Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Terrain sollte auf friedlichem und im Ganzen naturgemäßen Wege zurückge-
wonnnen werden. In den letzten Jahrzehnten des Mittelalters begann die
Einwanderung holsteinischer Adeligen, die sich allmächtig zu Herren eines großen
Theils des Grundes und Bodens machten. Andere Deutsche folgten. Deutsches
Recke sing an in den Städten zu gelten. Die Reformation drang ein und mit
ihr zunächst die plattdeutsche, dann die hochdeutsche Sprache auf der Kanzel.
Das Schulwesen fügte sich, als es wirksamer organisirt wurde, ebenfalls in
diese Formen, die bei dem Volte nur gelegentlich und dann nur auf schwachen
Widerstand stießen. Jmmermehr zog sich das Anglerdänisch, das in der letzten Zeit
mit zahlreichen plattdeutschen Vocabcln gemischt war, Vor dem von Süden
kommenden Idiom zurück, und gegenwärtig ist es, wie bemerkt, nur noch im
äußersten Norden, zwischen Adelby. Muntbrarup und Glücksburg Volkssprache.

Die zweite Zone begreift zunächst einen Strich in der Landesmitte in
sich, der sich nördlich von der Linie Husum, Innenstadt. Sollerup, Bollingstedt,
Fahrenstcdt in der durchschnittlichen Breite von einer Meile zwischen Angeln
und Nordfricsland hinzieht, dann die südlichen Kirchspiele des Saumes der an die
friesische Marsch angrenzenden Geest bis in die Gegend von Joldelund, endlich
alle Dörfer in der unmittelbaren nördlichen und westlichen Nachbarschaft von
Flensburg. Die Bewohner dieses ganzen Districts sind von jüdischen Stamm,
denen sich, obwohl weniger wie in Angeln, sächsische, im Westen auch friesische
Elemente beigemischt haben.

Die dritte Zone ist die Landesmittc Von der nördlichen Grenze der
zweiten (die in ihrer Osthälfte etwa durch die von Flensburg nach Husum
führende Chaussee bezeichnet wird) bis ungefähr zu den Kirchspielen zwischen
Tondern und Flensburg, in welchen bis zu dem Sprachrescript von 1830 in den
Schulen deutsch unterrichtet wurde, was beiläufig jetzt wieder geschieht. Das
Plattdeutsche ist hier nicht mehr die Sprache des Hauses, wohl aber ist es wie
das Hochdeutsche noch ziemlich Vielen einigermaßen geläufig, und wenn man hier
des letzteren nicht in dem Maße wie in dem größten Theil Angelus mächtig ist, so
erklärt sich diese Erscheinung daraus, daß die Schulen hier weniger fleißig besucht
werden als dort, ein Umstand, der wiederum darin seine Erklärung findet, daß
hier in der Haidcgegend die im Osten übliche Einhegung der Felder mit Knicks
nicht gebräuchlich ist. und daß deshalb die Kinder mehre Monate im Jahr zum
Viehhüten benutzt werden müssen.

Die Nordgrenze der dritten Zone, die mit der zweiten circa 2S bis
28.000 Menschen und etwa zehn Quadratmeilen umfaßt, bilden nach dem
Gesagten die Kirchspiele Bau (nördlich von Flensburg), Mcdelby. Ladclund,
Süderlygum, Uberg, Tondern,. Aventoft, Neukirchen und Nodenäs, die Süd¬
grenze der vierten dagegen die Kirchspiele Hvlebüll. Tinglcv. Buhrkall, Hostrup,
Ahnt, Mögcltondern (dänische Enclave) und Hoher. In den letzteren sowie in


Terrain sollte auf friedlichem und im Ganzen naturgemäßen Wege zurückge-
wonnnen werden. In den letzten Jahrzehnten des Mittelalters begann die
Einwanderung holsteinischer Adeligen, die sich allmächtig zu Herren eines großen
Theils des Grundes und Bodens machten. Andere Deutsche folgten. Deutsches
Recke sing an in den Städten zu gelten. Die Reformation drang ein und mit
ihr zunächst die plattdeutsche, dann die hochdeutsche Sprache auf der Kanzel.
Das Schulwesen fügte sich, als es wirksamer organisirt wurde, ebenfalls in
diese Formen, die bei dem Volte nur gelegentlich und dann nur auf schwachen
Widerstand stießen. Jmmermehr zog sich das Anglerdänisch, das in der letzten Zeit
mit zahlreichen plattdeutschen Vocabcln gemischt war, Vor dem von Süden
kommenden Idiom zurück, und gegenwärtig ist es, wie bemerkt, nur noch im
äußersten Norden, zwischen Adelby. Muntbrarup und Glücksburg Volkssprache.

