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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Rudolph von Habsburgs Wahl durchsetzte, war, bedeutsam genug, der Senior
des Zollernhcmses, Friedrich der Dritte. Des neuen Kaisers erster Regierungsact
dankte in feierlicher Urkunde dem Burggrafen für sein "Anzeigen und Arbeit"
zum Frommen des Reichs durch eine Verleihung, welche seine erbliche Belehrung
auch auf die Töchter erstreckte. Mit seinem echt ritterlich begabten Schwager
Albrecht von Hohenberg stand dieser fortan dem Könige zunächst, der -- wie
der Reimchronist erzählt -- "alle seine Tag Seines Raths pflag Und folgt ihm
auel nach Für alle, die er pe gesach". Dies Verhältniß befestigte sich bei der
Handhabung der endlich durchgesetzten Landfriedensordnung und besonders bei
der Gründung der Habsburgischen Hausmacht in Oestreich. Ihr drückte Friedrich
von Hohenzollern durch den Ausschlag, den er persönlich in der Marchfeldschlacht
gegeben hat, das Siegel auf.

An den Kämpfen, welche nach Rudolphs Tode zwischen König Albrecht und
Adolf von Nassau entbrannten, nahm das burggräfliche Haus nicht unmittelbar
und dauernd Antheil. Nur die große Jugend Friedrichs, der dem Vater 1297
gefolgt war, erklärt es, daß die mahnende Stimme der Zollern in jenen Vor¬
gängen vermißt wird, die wiederum das Reich auf neue unerhörte Art zer¬
wühlten. Das Königthum, das Albrecht aus der Hand der Rebellen seines
Nebenbuhlers empfangen, stützte er durch eine Politik des vollendeten dynastischen
Egoismus, den er durch Aufbeschwörung eines überaus gefährlichen Dämons
beförderte. Denn indem er die Weisheit des jetzt darniederliegenden Papst¬
thums nachahmte, bewaffnete er kraft kaiserlicher Autorität die unteren Mächte.
Vor allen die Stadtcommunen, gegen die oberen: eine Methode, die nicht blos
den Umsturz bedeutete, sondern mehr: die Sünde und Frivolität der Ent¬
pflichtung.

Seltsam ergreifend wirkt es. daß nachdem Albrecht todtgeschlagen war.
sein vollkommenes Gegenbild in Heinrich dem Siebenten hervortrat. Man hat ihn
als den "romantischen Kaiser" gelästert und gelobt; aber es war nicht Narrethei,
was ihm die stumme Ehrfurcht einer solchen Zeitgenossenschaft erwarb. So
groß und rein wie er haben wenige Kaiser von ihrem Amte, von der Idee
der Obrigkeit gedacht; in ihm, dem einzigen unter den Machtbegabtcn seiner
Zeit, der sich wie Dante ihm nachrühmt, nicht nährte von "Erde und Metall"
und "der die Nichtwollenden zu lernen zwang, gerecht zu sein", verkörperte sich
die Religion der Pflicht. Fragt man vergebens nach den handgreiflichen und
dauernden Leistungen eines solchen Mannes, so darf geantwortet werden:
"Segen genug, daß der lautere Lichtblick des Wahren und Rechten einmal über
die Geschlechter der Menschen hinleuchtete und als Mahnung in ihrem Gedächt¬
niß blieb." In Heinrichs Gefolge tritt der junge Burggraf Friedrich zuerst
ins öffentliche Leben; er ist eine Zeit lang mit dem Kaiser in Italien gewesen,
von ihm mit wichtiger Sendung ins Reich betraut worden. Ais dann aus der


Grenzboten II. 1864. 2

Rudolph von Habsburgs Wahl durchsetzte, war, bedeutsam genug, der Senior
des Zollernhcmses, Friedrich der Dritte. Des neuen Kaisers erster Regierungsact
dankte in feierlicher Urkunde dem Burggrafen für sein „Anzeigen und Arbeit"
zum Frommen des Reichs durch eine Verleihung, welche seine erbliche Belehrung
auch auf die Töchter erstreckte. Mit seinem echt ritterlich begabten Schwager
Albrecht von Hohenberg stand dieser fortan dem Könige zunächst, der — wie
der Reimchronist erzählt — „alle seine Tag Seines Raths pflag Und folgt ihm
auel nach Für alle, die er pe gesach". Dies Verhältniß befestigte sich bei der
Handhabung der endlich durchgesetzten Landfriedensordnung und besonders bei
der Gründung der Habsburgischen Hausmacht in Oestreich. Ihr drückte Friedrich
von Hohenzollern durch den Ausschlag, den er persönlich in der Marchfeldschlacht
gegeben hat, das Siegel auf.

An den Kämpfen, welche nach Rudolphs Tode zwischen König Albrecht und
Adolf von Nassau entbrannten, nahm das burggräfliche Haus nicht unmittelbar
und dauernd Antheil. Nur die große Jugend Friedrichs, der dem Vater 1297
gefolgt war, erklärt es, daß die mahnende Stimme der Zollern in jenen Vor¬
gängen vermißt wird, die wiederum das Reich auf neue unerhörte Art zer¬
wühlten. Das Königthum, das Albrecht aus der Hand der Rebellen seines
Nebenbuhlers empfangen, stützte er durch eine Politik des vollendeten dynastischen
Egoismus, den er durch Aufbeschwörung eines überaus gefährlichen Dämons
beförderte. Denn indem er die Weisheit des jetzt darniederliegenden Papst¬
thums nachahmte, bewaffnete er kraft kaiserlicher Autorität die unteren Mächte.
Vor allen die Stadtcommunen, gegen die oberen: eine Methode, die nicht blos
den Umsturz bedeutete, sondern mehr: die Sünde und Frivolität der Ent¬
pflichtung.

