Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

daß sie den Stamm des Kreuzes bilden. In der Crempermarsch hat das Haus
die Einfahrt an der Rückseite und vorn heraus nur eine kleine Thür. In
Ditmarschen cndlick sind die Wohnhäuser verschieden, solgen ab.er doch dem
sächsischen Grundtypus, indem sie Wohnung und Ställe mit seltnen Ausnahmen
unter demselben Dache enthalten, und nur dxmn abweichen, daß sie in drei
besondere Räume, sür Wohnung. Stall und Scheune zerfallen, und daß jede
dieser Abtheilungen ihren eigenen Eingang hat.

Das Haus des Anglers unterscheidet sich von dem des Sachsen. seines
südlichen Nachbars, in verschiedenen Stücken. Es kehrt, wenn irgend möglrch
die Front dem Süden zu. Es hat ferner niemals die Pferdeköpfe und stets
Schornsteine, und die Einfahrt befindet sich nicht auf der schmalen, sondern in
der Mitte der breiten Seite. Das Ganze zerfällt dadurch in eine östliche und
eine westliche Hälfte. In jener wohnt der Bauer, in dieser steht rechts und
links von der Tenne, die hier "Lob" heißt, sein Vieh. Die Wandbetten mit
ihren Thüren oder Schiebern, die Bezeichnungen der Hauptgcmächer. das Stroh-
dach, die großen, bunten, mit Messing- oder Eisenblumen beschlagenen Wäsch-
und Klndertruhen sind dieselben wie in Holstein. Die älteren Häuser bestehen
aus Fachwelt, das mit Ziegeln ausgefüllt ist. Die neueren, durchgehend"
massiv gebaut, aber wie jene niemals mehr als ein Erdgeschoß besitzend, gleichen,
wenn man von der Strohbedachung absieht, oft kleinen Edelhöfen. Ein solches
Gehöft ist ein nach der Straße zu offenes Viereck, dessen Hintergrund das Wohn¬
gebäude einnimmt, während Stall und Scheune die beiden andern Seiten bilden.
Das Mauerwerk besteht aus gelbgrauen oder rothen Ziegeln mit weißen Fugen.
Zu der grün oder dunkelgelb angestrichenen Thür führen meist einige steinerne Stufen
hinauf. Hohe breite Fenster mit vielen kleinen Scheiben und weiß und grün
gemalten Rahmen nehmen einen großen Theil der Vorderwand ein. über deren
Mitte sich zuweilen ein verzierter Giebel erhebt, und ^vor der gewöhnlich eine
lebendige Kolonnade verschnittener Linden steht. Die Seitenwände tragen fast
überall den landesüblichen Schmuck von Eisenklammern in der Form von Jahres¬
zahlen. Buchstaben oder Lilien. Im Innern giebt es eine durch die Hausflur
geschiedene Flucht verschiedener in der Regel sehr geräumiger Gemächer, unter
denen eine Art Salon nicht fehlen darf, welcher "Saal" heißt, nach hinten
hinaus liegt und mit Modehausrath von Mahagoni, wo möglich auch mit
einem Piano ausgestattet sein muß.

Die Edelhofe Angelus sind fast durchgehend^ von anspruchslosen Aeußern.
Man begegnet einigen ungewöhnlich großen Gütern, z. B. Rundhof und der
Baronie Gailing, aber keinem eigentlichen Schlosse, wie in Holstein und Süd-
schleswig. Ein freundliches, meist nur aus einem erhöhten Parterre bestehendes
Wohnhaus, nebst den nöthigen Wirthschaftsgebäuden, umgeben von einem
Graben, den alte Eschen oder Ulmen beschatten, ist in der Regel alles, was zu


daß sie den Stamm des Kreuzes bilden. In der Crempermarsch hat das Haus
die Einfahrt an der Rückseite und vorn heraus nur eine kleine Thür. In
Ditmarschen cndlick sind die Wohnhäuser verschieden, solgen ab.er doch dem
sächsischen Grundtypus, indem sie Wohnung und Ställe mit seltnen Ausnahmen
unter demselben Dache enthalten, und nur dxmn abweichen, daß sie in drei
besondere Räume, sür Wohnung. Stall und Scheune zerfallen, und daß jede
dieser Abtheilungen ihren eigenen Eingang hat.

