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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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die Selbstverläugnung, die nur den Schlechten eine Thorheit ist: die ganze
Summe seines Werthes an einen kühnen Wurf zu setzen. Friedrich warb um
die Wahl und ist erlegen. Eine Weile schwankte die Wage; aber das Häuflein
der Reichsgetreucn, welche die Wichtigkeit seiner Berufung erkannten, blieb in
der Minorität. Es war kein schlechter Nebenbuhler, dem er wich; allein in
seiner Erwählung triumphirte das entgegengesetzte Princip. Zwar noch nicht
in völliger Klarheit. Denn Herzog Albrecht von Oestreich, der König von Un¬
garn und Böhmen, war ein kraftvoller Mann von tüchtiger Regenteneinsicht
und von hervorragender Machtstellung; aber nicht blos der Schwerpunkt, viel¬
mehr die ganze Basis seines Wirkens lag außerhalb des Reichs und er war
pflichtgetreu genug, dies zu empfinden und darnach zu handeln. Nicht trotz¬
dem, sondern gerade weil man wußte, daß es so war, erkor man ihn. Aus
derselben Ferne war Signum-d einst zur deutschen Krone gerufen worden, nur
lag die umgekehrte Absicht zu Grunde. Albrecht, der sich gegen seine Stände
verpflichtet hatte, die Wahl ins Reich von der Hand zu weisen, falls sie auf
ihn fallen sollte, nahm sie in einem*Sinne an, welcher die Befürchtungen sei¬
ner Erdtaube nicht berührte. Was war ihm Hekuba! Freilich, schandehalbcr
bewegte sich die Thätigkeit seiner Räthe auch auf dem Gebiete der innern An¬
gelegenheiten des Reiches und der Eifer ist keineswegs zu tadeln, mit welchem
sie die Landfriedensfragc in die Hand nehmen, aber vollkommen bezeichnend
für das Verhältniß des Königs zu Deutschland war der Umstand, daß von der
Kreiseintheilung, welche zu diesem Zwecke in Borschlag kam, Böhmen und
selbst Oestreich ausgenommen wurden. Er wollte sich dem Reiche auch nicht
einmal in dem Maße verpflichten, als er Landesherr innerhalb desselben war,
und faßte daher sein Amt als eine laxe Personalunion auf, die er nicht
anstand von vornherein in einer Weise zu mißbrauchen und zu brechen
für welche die moderne dänische Politik das bekannteste classische Seitenstück
bietet. '

Aber es hatte auch damals gute Weile, ehe dergleichen Seltsamkeiten des
Reiches hohe Häupter bekümmerten. Am entgegengesetzten Ende Deutschlands
verdarb der burgundische Raupenfraß und die französische Schlauheit den blühen¬
den Westen; es ging seit Jahren schon im Reiche keinen Menschen etwas an.

Immerhin hätte Albrechts bedeutende Macht, so sehr sie auch zunächst durch
den Türkenkrieg gebunden war, auf die Dauer doch ihren Druck auf die Politik
der Reichsfürsten ausüben können. Als er nach zweijähriger Regierung in
Deutschland ungekrönt und ungesehen starb, eilten die Territorialen, den Fehler,
der für ihre Anschauungen in der Erhebung eines bedeutenden Fürsten lag,
gründlich gut zu machen. Was den Herzog Friedrich von Oestreich ihnen
empfahl, war neben der gleichartigen auswärtigen Stellung vor allem gerade
die Schwäche seiner Mittel und seiner Persönlichkeit. Diese zweite habsburgische


die Selbstverläugnung, die nur den Schlechten eine Thorheit ist: die ganze
Summe seines Werthes an einen kühnen Wurf zu setzen. Friedrich warb um
die Wahl und ist erlegen. Eine Weile schwankte die Wage; aber das Häuflein
der Reichsgetreucn, welche die Wichtigkeit seiner Berufung erkannten, blieb in
der Minorität. Es war kein schlechter Nebenbuhler, dem er wich; allein in
seiner Erwählung triumphirte das entgegengesetzte Princip. Zwar noch nicht
in völliger Klarheit. Denn Herzog Albrecht von Oestreich, der König von Un¬
garn und Böhmen, war ein kraftvoller Mann von tüchtiger Regenteneinsicht
und von hervorragender Machtstellung; aber nicht blos der Schwerpunkt, viel¬
mehr die ganze Basis seines Wirkens lag außerhalb des Reichs und er war
pflichtgetreu genug, dies zu empfinden und darnach zu handeln. Nicht trotz¬
dem, sondern gerade weil man wußte, daß es so war, erkor man ihn. Aus
derselben Ferne war Signum-d einst zur deutschen Krone gerufen worden, nur
lag die umgekehrte Absicht zu Grunde. Albrecht, der sich gegen seine Stände
verpflichtet hatte, die Wahl ins Reich von der Hand zu weisen, falls sie auf
ihn fallen sollte, nahm sie in einem*Sinne an, welcher die Befürchtungen sei¬
ner Erdtaube nicht berührte. Was war ihm Hekuba! Freilich, schandehalbcr
bewegte sich die Thätigkeit seiner Räthe auch auf dem Gebiete der innern An¬
gelegenheiten des Reiches und der Eifer ist keineswegs zu tadeln, mit welchem
sie die Landfriedensfragc in die Hand nehmen, aber vollkommen bezeichnend
für das Verhältniß des Königs zu Deutschland war der Umstand, daß von der
Kreiseintheilung, welche zu diesem Zwecke in Borschlag kam, Böhmen und
selbst Oestreich ausgenommen wurden. Er wollte sich dem Reiche auch nicht
einmal in dem Maße verpflichten, als er Landesherr innerhalb desselben war,
und faßte daher sein Amt als eine laxe Personalunion auf, die er nicht
anstand von vornherein in einer Weise zu mißbrauchen und zu brechen
für welche die moderne dänische Politik das bekannteste classische Seitenstück
bietet. '

Aber es hatte auch damals gute Weile, ehe dergleichen Seltsamkeiten des
Reiches hohe Häupter bekümmerten. Am entgegengesetzten Ende Deutschlands
verdarb der burgundische Raupenfraß und die französische Schlauheit den blühen¬
den Westen; es ging seit Jahren schon im Reiche keinen Menschen etwas an.

Immerhin hätte Albrechts bedeutende Macht, so sehr sie auch zunächst durch
den Türkenkrieg gebunden war, auf die Dauer doch ihren Druck auf die Politik
der Reichsfürsten ausüben können. Als er nach zweijähriger Regierung in
Deutschland ungekrönt und ungesehen starb, eilten die Territorialen, den Fehler,
der für ihre Anschauungen in der Erhebung eines bedeutenden Fürsten lag,
gründlich gut zu machen. Was den Herzog Friedrich von Oestreich ihnen
empfahl, war neben der gleichartigen auswärtigen Stellung vor allem gerade
die Schwäche seiner Mittel und seiner Persönlichkeit. Diese zweite habsburgische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/34>, abgerufen am 23.07.2024.