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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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gewußt, daß er die Kugel in einen festen Papprahmen (Spiegel) gesetzt hat,
welcher die Führung in den Zügen übernimmt, und daß er das Langblei, eme
Kugel in Form einer länglichen Eichel eingeführt hat, welche die Lust besser
durchschneidet als die Spitzkugel, also einen kürzeren, flachern Weg zum Ziele
braucht.

Bis jetzt haben nur die mit Preußen in näherer Beziehung stehenden klei¬
nen deutschen Contingente das Zündnadelgewehr angenommen; die Vorzüge
desselben haben sich aber so bemerklich gemacht, daß man in Frankreich schon
der Ausstellung eines eigenen Modells nach gleichem Princip sehr entschieden
näher getreten ist.

Bei den Geschützen sind, wie schon gesagt, die eingeführten Verbesserungen
noch' nicht so allgemein und durchgreifend zur Geltung gekommen, als bei den
Gewehren. Während bei diesen die Versuche schon zu einem gewissen Abschluß
gekommen sind, ist man aus dem größern Gebiet der Artillerie und bei der Kost-
barkeit ihres Materials kaum über die ersten Schritte des Experimentirens hin-
aus. Nur Preußen hat von vorn herein das Princip als richtig angenommen,
dessen Vorzüge sich bei seinen Gewehren so glänzend documentirt hatten. ES
wurde hierbei begünstigt durch die gleichzeitige Erfindung Krupps in Essen.
Gußstahl in großen Blöcken darzustellen. Bis jetzt hat sich kein Matenal
gefunden, das so vollständig den Ansprüchen der Dauerhaftigkeit für Hinter.
ladungsgeschütze entspricht, wie der Gußstahl. Preußen hat also für die ge°
zogenen Rohre folgendes System angenommen: 1) Als Material bei Neu-
anschaffungen wird Gußstahl verwandt, ebenso wie bei den Gewehren. 2) Dre
Geschütze werden von hinten geladen. 3) Als Verschluß werden, wie ber den
Gewehren, zwei schiefe Flächen gegeneinander geschoben. Dieser Verschluß (der
Keilverschluß) hat sich bis jetzt allein bewährt. Der zuerst angewandte Kolben-
Verschluß, ein in die Seele des Rohrs geschobener Bolzen klemmt sich sehr weht.
4) Das Geschoß bildet eine hohle Spitzkugel, am besten von Gußstahl nut
Bleimantel von etwas größerem Kaliber als dem des Rohrs, so daß der Bler-
mantcl in die vor der Pulverkammer beginnenden Züge getrieben wird und tue
Führung der Kugel übernimmt.

Die Geschosse sind entweder Sprenggeschosse. wo dann das Geschoß am
Ziel zerspringt und in größerm Kreis durch seine Sprengstücke wirkt, oder
Shrapnels. Geschosse, welche neben der Sprengladung Flintenkugeln enthalten
und damit in noch größerem Kreise wirken als mit den schweren Sprengstücken,
oder Brandkugeln, welche neben der Sprengladung einen scharfen Brandsatz
führen, oder Kartätschbüchsen mit sehr dünner Hülle, die nach kurzem Fluge
springen und ihre eisernen Kugeln in einen sehr weiten Kreis senden.

Pulver. Zündung. Lasteten u. f. w. sind die bisherigen. Die bronze¬
nen Festungskanonen sind nach diesem System umgearbeitet. Das preußische


gewußt, daß er die Kugel in einen festen Papprahmen (Spiegel) gesetzt hat,
welcher die Führung in den Zügen übernimmt, und daß er das Langblei, eme
Kugel in Form einer länglichen Eichel eingeführt hat, welche die Lust besser
durchschneidet als die Spitzkugel, also einen kürzeren, flachern Weg zum Ziele
braucht.

Bis jetzt haben nur die mit Preußen in näherer Beziehung stehenden klei¬
nen deutschen Contingente das Zündnadelgewehr angenommen; die Vorzüge
desselben haben sich aber so bemerklich gemacht, daß man in Frankreich schon
der Ausstellung eines eigenen Modells nach gleichem Princip sehr entschieden
näher getreten ist.

Bei den Geschützen sind, wie schon gesagt, die eingeführten Verbesserungen
noch' nicht so allgemein und durchgreifend zur Geltung gekommen, als bei den
Gewehren. Während bei diesen die Versuche schon zu einem gewissen Abschluß
gekommen sind, ist man aus dem größern Gebiet der Artillerie und bei der Kost-
barkeit ihres Materials kaum über die ersten Schritte des Experimentirens hin-
aus. Nur Preußen hat von vorn herein das Princip als richtig angenommen,
dessen Vorzüge sich bei seinen Gewehren so glänzend documentirt hatten. ES
wurde hierbei begünstigt durch die gleichzeitige Erfindung Krupps in Essen.
Gußstahl in großen Blöcken darzustellen. Bis jetzt hat sich kein Matenal
gefunden, das so vollständig den Ansprüchen der Dauerhaftigkeit für Hinter.
ladungsgeschütze entspricht, wie der Gußstahl. Preußen hat also für die ge°
zogenen Rohre folgendes System angenommen: 1) Als Material bei Neu-
anschaffungen wird Gußstahl verwandt, ebenso wie bei den Gewehren. 2) Dre
Geschütze werden von hinten geladen. 3) Als Verschluß werden, wie ber den
Gewehren, zwei schiefe Flächen gegeneinander geschoben. Dieser Verschluß (der
Keilverschluß) hat sich bis jetzt allein bewährt. Der zuerst angewandte Kolben-
Verschluß, ein in die Seele des Rohrs geschobener Bolzen klemmt sich sehr weht.
4) Das Geschoß bildet eine hohle Spitzkugel, am besten von Gußstahl nut
Bleimantel von etwas größerem Kaliber als dem des Rohrs, so daß der Bler-
mantcl in die vor der Pulverkammer beginnenden Züge getrieben wird und tue
Führung der Kugel übernimmt.

