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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Der alte Firniß, den man zum Abziehen der Oberfläche von beendeten
temM-g. Gemälden benutzte hieß "vvrmW liquiclg,". Mit einem gewissen Quan¬
tum von Lein- oder Nußöl vermengt, hätte er auch zur Sättigung der Farben
dienen können, ebenso wie bei der Mischung mit Eidotter. Das Bindemittel
der Peselli also ist nicht zu bestimmen, Vasari spricht davon, daß Baldorinetti
Eidotter und veruiee liczuiäa zu Wandmalereien nahm. Dies gab eine un¬
geheuer kräftige Mischung, die er anfangs mit vielem Erfolg anwandte; aber
schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß eine wesentliche und nutzbringende
Veränderung nicht erlangt sei. Seine Fresken begannen nämlich sehr früh ab¬
zublättern und von der Wand abzufallen; diesem unglücklichen Zufall ist es
auch wohl zuzuschreiben, daß Domenico Ghirlandajo solches Mißtrauen gegen
Firniß aller Art hegte, und daß diese Erfahrung den toscanischen Malern gegen
diese technischen Neuerungen ein Vorurtheil einflößte. Daß wenigstens Fra
Filippo Lippi sich vom Oelfirniß fern hielt und dem alten System treu blieb,
ist ziemlich sicher, so auch daß Domenico Veniziano nicht zu denen gehörte, die
sich entmuthigen ließen, sondern daß er den Weg zu finden hoffte, auf dem
das neue Bindemittel einzuführen sei. Erst seinem Schüler Piero della Fran¬
cesco war es vorbehalten die neue Technik mit Glück anzuwenden.

Indessen verbesserten die Gebrüder Pvllaiuolo die von den Peselli befolgte
Methode um Einiges. So verdankte man ihnen die Einführung des Lasircns
in seinen verschiedensten Abstufungen, und dies läßt uns voraussetzen, daß die
klebrige Natur des früheren Bindemittels modificirt und deshalb leichter zu
handhaben war. Von ihnen vererbte sich dies System auf Verrocchio, der es
seinerseits dem Leonardo hinterließ, bis es unter Piero della Francesca seine
Vollkommenheit erreichte. Letzterer lasirte zwar auch nach Art der Pollaiuoli,
aber in den Schattirungen seiner Carnation, wie z. B. in den Portraits des
Herzogs und der Herzogin von Montefeltro im Usfizi in Florenz, waren die
Fleischfarben mit einer geschmeidigen Mischung getränkt, die in feuchtem Zustand
leicht zu modelliren war und so farblos als erforderlich hergestellt werden
konnte. Die an der Oberfläche hervortretende durchsichtige Substanz der Peselli
hatte sich in eine feste dichte Farbengrundlage verwandelt, die von Außen ihr
Licht erhielt und nicht von dem weißen, durch den aufliegenden Stoff durch¬
schimmernden Grund beleuchtet wurde -- dabei glänzend und fett, klar und
hell. Vielleicht erwidert uns ein Vertreter jener Ansicht: daß Italien die Oel-
malerei den Niederländern entlehnt habe, daß Justus von Gent mit Piero in
Urbino zusammengetroffen und ihm dort das Geheimniß der Flamländer verrathen
habe. Aber das Bild, was Justus, dieser Künstler dritten Ranges, für die
Brüderschaft des "Corpus Christi" während seines Aufenthaltes in Urbino
(1462--6S) malte, ist denen der van Eycks um Vieles untergeordnet; und außer¬
dem hatte Piero auch vor dieser Zeit schon in Oel gemalt. Ein Contract für
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Der alte Firniß, den man zum Abziehen der Oberfläche von beendeten
temM-g. Gemälden benutzte hieß „vvrmW liquiclg,". Mit einem gewissen Quan¬
tum von Lein- oder Nußöl vermengt, hätte er auch zur Sättigung der Farben
dienen können, ebenso wie bei der Mischung mit Eidotter. Das Bindemittel
der Peselli also ist nicht zu bestimmen, Vasari spricht davon, daß Baldorinetti
Eidotter und veruiee liczuiäa zu Wandmalereien nahm. Dies gab eine un¬
geheuer kräftige Mischung, die er anfangs mit vielem Erfolg anwandte; aber
schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß eine wesentliche und nutzbringende
Veränderung nicht erlangt sei. Seine Fresken begannen nämlich sehr früh ab¬
zublättern und von der Wand abzufallen; diesem unglücklichen Zufall ist es
auch wohl zuzuschreiben, daß Domenico Ghirlandajo solches Mißtrauen gegen
Firniß aller Art hegte, und daß diese Erfahrung den toscanischen Malern gegen
diese technischen Neuerungen ein Vorurtheil einflößte. Daß wenigstens Fra
Filippo Lippi sich vom Oelfirniß fern hielt und dem alten System treu blieb,
ist ziemlich sicher, so auch daß Domenico Veniziano nicht zu denen gehörte, die
sich entmuthigen ließen, sondern daß er den Weg zu finden hoffte, auf dem
das neue Bindemittel einzuführen sei. Erst seinem Schüler Piero della Fran¬
cesco war es vorbehalten die neue Technik mit Glück anzuwenden.