Die zweite Zone begreift zunächst einen Strich in der Landesmitte in
sich, der sich nördlich von der Linie Husum, Innenstadt. Sollerup, Bollingstedt,
Fahrenstcdt in der durchschnittlichen Breite von einer Meile zwischen Angeln
und Nordfricsland hinzieht, dann die südlichen Kirchspiele des Saumes der an die
friesische Marsch angrenzenden Geest bis in die Gegend von Joldelund, endlich
alle Dörfer in der unmittelbaren nördlichen und westlichen Nachbarschaft von
Flensburg. Die Bewohner dieses ganzen Districts sind von jüdischen Stamm,
denen sich, obwohl weniger wie in Angeln, sächsische, im Westen auch friesische
Elemente beigemischt haben.

Die dritte Zone ist die Landesmittc Von der nördlichen Grenze der
zweiten (die in ihrer Osthälfte etwa durch die von Flensburg nach Husum
führende Chaussee bezeichnet wird) bis ungefähr zu den Kirchspielen zwischen
Tondern und Flensburg, in welchen bis zu dem Sprachrescript von 1830 in den
Schulen deutsch unterrichtet wurde, was beiläufig jetzt wieder geschieht. Das
Plattdeutsche ist hier nicht mehr die Sprache des Hauses, wohl aber ist es wie
das Hochdeutsche noch ziemlich Vielen einigermaßen geläufig, und wenn man hier
des letzteren nicht in dem Maße wie in dem größten Theil Angelus mächtig ist, so
erklärt sich diese Erscheinung daraus, daß die Schulen hier weniger fleißig besucht
werden als dort, ein Umstand, der wiederum darin seine Erklärung findet, daß
hier in der Haidcgegend die im Osten übliche Einhegung der Felder mit Knicks
nicht gebräuchlich ist. und daß deshalb die Kinder mehre Monate im Jahr zum
Viehhüten benutzt werden müssen.

