Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ebenso leicht zu überwinden wie anzulegen sind. In allen Fällen müssen die
Befestigungen derart angelegt werden, daß sie unser" Schußwaffen die freieste
und sicherste Wirkung gestatten. Also ein tiefer, nasser Graben, ein guter Wall
und eine sichere Wassenwirt'ung, das sind die drei Erfordernisse, die an eine
Befestigung in allen Fällen gestellt werden müssen und umgekehrt kann man
sagen, je einfacher und klarer das Genügen dieser drei Erfordernisse aus einer
Befestigung hervortritt, desto besser, das heißt desto brauchbarer ist sie. --

Die Befestigungen sind entweder Festungen oder Verschanzungen. Die
erstem sind permanente Anlagen, welche ihre Bedeutung in dem Orte finden,
den sie einschließen; die andern sind vorübergehender Art, ihre Bedeutung liegt
uur darin, daß sie Stützpunkte einer militärischen Aufstellung bilden. -- Mannig¬
faltig, wie diese Aufstellungen sind, ist auch die Anwendung der Schanzen. Und
wie der Krieg erfolgreicher ist, je mehr das Todten des feindlichen Soldaten die
Hauptsache ist, das Manövriren und Stellungeneinnehmcn zurücktritt, ebenso
und in demselben Verhältniß ist die Verschanzungskunst für die Armee wichtiger,
als die großen Festungen. Die Verschanzungskunst gestattet binnen 24 Stunden
aus jedem Aufenthaltspunkt einer Truppe einen festen Ort zu machen, der sich
unter den Augen des Gegners zur Festung entwickeln kann; eine Festung aber
fordert für alle Zeit die Kräfte des Landes und eine militärische Besatzung. --
Im Interesse des Landes wie der Armee liegt es daher, die Festungen auf ein
Minimum rü der Zahl zu reduciren und die Verschanzungskunst in der Armee
nach Kräften zu erhöhen. --

Die Dänen haben ihre Festungen Rendsburg und Friedrichssiadt und die
in den letzten zehn Jahren mit dem Aufwand großer Kosten befestigte Stellung
des Dannewerts freiwillig geräumt, sind hinter die düppler Schanzen zurück-
zegangen und haben diese in den letzten Wochen zu einer Festung verwandelt.
Die Oestreicher haben 1859 vor Beginn des Krieges aus Piacenza rasch noch
eine Festung gemacht und zu diesem Zweck sogar aus Verona ein reiches Ar-
tilleriematerial herbeigeholt, bei dein angetretenen Rückzug aber wurde Ort und
Material ohne Weiteres aufgegeben. Sewastopols Bedeutung erwuchs 1854
nicht aus den vorhandenen Festungswerken, sondern aus den neuen Schöpfungen
Tettenbvrns. Richmond ist nie eine Festung gewesen und vertheidigt sich nun
schon im dritten Jahre. Im Jahre 1806 verlor Preußen mit den Schlachten
gleich die größten seiner Festungen. Im Jahre 1813 eroberte Preußen seine
Länder wieder, die Festungen aber blieben im Besitz der Franzosen. 1814 und
1815 behielt Napoleon fast alle seine Festungen, verlor aber das Reich und die
Herrschaft.

Was bedeuten also Festungen? -- Die Frage beantwortet sich nur durch
den schon erwähnten Satz: "der Krieg ist eine Fortsetzung der Politik." Die
Anlage von Festungen bezweckt die Ueberwindung einer politischen Schwäche,


ebenso leicht zu überwinden wie anzulegen sind. In allen Fällen müssen die
Befestigungen derart angelegt werden, daß sie unser» Schußwaffen die freieste
und sicherste Wirkung gestatten. Also ein tiefer, nasser Graben, ein guter Wall
und eine sichere Wassenwirt'ung, das sind die drei Erfordernisse, die an eine
Befestigung in allen Fällen gestellt werden müssen und umgekehrt kann man
sagen, je einfacher und klarer das Genügen dieser drei Erfordernisse aus einer
Befestigung hervortritt, desto besser, das heißt desto brauchbarer ist sie. —

