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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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mittelungsvcrsnche in Folge des Widerstandes des kopenhagener Cabinets sich
als fruchtlos erwiesen haben,, gewissermaßen gezwungen als letztes Mittel der
Lösung die Trennung der Herzogthümer von Dänemark fordert.

Die Aufgabe. Oestreich zum Einnehmen des richtigen Standpunkts zu
nöthigen, nachdem einmal die Action gegen Dänemark von dem EinVerständ¬
niß mit Oestreich abhängig gemacht worden ist, haben wir nie für eine leichte
gehalten. Sie ist dadurch noch verwickelter geworden, daß es zugleich gilt,
Frankreich durch Eingehen auf seinen Wunsch in Betreff der Befragung der
Herzogtümer in einer neutralen Stellung zu erhalten. Soll Preußen Oestreich
zu Gefallen diesen Plan bekämpfen? Dies hieße zugleich Frankreich, dessen
Sympathien eben nicht deutsch sind, auf Dänemarks Seite drängen und Oestreich
einen Borwand bieten, in Rücksicht auf die immer ungünstiger sich gestaltende
europäische Konstellation, ganz wieder auf den alten Jntcgritätsstandpunkt zu¬
rückzusinken.

Es scheint uns unter diesen Umständen nur ein Weg befriedigende und
verhältnißmäßig sichere Resultate zu versprechen: Preußen muß ungesäumt die
Erbfolgefrage in Betreff Holsteins der Entscheidung des Bundes anheimgeben.
Will Oestreich nicht für den Herzog Friedrich stimmen, so mag es sich über¬
stimmen lassen. Es ist damit ein Rechtstitel gewonnen, der Oestreich der pein¬
lichen Nothwendigkeit überhebt, die Souveränität des Nationalwillens aner¬
kennen zu müssen. Ist die Rechtsfrage für Holstein und damit auch indirect,
wenn auch ohne Verbindlichkeit für Europa, für Schleswig entschieden, so sind
offenbar die Bedenklichkeiten bedeutend vermindert, die eine feierliche Manife¬
station des Volkswillens für Oestreich haben würde, und dasselbe wäre in der
Lage, das Votum der Bevölkerung, welches nur eine bereits von ihm aner¬
kannte Thatsache bestätigen würde, als einen Ausdruck der Loyalität anzusehen,
ohne damit irgendwie das Princip der nationalen Selbstbestimmung aner¬
kennen zu müssen. Daß Oestreich ein solcher Ausgang nicht erwünscht wäre,
daß es vielmehr am liebsten in dem alten Fahrwasser bliebe, ist uns allerdings
wahrscheinlich; aber darauf kommt es gar nicht an. Den Kreis, in dem
Oestreich seit Jahren sich fruchtlos herumdreht, wird es freiwillig nicht ver¬
lassen. Aber die Lage ist günstig, es dazu zu nöthigen. Das erfordert unser
Interesse, und wie wir denken das Interesse Oestreichs selbst, für das vielleicht
nirgend ein geringeres Verständniß herrscht, als in Wien.

Sollte ein festes Auftreten Preußens die Konferenz sprengen, so haben
wir keine Ursache, das Bedauern zu theilen, welches die englischen Staats¬
männer in diesem Falle empfinden würden. Sollte es Napoleon gelingen, die
Konferenz in einen Congreß zu verwandeln, so würden wir auch in diesem
Ereigniß keine Gefahr sehen, unter der Voraussetzung, daß Preußen in der
nächsten Zeit uns darüber außer Zweifel setzt, daß es seine Interessen erkannt


mittelungsvcrsnche in Folge des Widerstandes des kopenhagener Cabinets sich
als fruchtlos erwiesen haben,, gewissermaßen gezwungen als letztes Mittel der
Lösung die Trennung der Herzogthümer von Dänemark fordert.

Die Aufgabe. Oestreich zum Einnehmen des richtigen Standpunkts zu
nöthigen, nachdem einmal die Action gegen Dänemark von dem EinVerständ¬
niß mit Oestreich abhängig gemacht worden ist, haben wir nie für eine leichte
gehalten. Sie ist dadurch noch verwickelter geworden, daß es zugleich gilt,
Frankreich durch Eingehen auf seinen Wunsch in Betreff der Befragung der
Herzogtümer in einer neutralen Stellung zu erhalten. Soll Preußen Oestreich
zu Gefallen diesen Plan bekämpfen? Dies hieße zugleich Frankreich, dessen
Sympathien eben nicht deutsch sind, auf Dänemarks Seite drängen und Oestreich
einen Borwand bieten, in Rücksicht auf die immer ungünstiger sich gestaltende
europäische Konstellation, ganz wieder auf den alten Jntcgritätsstandpunkt zu¬
rückzusinken.

