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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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waffnung auf ihrer Seite. Neben der Natur des Krieges und des Heeres wirkt aber
vor allen Dingen auf die Verluste der Feldherr ein. Ein Friedrich d. Gr., ein
Napoleon, ein Suwaroff drangt viel schärfer auf die Entscheidung, achtet das Blut
im Gefecht viel weniger als alle Künstler zweiter Classe auf diesem Gebiet.
Deshalb verdienen aber die großen Feldherrn keinen Vorwurf, denn schließlich
ersparen sie auf diesem Wege doch Menschenleben. Die Verluste durch Krank¬
heit sind in allen Kriegen viel, viel großer, als die durch Verwundung; und
je unentschlossener der Feldherr, desto größer sind die Fatiguen und folglich um so
zahlreicher die Krankheiten. Wenn Se. Arnaud und Lord Raglan sofort nach
der Schlacht an der Alma verfolgten, den Gegner aus Sebastvpol warfen und
dann zum Sturm schritten, so siel die Festung, nach Ausspruch aller dabei Be¬
teiligten, wahrscheinlich sogleich. --Suwaroff verlor beim Sturm auf das noch
ganz intacte Ismail die Hälfte seiner Leute und nahm die Festung. -- Fiel bei
einem Sturm auf Sebastvpol die Hälfte der Armee, so kostete dies den Fran¬
zosen noch nicht so viel als die folgenden Gefechte, und nur den sechsten Theil
dessen, was im Lauf der Belagerung in den Lazarethen starb. Wir wollen sehen,
wie sich die Sache bei Düppel stellen wird. Gewiß ist, daß ein geglückter
Sturm auf das Dannewerk sofort den ganzen Krieg geendet hätte, wenn die
Verfolgung der ersteren Kriegsthat entsprach.

Wir fassen also unsere Ansicht noch einmal dahin zusammen, daß bei gleich
guter Bewaffnung die Höhe der Verluste nicht durch diese bestimmt wird, son¬
dern ganz allein von der Energie der Handelnden abhängt. Je besser die Schu߬
waffen sind, desto mehr bleiben die feindlichen Seiten in der ersten Aufstellung
eines Gefechts von einander entfernt und die Thatkraft der Fechtenden bestimmt
nun, ob schließlich das Heer Mann an Mann um das Leben ringen oder wie
viele Verluste im Fern- oder Nahgefccht das Nachgeben der einen Seite herbei¬
führen soll.

Die Verbesserung der Waffen muß in den Armeen gleichen Schritt halten;
geschieht das, übt sie keinen Einfluß auf die Verluste und auf die Resultate
des Krieges aus. Die Armee aber, welche mit der Verbesserung der Waffen
zurückbleibt, erschwert sich den Sieg außerordentlich.

Wir werfen einen Blick auf den Stand, welchen die Waffenverbesserung
in den einzelnen Armeen zur Zeit eingenommen hat. An eine gute Kriegs-
schußwaffc macht man den Anspruch:

1) daß sie sicher und weit trifft, 2) daß sie die Kugel aus dem kürzesten
Wege d. h. mit der größten Durchschlagstraft und mit einer Flughahn mög¬
lichst in Manneshöhe rasant über dem Boden an das Ziel bringt, 3) daß die
Waffe, die Munition und die ganze Handhabung einfach ist.

Mit den frühern Schußwaffen traf man nur sehr unsicher, aber der Schuß
war rasant und hatte eine bedeutende Durchschlagskraft. Die Waffe und deren


waffnung auf ihrer Seite. Neben der Natur des Krieges und des Heeres wirkt aber
vor allen Dingen auf die Verluste der Feldherr ein. Ein Friedrich d. Gr., ein
Napoleon, ein Suwaroff drangt viel schärfer auf die Entscheidung, achtet das Blut
im Gefecht viel weniger als alle Künstler zweiter Classe auf diesem Gebiet.
Deshalb verdienen aber die großen Feldherrn keinen Vorwurf, denn schließlich
ersparen sie auf diesem Wege doch Menschenleben. Die Verluste durch Krank¬
heit sind in allen Kriegen viel, viel großer, als die durch Verwundung; und
je unentschlossener der Feldherr, desto größer sind die Fatiguen und folglich um so
zahlreicher die Krankheiten. Wenn Se. Arnaud und Lord Raglan sofort nach
der Schlacht an der Alma verfolgten, den Gegner aus Sebastvpol warfen und
dann zum Sturm schritten, so siel die Festung, nach Ausspruch aller dabei Be¬
teiligten, wahrscheinlich sogleich. —Suwaroff verlor beim Sturm auf das noch
ganz intacte Ismail die Hälfte seiner Leute und nahm die Festung. — Fiel bei
einem Sturm auf Sebastvpol die Hälfte der Armee, so kostete dies den Fran¬
zosen noch nicht so viel als die folgenden Gefechte, und nur den sechsten Theil
dessen, was im Lauf der Belagerung in den Lazarethen starb. Wir wollen sehen,
wie sich die Sache bei Düppel stellen wird. Gewiß ist, daß ein geglückter
Sturm auf das Dannewerk sofort den ganzen Krieg geendet hätte, wenn die
Verfolgung der ersteren Kriegsthat entsprach.

Wir fassen also unsere Ansicht noch einmal dahin zusammen, daß bei gleich
guter Bewaffnung die Höhe der Verluste nicht durch diese bestimmt wird, son¬
dern ganz allein von der Energie der Handelnden abhängt. Je besser die Schu߬
waffen sind, desto mehr bleiben die feindlichen Seiten in der ersten Aufstellung
eines Gefechts von einander entfernt und die Thatkraft der Fechtenden bestimmt
nun, ob schließlich das Heer Mann an Mann um das Leben ringen oder wie
viele Verluste im Fern- oder Nahgefccht das Nachgeben der einen Seite herbei¬
führen soll.

Die Verbesserung der Waffen muß in den Armeen gleichen Schritt halten;
geschieht das, übt sie keinen Einfluß auf die Verluste und auf die Resultate
des Krieges aus. Die Armee aber, welche mit der Verbesserung der Waffen
zurückbleibt, erschwert sich den Sieg außerordentlich.

Wir werfen einen Blick auf den Stand, welchen die Waffenverbesserung
in den einzelnen Armeen zur Zeit eingenommen hat. An eine gute Kriegs-
schußwaffc macht man den Anspruch:

1) daß sie sicher und weit trifft, 2) daß sie die Kugel aus dem kürzesten
Wege d. h. mit der größten Durchschlagstraft und mit einer Flughahn mög¬
lichst in Manneshöhe rasant über dem Boden an das Ziel bringt, 3) daß die
Waffe, die Munition und die ganze Handhabung einfach ist.

Mit den frühern Schußwaffen traf man nur sehr unsicher, aber der Schuß
war rasant und hatte eine bedeutende Durchschlagskraft. Die Waffe und deren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/40>, abgerufen am 23.07.2024.