheut sich, ihre Meinung zu gestehen und geltend zu
machen, die Landesteil, Kühnsten und Rührigste" halten es mit Dänemark.

Und jetzt können wir, das Gesagte zusammenfassend, den Bersuch machen
die Fragte zu beantworten, ob die Nordschleswiger Dänen sein wollen oder mit


2. und 3. Juni vollzogenen Neuwahlen zum Deputirtencvllegium (Stadtver¬
ordneten) bezeichnend. Bon den Gewählten gehören 13 der deutschen, 9 der
dänischen, 2 keiner Partei an. Daß die landesfeindliche Fraction so viele ihrer
Kandidaten durchsetzte, und daß selbst Deutschgcborne mit ihr stimmen konnten, wird
nicht wundern, wen» man bedenkt, daß Flensburg vorwiegend Handelsstadt ist,
und daß in Handelsstädten >n der Regel politische Meinungen häufiger als
anderwärts-vor dem Geldinteresse die Segel streichen. Man hat mit Dänemark
gute Geschäfte gemacht, und man fürchtet, daß eine Lostrennung von diesem
den Einnahmen der Comptvirkasse gefährlich werde» wird. Dazu kommt der
von diesen vornehmeren Politikern abhängige, auf deren Worte schwörende nie¬
dere Theil der Bevölkerung und ferner die nicht unbedeutende Zahl der ge¬
borenen Dänen. Endlich aber tritt dazu die Furcht der Schwankenden, daß
die Dänen nicht für immer die Herzogtümer, mindestens nicht für immer den
Norden geräumt haben möchten, und daß infolge dessen die von König Chri¬
stian angedrohte Rache eintreten könnte.

Aehnlich steht es in den übrigen Städten Mittel- und Nordschleswigs in
diesem Augenblick, Tondern, welches sich eifrig deutsch geäußert hat, und Svn-
derburg ausgenommen, welches ebenso eifrig für Dänemark ist. Auch in
Apenrade sind viele Dänischgesinnte und vielleicht noch mehr Furchtsame, und
in Hadersleben, wo jetzt eine recht gutgeschriebene dänische Zeitung, die von
Dr. Jansen redigirte „Nordsiesvigsk Tldende" für das Schleswig-holsteinische
Recht Anhänger wirbt, und wo sich in diesen Tage» eine Boltsversamm-
iung für das Ausscheiden auch Nvrdschleswigs aus dem Bcrvande mit Däne¬
mark ausgesprochen hat, giebt es ebenfalls eine nicht kleine Minorität,
welche den Wunsch hegt, daß es beim Bisherigen bleibe. Und waS sich
auf dem Lande überhaupt rührt, ist gleichermaßen der Mehrzahl nach dänisch
gesinnt. Wer anders denkt, lebt meist in der Befürchtung, daß Schleswig,
wenigstens der Norden, wiederum von Deutschland im Stich gelassen werden
wird, und schweigt deshalb. Doch fanden sich Beispiele -von mehr Energie und
Entschlossenheit. Im Amte Tondern wurde die für die Eonferenz bestimmte
Nechtsverwahrung der Schleswiger mit 7000 Unterschriften bedeckt. In Nord-
hackstedt in der Wiesharde betheiligte man sich stark sowohl an der großen
Schleswiger-Deputation wie an der freiwilligen Anleihe. In Lygumtloster ver¬
langte man mit bedeutender Stimmenmehrheit deutschen Schulunterricht. Im
Allgemeinen aber gilt vo» dem Landvolk, was oben bemerkt wurde: Die
große Menge ist gleichgiltig, die Mehrheit der zu dem Schleswig-holsteinischen
Programm Hinneigenden scheut sich, ihre Meinung zu gestehen und geltend zu
machen, die Landesteil, Kühnsten und Rührigste» halten es mit Dänemark.

Und jetzt können wir, das Gesagte zusammenfassend, den Bersuch machen
die Fragte zu beantworten, ob die Nordschleswiger Dänen sein wollen oder mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/478>, abgerufen am 23.07.2024.