Es scheint uns unter diesen Umständen nur ein Weg befriedigende und
verhältnißmäßig sichere Resultate zu versprechen: Preußen muß ungesäumt die
Erbfolgefrage in Betreff Holsteins der Entscheidung des Bundes anheimgeben.
Will Oestreich nicht für den Herzog Friedrich stimmen, so mag es sich über¬
stimmen lassen. Es ist damit ein Rechtstitel gewonnen, der Oestreich der pein¬
lichen Nothwendigkeit überhebt, die Souveränität des Nationalwillens aner¬
kennen zu müssen. Ist die Rechtsfrage für Holstein und damit auch indirect,
wenn auch ohne Verbindlichkeit für Europa, für Schleswig entschieden, so sind
offenbar die Bedenklichkeiten bedeutend vermindert, die eine feierliche Manife¬
station des Volkswillens für Oestreich haben würde, und dasselbe wäre in der
Lage, das Votum der Bevölkerung, welches nur eine bereits von ihm aner¬
kannte Thatsache bestätigen würde, als einen Ausdruck der Loyalität anzusehen,
ohne damit irgendwie das Princip der nationalen Selbstbestimmung aner¬
kennen zu müssen. Daß Oestreich ein solcher Ausgang nicht erwünscht wäre,
daß es vielmehr am liebsten in dem alten Fahrwasser bliebe, ist uns allerdings
wahrscheinlich; aber darauf kommt es gar nicht an. Den Kreis, in dem
Oestreich seit Jahren sich fruchtlos herumdreht, wird es freiwillig nicht ver¬
lassen. Aber die Lage ist günstig, es dazu zu nöthigen. Das erfordert unser
Interesse, und wie wir denken das Interesse Oestreichs selbst, für das vielleicht
nirgend ein geringeres Verständniß herrscht, als in Wien.

Sollte ein festes Auftreten Preußens die Konferenz sprengen, so haben
wir keine Ursache, das Bedauern zu theilen, welches die englischen Staats¬
männer in diesem Falle empfinden würden. Sollte es Napoleon gelingen, die
Konferenz in einen Congreß zu verwandeln, so würden wir auch in diesem
Ereigniß keine Gefahr sehen, unter der Voraussetzung, daß Preußen in der
nächsten Zeit uns darüber außer Zweifel setzt, daß es seine Interessen erkannt


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[0294] mittelungsvcrsnche in Folge des Widerstandes des kopenhagener Cabinets sich als fruchtlos erwiesen haben,, gewissermaßen gezwungen als letztes Mittel der Lösung die Trennung der Herzogthümer von Dänemark fordert. Die Aufgabe. Oestreich zum Einnehmen des richtigen Standpunkts zu nöthigen, nachdem einmal die Action gegen Dänemark von dem EinVerständ¬ niß mit Oestreich abhängig gemacht worden ist, haben wir nie für eine leichte gehalten. Sie ist dadurch noch verwickelter geworden, daß es zugleich gilt, Frankreich durch Eingehen auf seinen Wunsch in Betreff der Befragung der Herzogtümer in einer neutralen Stellung zu erhalten. Soll Preußen Oestreich zu Gefallen diesen Plan bekämpfen? Dies hieße zugleich Frankreich, dessen Sympathien eben nicht deutsch sind, auf Dänemarks Seite drängen und Oestreich einen Borwand bieten, in Rücksicht auf die immer ungünstiger sich gestaltende europäische Konstellation, ganz wieder auf den alten Jntcgritätsstandpunkt zu¬ rückzusinken. Es scheint uns unter diesen Umständen nur ein Weg befriedigende und verhältnißmäßig sichere Resultate zu versprechen: Preußen muß ungesäumt die Erbfolgefrage in Betreff Holsteins der Entscheidung des Bundes anheimgeben. Will Oestreich nicht für den Herzog Friedrich stimmen, so mag es sich über¬ stimmen lassen. Es ist damit ein Rechtstitel gewonnen, der Oestreich der pein¬ lichen Nothwendigkeit überhebt, die Souveränität des Nationalwillens aner¬ kennen zu müssen. Ist die Rechtsfrage für Holstein und damit auch indirect, wenn auch ohne Verbindlichkeit für Europa, für Schleswig entschieden, so sind offenbar die Bedenklichkeiten bedeutend vermindert, die eine feierliche Manife¬ station des Volkswillens für Oestreich haben würde, und dasselbe wäre in der Lage, das Votum der Bevölkerung, welches nur eine bereits von ihm aner¬ kannte Thatsache bestätigen würde, als einen Ausdruck der Loyalität anzusehen, ohne damit irgendwie das Princip der nationalen Selbstbestimmung aner¬ kennen zu müssen. Daß Oestreich ein solcher Ausgang nicht erwünscht wäre, daß es vielmehr am liebsten in dem alten Fahrwasser bliebe, ist uns allerdings wahrscheinlich; aber darauf kommt es gar nicht an. Den Kreis, in dem Oestreich seit Jahren sich fruchtlos herumdreht, wird es freiwillig nicht ver¬ lassen. Aber die Lage ist günstig, es dazu zu nöthigen. Das erfordert unser Interesse, und wie wir denken das Interesse Oestreichs selbst, für das vielleicht nirgend ein geringeres Verständniß herrscht, als in Wien. Sollte ein festes Auftreten Preußens die Konferenz sprengen, so haben wir keine Ursache, das Bedauern zu theilen, welches die englischen Staats¬ männer in diesem Falle empfinden würden. Sollte es Napoleon gelingen, die Konferenz in einen Congreß zu verwandeln, so würden wir auch in diesem Ereigniß keine Gefahr sehen, unter der Voraussetzung, daß Preußen in der nächsten Zeit uns darüber außer Zweifel setzt, daß es seine Interessen erkannt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/294>, abgerufen am 25.08.2024.