Die Nordgrenze der dritten Zone, die mit der zweiten circa 2S bis
28.000 Menschen und etwa zehn Quadratmeilen umfaßt, bilden nach dem
Gesagten die Kirchspiele Bau (nördlich von Flensburg), Mcdelby. Ladclund,
Süderlygum, Uberg, Tondern,. Aventoft, Neukirchen und Nodenäs, die Süd¬
grenze der vierten dagegen die Kirchspiele Hvlebüll. Tinglcv. Buhrkall, Hostrup,
Ahnt, Mögcltondern (dänische Enclave) und Hoher. In den letzteren sowie in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0414" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188975"/>
          <p xml:id="ID_1407" prev="#ID_1406"> Terrain sollte auf friedlichem und im Ganzen naturgemäßen Wege zurückge-<lb/>
wonnnen werden. In den letzten Jahrzehnten des Mittelalters begann die<lb/>
Einwanderung holsteinischer Adeligen, die sich allmächtig zu Herren eines großen<lb/>
Theils des Grundes und Bodens machten. Andere Deutsche folgten. Deutsches<lb/>
Recke sing an in den Städten zu gelten. Die Reformation drang ein und mit<lb/>
ihr zunächst die plattdeutsche, dann die hochdeutsche Sprache auf der Kanzel.<lb/>
Das Schulwesen fügte sich, als es wirksamer organisirt wurde, ebenfalls in<lb/>
diese Formen, die bei dem Volte nur gelegentlich und dann nur auf schwachen<lb/>
Widerstand stießen. Jmmermehr zog sich das Anglerdänisch, das in der letzten Zeit<lb/>
mit zahlreichen plattdeutschen Vocabcln gemischt war, Vor dem von Süden<lb/>
kommenden Idiom zurück, und gegenwärtig ist es, wie bemerkt, nur noch im<lb/>
äußersten Norden, zwischen Adelby. Muntbrarup und Glücksburg Volkssprache.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1408"> Die zweite Zone begreift zunächst einen Strich in der Landesmitte in<lb/>
sich, der sich nördlich von der Linie Husum, Innenstadt. Sollerup, Bollingstedt,<lb/>
Fahrenstcdt in der durchschnittlichen Breite von einer Meile zwischen Angeln<lb/>
und Nordfricsland hinzieht, dann die südlichen Kirchspiele des Saumes der an die<lb/>
friesische Marsch angrenzenden Geest bis in die Gegend von Joldelund, endlich<lb/>
alle Dörfer in der unmittelbaren nördlichen und westlichen Nachbarschaft von<lb/>
Flensburg. Die Bewohner dieses ganzen Districts sind von jüdischen Stamm,<lb/>
denen sich, obwohl weniger wie in Angeln, sächsische, im Westen auch friesische<lb/>
Elemente beigemischt haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1409"> Die dritte Zone ist die Landesmittc Von der nördlichen Grenze der<lb/>
zweiten (die in ihrer Osthälfte etwa durch die von Flensburg nach Husum<lb/>
führende Chaussee bezeichnet wird) bis ungefähr zu den Kirchspielen zwischen<lb/>
Tondern und Flensburg, in welchen bis zu dem Sprachrescript von 1830 in den<lb/>
Schulen deutsch unterrichtet wurde, was beiläufig jetzt wieder geschieht. Das<lb/>
Plattdeutsche ist hier nicht mehr die Sprache des Hauses, wohl aber ist es wie<lb/>
das Hochdeutsche noch ziemlich Vielen einigermaßen geläufig, und wenn man hier<lb/>
des letzteren nicht in dem Maße wie in dem größten Theil Angelus mächtig ist, so<lb/>
erklärt sich diese Erscheinung daraus, daß die Schulen hier weniger fleißig besucht<lb/>
werden als dort, ein Umstand, der wiederum darin seine Erklärung findet, daß<lb/>
hier in der Haidcgegend die im Osten übliche Einhegung der Felder mit Knicks<lb/>
nicht gebräuchlich ist. und daß deshalb die Kinder mehre Monate im Jahr zum<lb/>
Viehhüten benutzt werden müssen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1410" next="#ID_1411"> Die Nordgrenze der dritten Zone, die mit der zweiten circa 2S bis<lb/>
28.000 Menschen und etwa zehn Quadratmeilen umfaßt, bilden nach dem<lb/>
Gesagten die Kirchspiele Bau (nördlich von Flensburg), Mcdelby. Ladclund,<lb/>
Süderlygum, Uberg, Tondern,. Aventoft, Neukirchen und Nodenäs, die Süd¬<lb/>
grenze der vierten dagegen die Kirchspiele Hvlebüll. Tinglcv. Buhrkall, Hostrup,<lb/>
Ahnt, Mögcltondern (dänische Enclave) und Hoher. In den letzteren sowie in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0414] Terrain sollte auf friedlichem und im Ganzen naturgemäßen Wege zurückge- wonnnen werden. In den letzten Jahrzehnten des Mittelalters begann die Einwanderung holsteinischer Adeligen, die sich allmächtig zu Herren eines großen Theils des Grundes und Bodens machten. Andere Deutsche folgten. Deutsches Recke sing an in den Städten zu gelten. Die Reformation drang ein und mit ihr zunächst die plattdeutsche, dann die hochdeutsche Sprache auf der Kanzel. Das Schulwesen fügte sich, als es wirksamer organisirt wurde, ebenfalls in diese Formen, die bei dem Volte nur gelegentlich und dann nur auf schwachen Widerstand stießen. Jmmermehr zog sich das Anglerdänisch, das in der letzten Zeit mit zahlreichen plattdeutschen Vocabcln gemischt war, Vor dem von Süden kommenden Idiom zurück, und gegenwärtig ist es, wie bemerkt, nur noch im äußersten Norden, zwischen Adelby. Muntbrarup und Glücksburg Volkssprache. Die zweite Zone begreift zunächst einen Strich in der Landesmitte in sich, der sich nördlich von der Linie Husum, Innenstadt. Sollerup, Bollingstedt, Fahrenstcdt in der durchschnittlichen Breite von einer Meile zwischen Angeln und Nordfricsland hinzieht, dann die südlichen Kirchspiele des Saumes der an die friesische Marsch angrenzenden Geest bis in die Gegend von Joldelund, endlich alle Dörfer in der unmittelbaren nördlichen und westlichen Nachbarschaft von Flensburg. Die Bewohner dieses ganzen Districts sind von jüdischen Stamm, denen sich, obwohl weniger wie in Angeln, sächsische, im Westen auch friesische Elemente beigemischt haben. Die dritte Zone ist die Landesmittc Von der nördlichen Grenze der zweiten (die in ihrer Osthälfte etwa durch die von Flensburg nach Husum führende Chaussee bezeichnet wird) bis ungefähr zu den Kirchspielen zwischen Tondern und Flensburg, in welchen bis zu dem Sprachrescript von 1830 in den Schulen deutsch unterrichtet wurde, was beiläufig jetzt wieder geschieht. Das Plattdeutsche ist hier nicht mehr die Sprache des Hauses, wohl aber ist es wie das Hochdeutsche noch ziemlich Vielen einigermaßen geläufig, und wenn man hier des letzteren nicht in dem Maße wie in dem größten Theil Angelus mächtig ist, so erklärt sich diese Erscheinung daraus, daß die Schulen hier weniger fleißig besucht werden als dort, ein Umstand, der wiederum darin seine Erklärung findet, daß hier in der Haidcgegend die im Osten übliche Einhegung der Felder mit Knicks nicht gebräuchlich ist. und daß deshalb die Kinder mehre Monate im Jahr zum Viehhüten benutzt werden müssen. Die Nordgrenze der dritten Zone, die mit der zweiten circa 2S bis 28.000 Menschen und etwa zehn Quadratmeilen umfaßt, bilden nach dem Gesagten die Kirchspiele Bau (nördlich von Flensburg), Mcdelby. Ladclund, Süderlygum, Uberg, Tondern,. Aventoft, Neukirchen und Nodenäs, die Süd¬ grenze der vierten dagegen die Kirchspiele Hvlebüll. Tinglcv. Buhrkall, Hostrup, Ahnt, Mögcltondern (dänische Enclave) und Hoher. In den letzteren sowie in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/414
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/414>, abgerufen am 23.07.2024.