Indessen verbesserten die Gebrüder Pvllaiuolo die von den Peselli befolgte
Methode um Einiges. So verdankte man ihnen die Einführung des Lasircns
in seinen verschiedensten Abstufungen, und dies läßt uns voraussetzen, daß die
klebrige Natur des früheren Bindemittels modificirt und deshalb leichter zu
handhaben war. Von ihnen vererbte sich dies System auf Verrocchio, der es
seinerseits dem Leonardo hinterließ, bis es unter Piero della Francesca seine
Vollkommenheit erreichte. Letzterer lasirte zwar auch nach Art der Pollaiuoli,
aber in den Schattirungen seiner Carnation, wie z. B. in den Portraits des
Herzogs und der Herzogin von Montefeltro im Usfizi in Florenz, waren die
Fleischfarben mit einer geschmeidigen Mischung getränkt, die in feuchtem Zustand
leicht zu modelliren war und so farblos als erforderlich hergestellt werden
konnte. Die an der Oberfläche hervortretende durchsichtige Substanz der Peselli
hatte sich in eine feste dichte Farbengrundlage verwandelt, die von Außen ihr
Licht erhielt und nicht von dem weißen, durch den aufliegenden Stoff durch¬
schimmernden Grund beleuchtet wurde — dabei glänzend und fett, klar und
hell. Vielleicht erwidert uns ein Vertreter jener Ansicht: daß Italien die Oel-
malerei den Niederländern entlehnt habe, daß Justus von Gent mit Piero in
Urbino zusammengetroffen und ihm dort das Geheimniß der Flamländer verrathen
habe. Aber das Bild, was Justus, dieser Künstler dritten Ranges, für die
Brüderschaft des „Corpus Christi" während seines Aufenthaltes in Urbino
(1462—6S) malte, ist denen der van Eycks um Vieles untergeordnet; und außer¬
dem hatte Piero auch vor dieser Zeit schon in Oel gemalt. Ein Contract für
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[0179] Der alte Firniß, den man zum Abziehen der Oberfläche von beendeten temM-g. Gemälden benutzte hieß „vvrmW liquiclg,". Mit einem gewissen Quan¬ tum von Lein- oder Nußöl vermengt, hätte er auch zur Sättigung der Farben dienen können, ebenso wie bei der Mischung mit Eidotter. Das Bindemittel der Peselli also ist nicht zu bestimmen, Vasari spricht davon, daß Baldorinetti Eidotter und veruiee liczuiäa zu Wandmalereien nahm. Dies gab eine un¬ geheuer kräftige Mischung, die er anfangs mit vielem Erfolg anwandte; aber schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß eine wesentliche und nutzbringende Veränderung nicht erlangt sei. Seine Fresken begannen nämlich sehr früh ab¬ zublättern und von der Wand abzufallen; diesem unglücklichen Zufall ist es auch wohl zuzuschreiben, daß Domenico Ghirlandajo solches Mißtrauen gegen Firniß aller Art hegte, und daß diese Erfahrung den toscanischen Malern gegen diese technischen Neuerungen ein Vorurtheil einflößte. Daß wenigstens Fra Filippo Lippi sich vom Oelfirniß fern hielt und dem alten System treu blieb, ist ziemlich sicher, so auch daß Domenico Veniziano nicht zu denen gehörte, die sich entmuthigen ließen, sondern daß er den Weg zu finden hoffte, auf dem das neue Bindemittel einzuführen sei. Erst seinem Schüler Piero della Fran¬ cesco war es vorbehalten die neue Technik mit Glück anzuwenden. Indessen verbesserten die Gebrüder Pvllaiuolo die von den Peselli befolgte Methode um Einiges. So verdankte man ihnen die Einführung des Lasircns in seinen verschiedensten Abstufungen, und dies läßt uns voraussetzen, daß die klebrige Natur des früheren Bindemittels modificirt und deshalb leichter zu handhaben war. Von ihnen vererbte sich dies System auf Verrocchio, der es seinerseits dem Leonardo hinterließ, bis es unter Piero della Francesca seine Vollkommenheit erreichte. Letzterer lasirte zwar auch nach Art der Pollaiuoli, aber in den Schattirungen seiner Carnation, wie z. B. in den Portraits des Herzogs und der Herzogin von Montefeltro im Usfizi in Florenz, waren die Fleischfarben mit einer geschmeidigen Mischung getränkt, die in feuchtem Zustand leicht zu modelliren war und so farblos als erforderlich hergestellt werden konnte. Die an der Oberfläche hervortretende durchsichtige Substanz der Peselli hatte sich in eine feste dichte Farbengrundlage verwandelt, die von Außen ihr Licht erhielt und nicht von dem weißen, durch den aufliegenden Stoff durch¬ schimmernden Grund beleuchtet wurde — dabei glänzend und fett, klar und hell. Vielleicht erwidert uns ein Vertreter jener Ansicht: daß Italien die Oel- malerei den Niederländern entlehnt habe, daß Justus von Gent mit Piero in Urbino zusammengetroffen und ihm dort das Geheimniß der Flamländer verrathen habe. Aber das Bild, was Justus, dieser Künstler dritten Ranges, für die Brüderschaft des „Corpus Christi" während seines Aufenthaltes in Urbino (1462—6S) malte, ist denen der van Eycks um Vieles untergeordnet; und außer¬ dem hatte Piero auch vor dieser Zeit schon in Oel gemalt. Ein Contract für * 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/179>, abgerufen am 25.08.2024.