Das Haus des Anglers unterscheidet sich von dem des Sachsen. seines
südlichen Nachbars, in verschiedenen Stücken. Es kehrt, wenn irgend möglrch
die Front dem Süden zu. Es hat ferner niemals die Pferdeköpfe und stets
Schornsteine, und die Einfahrt befindet sich nicht auf der schmalen, sondern in
der Mitte der breiten Seite. Das Ganze zerfällt dadurch in eine östliche und
eine westliche Hälfte. In jener wohnt der Bauer, in dieser steht rechts und
links von der Tenne, die hier „Lob" heißt, sein Vieh. Die Wandbetten mit
ihren Thüren oder Schiebern, die Bezeichnungen der Hauptgcmächer. das Stroh-
dach, die großen, bunten, mit Messing- oder Eisenblumen beschlagenen Wäsch-
und Klndertruhen sind dieselben wie in Holstein. Die älteren Häuser bestehen
aus Fachwelt, das mit Ziegeln ausgefüllt ist. Die neueren, durchgehend«
massiv gebaut, aber wie jene niemals mehr als ein Erdgeschoß besitzend, gleichen,
wenn man von der Strohbedachung absieht, oft kleinen Edelhöfen. Ein solches
Gehöft ist ein nach der Straße zu offenes Viereck, dessen Hintergrund das Wohn¬
gebäude einnimmt, während Stall und Scheune die beiden andern Seiten bilden.
Das Mauerwerk besteht aus gelbgrauen oder rothen Ziegeln mit weißen Fugen.
Zu der grün oder dunkelgelb angestrichenen Thür führen meist einige steinerne Stufen
hinauf. Hohe breite Fenster mit vielen kleinen Scheiben und weiß und grün
gemalten Rahmen nehmen einen großen Theil der Vorderwand ein. über deren
Mitte sich zuweilen ein verzierter Giebel erhebt, und ^vor der gewöhnlich eine
lebendige Kolonnade verschnittener Linden steht. Die Seitenwände tragen fast
überall den landesüblichen Schmuck von Eisenklammern in der Form von Jahres¬
zahlen. Buchstaben oder Lilien. Im Innern giebt es eine durch die Hausflur
geschiedene Flucht verschiedener in der Regel sehr geräumiger Gemächer, unter
denen eine Art Salon nicht fehlen darf, welcher „Saal" heißt, nach hinten
hinaus liegt und mit Modehausrath von Mahagoni, wo möglich auch mit
einem Piano ausgestattet sein muß.

Die Edelhofe Angelus sind fast durchgehend^ von anspruchslosen Aeußern.
Man begegnet einigen ungewöhnlich großen Gütern, z. B. Rundhof und der
Baronie Gailing, aber keinem eigentlichen Schlosse, wie in Holstein und Süd-
schleswig. Ein freundliches, meist nur aus einem erhöhten Parterre bestehendes
Wohnhaus, nebst den nöthigen Wirthschaftsgebäuden, umgeben von einem
Graben, den alte Eschen oder Ulmen beschatten, ist in der Regel alles, was zu