Die Geschosse sind entweder Sprenggeschosse. wo dann das Geschoß am
Ziel zerspringt und in größerm Kreis durch seine Sprengstücke wirkt, oder
Shrapnels. Geschosse, welche neben der Sprengladung Flintenkugeln enthalten
und damit in noch größerem Kreise wirken als mit den schweren Sprengstücken,
oder Brandkugeln, welche neben der Sprengladung einen scharfen Brandsatz
führen, oder Kartätschbüchsen mit sehr dünner Hülle, die nach kurzem Fluge
springen und ihre eisernen Kugeln in einen sehr weiten Kreis senden.

Pulver. Zündung. Lasteten u. f. w. sind die bisherigen. Die bronze¬
nen Festungskanonen sind nach diesem System umgearbeitet. Das preußische


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[0043] gewußt, daß er die Kugel in einen festen Papprahmen (Spiegel) gesetzt hat, welcher die Führung in den Zügen übernimmt, und daß er das Langblei, eme Kugel in Form einer länglichen Eichel eingeführt hat, welche die Lust besser durchschneidet als die Spitzkugel, also einen kürzeren, flachern Weg zum Ziele braucht. Bis jetzt haben nur die mit Preußen in näherer Beziehung stehenden klei¬ nen deutschen Contingente das Zündnadelgewehr angenommen; die Vorzüge desselben haben sich aber so bemerklich gemacht, daß man in Frankreich schon der Ausstellung eines eigenen Modells nach gleichem Princip sehr entschieden näher getreten ist. Bei den Geschützen sind, wie schon gesagt, die eingeführten Verbesserungen noch' nicht so allgemein und durchgreifend zur Geltung gekommen, als bei den Gewehren. Während bei diesen die Versuche schon zu einem gewissen Abschluß gekommen sind, ist man aus dem größern Gebiet der Artillerie und bei der Kost- barkeit ihres Materials kaum über die ersten Schritte des Experimentirens hin- aus. Nur Preußen hat von vorn herein das Princip als richtig angenommen, dessen Vorzüge sich bei seinen Gewehren so glänzend documentirt hatten. ES wurde hierbei begünstigt durch die gleichzeitige Erfindung Krupps in Essen. Gußstahl in großen Blöcken darzustellen. Bis jetzt hat sich kein Matenal gefunden, das so vollständig den Ansprüchen der Dauerhaftigkeit für Hinter. ladungsgeschütze entspricht, wie der Gußstahl. Preußen hat also für die ge° zogenen Rohre folgendes System angenommen: 1) Als Material bei Neu- anschaffungen wird Gußstahl verwandt, ebenso wie bei den Gewehren. 2) Dre Geschütze werden von hinten geladen. 3) Als Verschluß werden, wie ber den Gewehren, zwei schiefe Flächen gegeneinander geschoben. Dieser Verschluß (der Keilverschluß) hat sich bis jetzt allein bewährt. Der zuerst angewandte Kolben- Verschluß, ein in die Seele des Rohrs geschobener Bolzen klemmt sich sehr weht. 4) Das Geschoß bildet eine hohle Spitzkugel, am besten von Gußstahl nut Bleimantel von etwas größerem Kaliber als dem des Rohrs, so daß der Bler- mantcl in die vor der Pulverkammer beginnenden Züge getrieben wird und tue Führung der Kugel übernimmt. Die Geschosse sind entweder Sprenggeschosse. wo dann das Geschoß am Ziel zerspringt und in größerm Kreis durch seine Sprengstücke wirkt, oder Shrapnels. Geschosse, welche neben der Sprengladung Flintenkugeln enthalten und damit in noch größerem Kreise wirken als mit den schweren Sprengstücken, oder Brandkugeln, welche neben der Sprengladung einen scharfen Brandsatz führen, oder Kartätschbüchsen mit sehr dünner Hülle, die nach kurzem Fluge springen und ihre eisernen Kugeln in einen sehr weiten Kreis senden. Pulver. Zündung. Lasteten u. f. w. sind die bisherigen. Die bronze¬ nen Festungskanonen sind nach diesem System umgearbeitet. Das preußische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/43>, abgerufen am 23.07.2024.