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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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entgegengesetzten Auslegung Hegels -- diesem gegenüber als wesentlich im Begriffe
des Absoluten enthalten fordern zu müssen glaubt, nack, dem richtigen Grundsatze,
daß alles Hervorgebrachte oder Abgeleitete geringer sei als das Hervorbringende,
mithin alle Entwickelung ursprünglich von oben nach unten gehe; von unten nach
oben, wie in der Entwickelung des endlichen Geistes aus der Natur, nur durch die
Einwirkung des ewig schaffenden absoluten Geistes von oben. Die Bewußtheit des
Absoluten oder Gottes wird so gewonnen, daß Gott zunächst in hegelschcr Weise
dem reinen Sein gleichgesetzt, dann nachgewiesen wird, daß Sein und Bewußtsein
identisch sind! woraus denn, falls die Prämissen wirklich bewiesen wären -- was
wir freilich bei der oben angezeigten Haltung des ganzen Buchs kaum erwarten
durften, -- in der That die Bewußtheit Gottes folgen würde. Die beträchtlichsten
Abweichungen von Hegel, wenn wir die eben berichtete nicht als solche ansehen,
bestehen in der Annahme ewiger, unentstandencr, und dennoch vom Absoluten ver¬
schiedener, ja beziehentlich ihm entgegengesetzter Einzelwesen oder Monaden, durch
deren Zusammensetzungen und Veränderungen sich der sonst ganz nach hegelschcr
Dialektik verlausende Weltproceß vollzieht, und in der Anerkennung des Guten, der
"Wirkender Freiheit", und des Schönen, der "erscheinenden Freiheit", als sür sich
berechtigter Ideale neben dem Wahren, welches bekanntlich bei Hegel als das einzige
absolute Ziel übrigbleibt. Mit Recht ist als Gegenstand des Wahren das Absolute
selbst bezeichnet, sofern es als "schöpferische Freiheit" der Urquell von Allein ist;
Und wenn wir hinzunehmen, daß die Bezeichnung des Absoluten als "Freiheit"
darauf hinweist, daß dasselbe in seinem tiefsten Grunde von Schellwien als ethischer
Natur aufgefaßt wird, so dürste an der Nichtigkeit seiner Darstellung des zwischen
jenen drei Ideale" zu statuirenden Verhältnisses kaum etwas fehlen. Um so mehr
glauben wir uns zu der Hoffnung berechtigt, daß unser Autor aus dieser letzteren
Abweichung von Hegel weitere Konsequenzen ziehen werde, welche die jetzt noch von
ihm festgehaltene Consequenz des Hcgelthums, daß "alles gut ist; denn es ist nichts
als das Gute", aus seiner Weltanschauung entfernen; ebenso wie wir nicht denken
können, daß sich ihm die Unverträglichkeit seiner Monadologie mit seiner Auffassung
Gottes als eines "schöpferischen" Princips auf die Dauer verbergen werde.




entgegengesetzten Auslegung Hegels — diesem gegenüber als wesentlich im Begriffe
des Absoluten enthalten fordern zu müssen glaubt, nack, dem richtigen Grundsatze,
daß alles Hervorgebrachte oder Abgeleitete geringer sei als das Hervorbringende,
mithin alle Entwickelung ursprünglich von oben nach unten gehe; von unten nach
oben, wie in der Entwickelung des endlichen Geistes aus der Natur, nur durch die
Einwirkung des ewig schaffenden absoluten Geistes von oben. Die Bewußtheit des
Absoluten oder Gottes wird so gewonnen, daß Gott zunächst in hegelschcr Weise
dem reinen Sein gleichgesetzt, dann nachgewiesen wird, daß Sein und Bewußtsein
identisch sind! woraus denn, falls die Prämissen wirklich bewiesen wären — was
wir freilich bei der oben angezeigten Haltung des ganzen Buchs kaum erwarten
durften, — in der That die Bewußtheit Gottes folgen würde. Die beträchtlichsten
Abweichungen von Hegel, wenn wir die eben berichtete nicht als solche ansehen,
bestehen in der Annahme ewiger, unentstandencr, und dennoch vom Absoluten ver¬
schiedener, ja beziehentlich ihm entgegengesetzter Einzelwesen oder Monaden, durch
deren Zusammensetzungen und Veränderungen sich der sonst ganz nach hegelschcr