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188608"/>
          <p xml:id="ID_124" prev="#ID_123"> daß sie den Stamm des Kreuzes bilden. In der Crempermarsch hat das Haus<lb/>
die Einfahrt an der Rückseite und vorn heraus nur eine kleine Thür. In<lb/>
Ditmarschen cndlick sind die Wohnhäuser verschieden, solgen ab.er doch dem<lb/>
sächsischen Grundtypus, indem sie Wohnung und Ställe mit seltnen Ausnahmen<lb/>
unter demselben Dache enthalten, und nur dxmn abweichen, daß sie in drei<lb/>
besondere Räume, sür Wohnung. Stall und Scheune zerfallen, und daß jede<lb/>
dieser Abtheilungen ihren eigenen Eingang hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_125"> Das Haus des Anglers unterscheidet sich von dem des Sachsen. seines<lb/>
südlichen Nachbars, in verschiedenen Stücken. Es kehrt, wenn irgend möglrch<lb/>
die Front dem Süden zu. Es hat ferner niemals die Pferdeköpfe und stets<lb/>
Schornsteine, und die Einfahrt befindet sich nicht auf der schmalen, sondern in<lb/>
der Mitte der breiten Seite. Das Ganze zerfällt dadurch in eine östliche und<lb/>
eine westliche Hälfte. In jener wohnt der Bauer, in dieser steht rechts und<lb/>
links von der Tenne, die hier &#x201E;Lob" heißt, sein Vieh. Die Wandbetten mit<lb/>
ihren Thüren oder Schiebern, die Bezeichnungen der Hauptgcmächer. das Stroh-<lb/>
dach, die großen, bunten, mit Messing- oder Eisenblumen beschlagenen Wäsch-<lb/>
und Klndertruhen sind dieselben wie in Holstein. Die älteren Häuser bestehen<lb/>
aus Fachwelt, das mit Ziegeln ausgefüllt ist. Die neueren, durchgehend«<lb/>
massiv gebaut, aber wie jene niemals mehr als ein Erdgeschoß besitzend, gleichen,<lb/>
wenn man von der Strohbedachung absieht, oft kleinen Edelhöfen. Ein solches<lb/>
Gehöft ist ein nach der Straße zu offenes Viereck, dessen Hintergrund das Wohn¬<lb/>
gebäude einnimmt, während Stall und Scheune die beiden andern Seiten bilden.<lb/>
Das Mauerwerk besteht aus gelbgrauen oder rothen Ziegeln mit weißen Fugen.<lb/>
Zu der grün oder dunkelgelb angestrichenen Thür führen meist einige steinerne Stufen<lb/>
hinauf. Hohe breite Fenster mit vielen kleinen Scheiben und weiß und grün<lb/>
gemalten Rahmen nehmen einen großen Theil der Vorderwand ein. über deren<lb/>
Mitte sich zuweilen ein verzierter Giebel erhebt, und ^vor der gewöhnlich eine<lb/>
lebendige Kolonnade verschnittener Linden steht. Die Seitenwände tragen fast<lb/>
überall den landesüblichen Schmuck von Eisenklammern in der Form von Jahres¬<lb/>
zahlen. Buchstaben oder Lilien. Im Innern giebt es eine durch die Hausflur<lb/>
geschiedene Flucht verschiedener in der Regel sehr geräumiger Gemächer, unter<lb/>
denen eine Art Salon nicht fehlen darf, welcher &#x201E;Saal" heißt, nach hinten<lb/>
hinaus liegt und mit Modehausrath von Mahagoni, wo möglich auch mit<lb/>
einem Piano ausgestattet sein muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_126" next="#ID_127"> Die Edelhofe Angelus sind fast durchgehend^ von anspruchslosen Aeußern.<lb/>
Man begegnet einigen ungewöhnlich großen Gütern, z. B. Rundhof und der<lb/>
Baronie Gailing, aber keinem eigentlichen Schlosse, wie in Holstein und Süd-<lb/>
schleswig. Ein freundliches, meist nur aus einem erhöhten Parterre bestehendes<lb/>
Wohnhaus, nebst den nöthigen Wirthschaftsgebäuden, umgeben von einem<lb/>
Graben, den alte Eschen oder Ulmen beschatten, ist in der Regel alles, was zu</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0047] daß sie den Stamm des Kreuzes bilden. In der Crempermarsch hat das Haus die Einfahrt an der Rückseite und vorn heraus nur eine kleine Thür. In Ditmarschen cndlick sind die Wohnhäuser verschieden, solgen ab.er doch dem sächsischen Grundtypus, indem sie Wohnung und Ställe mit seltnen Ausnahmen unter demselben Dache enthalten, und nur dxmn abweichen, daß sie in drei besondere Räume, sür Wohnung. Stall und Scheune zerfallen, und daß jede dieser Abtheilungen ihren eigenen Eingang hat. Das Haus des Anglers unterscheidet sich von dem des Sachsen. seines südlichen Nachbars, in verschiedenen Stücken. Es kehrt, wenn irgend möglrch die Front dem Süden zu. Es hat ferner niemals die Pferdeköpfe und stets Schornsteine, und die Einfahrt befindet sich nicht auf der schmalen, sondern in der Mitte der breiten Seite. Das Ganze zerfällt dadurch in eine östliche und eine westliche Hälfte. In jener wohnt der Bauer, in dieser steht rechts und links von der Tenne, die hier „Lob" heißt, sein Vieh. Die Wandbetten mit ihren Thüren oder Schiebern, die Bezeichnungen der Hauptgcmächer. das Stroh- dach, die großen, bunten, mit Messing- oder Eisenblumen beschlagenen Wäsch- und Klndertruhen sind dieselben wie in Holstein. Die älteren Häuser bestehen aus Fachwelt, das mit Ziegeln ausgefüllt ist. Die neueren, durchgehend« massiv gebaut, aber wie jene niemals mehr als ein Erdgeschoß besitzend, gleichen, wenn man von der Strohbedachung absieht, oft kleinen Edelhöfen. Ein solches Gehöft ist ein nach der Straße zu offenes Viereck, dessen Hintergrund das Wohn¬ gebäude einnimmt, während Stall und Scheune die beiden andern Seiten bilden. Das Mauerwerk besteht aus gelbgrauen oder rothen Ziegeln mit weißen Fugen. Zu der grün oder dunkelgelb angestrichenen Thür führen meist einige steinerne Stufen hinauf. Hohe breite Fenster mit vielen kleinen Scheiben und weiß und grün gemalten Rahmen nehmen einen großen Theil der Vorderwand ein. über deren Mitte sich zuweilen ein verzierter Giebel erhebt, und ^vor der gewöhnlich eine lebendige Kolonnade verschnittener Linden steht. Die Seitenwände tragen fast überall den landesüblichen Schmuck von Eisenklammern in der Form von Jahres¬ zahlen. Buchstaben oder Lilien. Im Innern giebt es eine durch die Hausflur geschiedene Flucht verschiedener in der Regel sehr geräumiger Gemächer, unter denen eine Art Salon nicht fehlen darf, welcher „Saal" heißt, nach hinten hinaus liegt und mit Modehausrath von Mahagoni, wo möglich auch mit einem Piano ausgestattet sein muß. Die Edelhofe Angelus sind fast durchgehend^ von anspruchslosen Aeußern. Man begegnet einigen ungewöhnlich großen Gütern, z. B. Rundhof und der Baronie Gailing, aber keinem eigentlichen Schlosse, wie in Holstein und Süd- schleswig. Ein freundliches, meist nur aus einem erhöhten Parterre bestehendes Wohnhaus, nebst den nöthigen Wirthschaftsgebäuden, umgeben von einem Graben, den alte Eschen oder Ulmen beschatten, ist in der Regel alles, was zu

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/47
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/47>, abgerufen am 23.07.2024.