Seltsam ergreifend wirkt es. daß nachdem Albrecht todtgeschlagen war.
sein vollkommenes Gegenbild in Heinrich dem Siebenten hervortrat. Man hat ihn
als den „romantischen Kaiser" gelästert und gelobt; aber es war nicht Narrethei,
was ihm die stumme Ehrfurcht einer solchen Zeitgenossenschaft erwarb. So
groß und rein wie er haben wenige Kaiser von ihrem Amte, von der Idee
der Obrigkeit gedacht; in ihm, dem einzigen unter den Machtbegabtcn seiner
Zeit, der sich wie Dante ihm nachrühmt, nicht nährte von „Erde und Metall"
und „der die Nichtwollenden zu lernen zwang, gerecht zu sein", verkörperte sich
die Religion der Pflicht. Fragt man vergebens nach den handgreiflichen und
dauernden Leistungen eines solchen Mannes, so darf geantwortet werden:
„Segen genug, daß der lautere Lichtblick des Wahren und Rechten einmal über
die Geschlechter der Menschen hinleuchtete und als Mahnung in ihrem Gedächt¬
niß blieb." In Heinrichs Gefolge tritt der junge Burggraf Friedrich zuerst
ins öffentliche Leben; er ist eine Zeit lang mit dem Kaiser in Italien gewesen,
von ihm mit wichtiger Sendung ins Reich betraut worden. Ais dann aus der


Grenzboten II. 1864. 2
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[0017] Rudolph von Habsburgs Wahl durchsetzte, war, bedeutsam genug, der Senior des Zollernhcmses, Friedrich der Dritte. Des neuen Kaisers erster Regierungsact dankte in feierlicher Urkunde dem Burggrafen für sein „Anzeigen und Arbeit" zum Frommen des Reichs durch eine Verleihung, welche seine erbliche Belehrung auch auf die Töchter erstreckte. Mit seinem echt ritterlich begabten Schwager Albrecht von Hohenberg stand dieser fortan dem Könige zunächst, der — wie der Reimchronist erzählt — „alle seine Tag Seines Raths pflag Und folgt ihm auel nach Für alle, die er pe gesach". Dies Verhältniß befestigte sich bei der Handhabung der endlich durchgesetzten Landfriedensordnung und besonders bei der Gründung der Habsburgischen Hausmacht in Oestreich. Ihr drückte Friedrich von Hohenzollern durch den Ausschlag, den er persönlich in der Marchfeldschlacht gegeben hat, das Siegel auf. An den Kämpfen, welche nach Rudolphs Tode zwischen König Albrecht und Adolf von Nassau entbrannten, nahm das burggräfliche Haus nicht unmittelbar und dauernd Antheil. Nur die große Jugend Friedrichs, der dem Vater 1297 gefolgt war, erklärt es, daß die mahnende Stimme der Zollern in jenen Vor¬ gängen vermißt wird, die wiederum das Reich auf neue unerhörte Art zer¬ wühlten. Das Königthum, das Albrecht aus der Hand der Rebellen seines Nebenbuhlers empfangen, stützte er durch eine Politik des vollendeten dynastischen Egoismus, den er durch Aufbeschwörung eines überaus gefährlichen Dämons beförderte. Denn indem er die Weisheit des jetzt darniederliegenden Papst¬ thums nachahmte, bewaffnete er kraft kaiserlicher Autorität die unteren Mächte. Vor allen die Stadtcommunen, gegen die oberen: eine Methode, die nicht blos den Umsturz bedeutete, sondern mehr: die Sünde und Frivolität der Ent¬ pflichtung. Seltsam ergreifend wirkt es. daß nachdem Albrecht todtgeschlagen war. sein vollkommenes Gegenbild in Heinrich dem Siebenten hervortrat. Man hat ihn als den „romantischen Kaiser" gelästert und gelobt; aber es war nicht Narrethei, was ihm die stumme Ehrfurcht einer solchen Zeitgenossenschaft erwarb. So groß und rein wie er haben wenige Kaiser von ihrem Amte, von der Idee der Obrigkeit gedacht; in ihm, dem einzigen unter den Machtbegabtcn seiner Zeit, der sich wie Dante ihm nachrühmt, nicht nährte von „Erde und Metall" und „der die Nichtwollenden zu lernen zwang, gerecht zu sein", verkörperte sich die Religion der Pflicht. Fragt man vergebens nach den handgreiflichen und dauernden Leistungen eines solchen Mannes, so darf geantwortet werden: „Segen genug, daß der lautere Lichtblick des Wahren und Rechten einmal über die Geschlechter der Menschen hinleuchtete und als Mahnung in ihrem Gedächt¬ niß blieb." In Heinrichs Gefolge tritt der junge Burggraf Friedrich zuerst ins öffentliche Leben; er ist eine Zeit lang mit dem Kaiser in Italien gewesen, von ihm mit wichtiger Sendung ins Reich betraut worden. Ais dann aus der Grenzboten II. 1864. 2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/17>, abgerufen am 23.07.2024.