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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Truppe. Wer die gegründetste Aussicht hat den Gegner todt zu machen, der
hat auch die höchste Wahrscheinlichkeit des Siegs auf seiner Seite. Die Wahr¬
heit dieses Satzes an jedem einzelnen Gefecht zu beweisen, ist unmöglich, da in
den Gefechten die allerverschiedensten Dinge den Ausschlag geben und ein ganzes
Buch nothwendig wäre, um das Verdienst der Waffen in diesem und jenem
Gefecht auseinanderzusetzen. Nur in den Kämpfen der cultivirten Völker mit
den nicbtcultivirtcn tritt'diese Hauptsache sehr auffällig heraus. Sie macht sich
immer wieder geltend in der steten Fürsorge gerade der größern Feldherrn für
die Bewaffnung. Zum Beleg dieser Behauptung wollen wir nur einige Bei¬
spiele aus der Geschichte der preußischen Armee anführen.

Der große Kurfürst war der erste Kriegsherr seiner Zeit, der seine ganze
Infanterie mit Musketen statt der bis dahin zum Theil beibehaltenen Pike be¬
waffnete. Auch verbesserte er die Muskete durch Einführung des bis heute
noch gangbaren Feuerschlosses und des Bajonnets; beides französische Erfindungen.
Friedrich der Große gab seinen Gewehren den eisernen Ladestock und das ko¬
nische Zündloch, um das Schnellladcn zu befördern. -- Dies letztere Bestreben
machte die preußischen Gewehre immer schlechter und 1806 begegneten sie in
dem Entscheidungskampf, nach einem 1777 genehmigten Modell, den damals
besten Gewehren der Welt, den französischen, mit welchen während der Revo-
lutionskriege diese Armee vollständig ausgerüstet worden war. Napoleon der
Erste erachtete auf diesem Gebiet einen Fortschritt für sehr erwünscht und stellte
einer zu diesem Zweck versammelten Commission das Ziel, ein Gewehr zu er¬
finden, das von hinten zu laden sei. Die verschiedensten Modelle wurden in
der etablirten Werkstatt angefertigt, aber die Sache kam nicht zum Abschluß,
die Katastrophe Napoleons' löste Commission und Werkstatt auf. Einer der
Arbeiter der letztern aber, der jetzige. 86 Jahre alte Geheime Commerzienrath
Dreysc in Sömmerda, setzte die Gersuche fort und trat zuerst mit einem theil¬
weise für brauchbar erkannten Modell im Jahre 1830 auf. Aus diesem hat
sich das in der preußischen Armee eingeführte Zündnadelgewehr entwickelt, wel¬
ches wir für das beste Armccgcwehr der Welt erachten und welches sich als
solches bisher auch in Schleswig bewährt hat.

Außer einigen deutsche" Contingentcn hat mock keine Armee das Zündnadel-
gewehr eingeführt und zwar deshalb nicht, weil durch die schnelle Ladung sich
eine Truppe zu rasch verschießen kann. Schießt der Soldat nur dann, wenn
er einen guten Schuß abgeben kann, so schießt er mit dem Zündnadelgewehr
kaum häusiger als mit jedem andern Gewehr, aber dafür gibt es keine Sicher¬
heit. Der Vorgesetzte kann das Feuer in der Hand behalten, so lange das Ge¬
fecht unbedeutend ist. sowie aber die Gefahr wächst, hört mehr und mehr der
Einfluß der Vorgesetzten auf. und das Streben, sich zu vertheidigen und zu
rächen, wächst. Je mehr Kugeln um die Ohren fliegen, um so mehr steigert sich


Truppe. Wer die gegründetste Aussicht hat den Gegner todt zu machen, der
hat auch die höchste Wahrscheinlichkeit des Siegs auf seiner Seite. Die Wahr¬
heit dieses Satzes an jedem einzelnen Gefecht zu beweisen, ist unmöglich, da in
den Gefechten die allerverschiedensten Dinge den Ausschlag geben und ein ganzes
Buch nothwendig wäre, um das Verdienst der Waffen in diesem und jenem
Gefecht auseinanderzusetzen. Nur in den Kämpfen der cultivirten Völker mit
den nicbtcultivirtcn tritt'diese Hauptsache sehr auffällig heraus. Sie macht sich
immer wieder geltend in der steten Fürsorge gerade der größern Feldherrn für
die Bewaffnung. Zum Beleg dieser Behauptung wollen wir nur einige Bei¬
spiele aus der Geschichte der preußischen Armee anführen.

Der große Kurfürst war der erste Kriegsherr seiner Zeit, der seine ganze
Infanterie mit Musketen statt der bis dahin zum Theil beibehaltenen Pike be¬
waffnete. Auch verbesserte er die Muskete durch Einführung des bis heute
noch gangbaren Feuerschlosses und des Bajonnets; beides französische Erfindungen.
Friedrich der Große gab seinen Gewehren den eisernen Ladestock und das ko¬
nische Zündloch, um das Schnellladcn zu befördern. — Dies letztere Bestreben
machte die preußischen Gewehre immer schlechter und 1806 begegneten sie in
dem Entscheidungskampf, nach einem 1777 genehmigten Modell, den damals
besten Gewehren der Welt, den französischen, mit welchen während der Revo-
lutionskriege diese Armee vollständig ausgerüstet worden war. Napoleon der
Erste erachtete auf diesem Gebiet einen Fortschritt für sehr erwünscht und stellte
einer zu diesem Zweck versammelten Commission das Ziel, ein Gewehr zu er¬
finden, das von hinten zu laden sei. Die verschiedensten Modelle wurden in
der etablirten Werkstatt angefertigt, aber die Sache kam nicht zum Abschluß,
die Katastrophe Napoleons' löste Commission und Werkstatt auf. Einer der
Arbeiter der letztern aber, der jetzige. 86 Jahre alte Geheime Commerzienrath
Dreysc in Sömmerda, setzte die Gersuche fort und trat zuerst mit einem theil¬
weise für brauchbar erkannten Modell im Jahre 1830 auf. Aus diesem hat
sich das in der preußischen Armee eingeführte Zündnadelgewehr entwickelt, wel¬
ches wir für das beste Armccgcwehr der Welt erachten und welches sich als
solches bisher auch in Schleswig bewährt hat.

Außer einigen deutsche« Contingentcn hat mock keine Armee das Zündnadel-
gewehr eingeführt und zwar deshalb nicht, weil durch die schnelle Ladung sich
eine Truppe zu rasch verschießen kann. Schießt der Soldat nur dann, wenn
er einen guten Schuß abgeben kann, so schießt er mit dem Zündnadelgewehr
kaum häusiger als mit jedem andern Gewehr, aber dafür gibt es keine Sicher¬
heit. Der Vorgesetzte kann das Feuer in der Hand behalten, so lange das Ge¬
fecht unbedeutend ist. sowie aber die Gefahr wächst, hört mehr und mehr der
Einfluß der Vorgesetzten auf. und das Streben, sich zu vertheidigen und zu
rächen, wächst. Je mehr Kugeln um die Ohren fliegen, um so mehr steigert sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/37>, abgerufen am 23.07.2024.