Dialektik verlausende Weltproceß vollzieht, und in der Anerkennung des Guten, der
„Wirkender Freiheit", und des Schönen, der „erscheinenden Freiheit", als sür sich
berechtigter Ideale neben dem Wahren, welches bekanntlich bei Hegel als das einzige
absolute Ziel übrigbleibt. Mit Recht ist als Gegenstand des Wahren das Absolute
selbst bezeichnet, sofern es als „schöpferische Freiheit" der Urquell von Allein ist;
Und wenn wir hinzunehmen, daß die Bezeichnung des Absoluten als „Freiheit"
darauf hinweist, daß dasselbe in seinem tiefsten Grunde von Schellwien als ethischer
Natur aufgefaßt wird, so dürste an der Nichtigkeit seiner Darstellung des zwischen
jenen drei Ideale» zu statuirenden Verhältnisses kaum etwas fehlen. Um so mehr
glauben wir uns zu der Hoffnung berechtigt, daß unser Autor aus dieser letzteren
Abweichung von Hegel weitere Konsequenzen ziehen werde, welche die jetzt noch von
ihm festgehaltene Consequenz des Hcgelthums, daß „alles gut ist; denn es ist nichts
als das Gute", aus seiner Weltanschauung entfernen; ebenso wie wir nicht denken
können, daß sich ihm die Unverträglichkeit seiner Monadologie mit seiner Auffassung
Gottes als eines „schöpferischen" Princips auf die Dauer verbergen werde.




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[0207] entgegengesetzten Auslegung Hegels — diesem gegenüber als wesentlich im Begriffe des Absoluten enthalten fordern zu müssen glaubt, nack, dem richtigen Grundsatze, daß alles Hervorgebrachte oder Abgeleitete geringer sei als das Hervorbringende, mithin alle Entwickelung ursprünglich von oben nach unten gehe; von unten nach oben, wie in der Entwickelung des endlichen Geistes aus der Natur, nur durch die Einwirkung des ewig schaffenden absoluten Geistes von oben. Die Bewußtheit des Absoluten oder Gottes wird so gewonnen, daß Gott zunächst in hegelschcr Weise dem reinen Sein gleichgesetzt, dann nachgewiesen wird, daß Sein und Bewußtsein identisch sind! woraus denn, falls die Prämissen wirklich bewiesen wären — was wir freilich bei der oben angezeigten Haltung des ganzen Buchs kaum erwarten durften, — in der That die Bewußtheit Gottes folgen würde. Die beträchtlichsten Abweichungen von Hegel, wenn wir die eben berichtete nicht als solche ansehen, bestehen in der Annahme ewiger, unentstandencr, und dennoch vom Absoluten ver¬ schiedener, ja beziehentlich ihm entgegengesetzter Einzelwesen oder Monaden, durch deren Zusammensetzungen und Veränderungen sich der sonst ganz nach hegelschcr Dialektik verlausende Weltproceß vollzieht, und in der Anerkennung des Guten, der „Wirkender Freiheit", und des Schönen, der „erscheinenden Freiheit", als sür sich berechtigter Ideale neben dem Wahren, welches bekanntlich bei Hegel als das einzige absolute Ziel übrigbleibt. Mit Recht ist als Gegenstand des Wahren das Absolute selbst bezeichnet, sofern es als „schöpferische Freiheit" der Urquell von Allein ist; Und wenn wir hinzunehmen, daß die Bezeichnung des Absoluten als „Freiheit" darauf hinweist, daß dasselbe in seinem tiefsten Grunde von Schellwien als ethischer Natur aufgefaßt wird, so dürste an der Nichtigkeit seiner Darstellung des zwischen jenen drei Ideale» zu statuirenden Verhältnisses kaum etwas fehlen. Um so mehr glauben wir uns zu der Hoffnung berechtigt, daß unser Autor aus dieser letzteren Abweichung von Hegel weitere Konsequenzen ziehen werde, welche die jetzt noch von ihm festgehaltene Consequenz des Hcgelthums, daß „alles gut ist; denn es ist nichts als das Gute", aus seiner Weltanschauung entfernen; ebenso wie wir nicht denken können, daß sich ihm die Unverträglichkeit seiner Monadologie mit seiner Auffassung Gottes als eines „schöpferischen" Princips auf die Dauer verbergen werde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/207>, abgerufen am 23.07.2024.