Die Befestigungen sind entweder Festungen oder Verschanzungen. Die
erstem sind permanente Anlagen, welche ihre Bedeutung in dem Orte finden,
den sie einschließen; die andern sind vorübergehender Art, ihre Bedeutung liegt
uur darin, daß sie Stützpunkte einer militärischen Aufstellung bilden. — Mannig¬
faltig, wie diese Aufstellungen sind, ist auch die Anwendung der Schanzen. Und
wie der Krieg erfolgreicher ist, je mehr das Todten des feindlichen Soldaten die
Hauptsache ist, das Manövriren und Stellungeneinnehmcn zurücktritt, ebenso
und in demselben Verhältniß ist die Verschanzungskunst für die Armee wichtiger,
als die großen Festungen. Die Verschanzungskunst gestattet binnen 24 Stunden
aus jedem Aufenthaltspunkt einer Truppe einen festen Ort zu machen, der sich
unter den Augen des Gegners zur Festung entwickeln kann; eine Festung aber
fordert für alle Zeit die Kräfte des Landes und eine militärische Besatzung. —
Im Interesse des Landes wie der Armee liegt es daher, die Festungen auf ein
Minimum rü der Zahl zu reduciren und die Verschanzungskunst in der Armee
nach Kräften zu erhöhen. —

Die Dänen haben ihre Festungen Rendsburg und Friedrichssiadt und die
in den letzten zehn Jahren mit dem Aufwand großer Kosten befestigte Stellung
des Dannewerts freiwillig geräumt, sind hinter die düppler Schanzen zurück-
zegangen und haben diese in den letzten Wochen zu einer Festung verwandelt.
Die Oestreicher haben 1859 vor Beginn des Krieges aus Piacenza rasch noch
eine Festung gemacht und zu diesem Zweck sogar aus Verona ein reiches Ar-
tilleriematerial herbeigeholt, bei dein angetretenen Rückzug aber wurde Ort und
Material ohne Weiteres aufgegeben. Sewastopols Bedeutung erwuchs 1854
nicht aus den vorhandenen Festungswerken, sondern aus den neuen Schöpfungen
Tettenbvrns. Richmond ist nie eine Festung gewesen und vertheidigt sich nun
schon im dritten Jahre. Im Jahre 1806 verlor Preußen mit den Schlachten
gleich die größten seiner Festungen. Im Jahre 1813 eroberte Preußen seine
Länder wieder, die Festungen aber blieben im Besitz der Franzosen. 1814 und
1815 behielt Napoleon fast alle seine Festungen, verlor aber das Reich und die
Herrschaft.

Was bedeuten also Festungen? — Die Frage beantwortet sich nur durch
den schon erwähnten Satz: „der Krieg ist eine Fortsetzung der Politik." Die
Anlage von Festungen bezweckt die Ueberwindung einer politischen Schwäche,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188719"/>
          <p xml:id="ID_521" prev="#ID_520"> ebenso leicht zu überwinden wie anzulegen sind. In allen Fällen müssen die<lb/>
Befestigungen derart angelegt werden, daß sie unser» Schußwaffen die freieste<lb/>
und sicherste Wirkung gestatten. Also ein tiefer, nasser Graben, ein guter Wall<lb/>
und eine sichere Wassenwirt'ung, das sind die drei Erfordernisse, die an eine<lb/>
Befestigung in allen Fällen gestellt werden müssen und umgekehrt kann man<lb/>
sagen, je einfacher und klarer das Genügen dieser drei Erfordernisse aus einer<lb/>
Befestigung hervortritt, desto besser, das heißt desto brauchbarer ist sie. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_522"> Die Befestigungen sind entweder Festungen oder Verschanzungen. Die<lb/>
erstem sind permanente Anlagen, welche ihre Bedeutung in dem Orte finden,<lb/>
den sie einschließen; die andern sind vorübergehender Art, ihre Bedeutung liegt<lb/>
uur darin, daß sie Stützpunkte einer militärischen Aufstellung bilden. &#x2014; Mannig¬<lb/>
faltig, wie diese Aufstellungen sind, ist auch die Anwendung der Schanzen. Und<lb/>
wie der Krieg erfolgreicher ist, je mehr das Todten des feindlichen Soldaten die<lb/>
Hauptsache ist, das Manövriren und Stellungeneinnehmcn zurücktritt, ebenso<lb/>
und in demselben Verhältniß ist die Verschanzungskunst für die Armee wichtiger,<lb/>
als die großen Festungen. Die Verschanzungskunst gestattet binnen 24 Stunden<lb/>
aus jedem Aufenthaltspunkt einer Truppe einen festen Ort zu machen, der sich<lb/>
unter den Augen des Gegners zur Festung entwickeln kann; eine Festung aber<lb/>
fordert für alle Zeit die Kräfte des Landes und eine militärische Besatzung. &#x2014;<lb/>
Im Interesse des Landes wie der Armee liegt es daher, die Festungen auf ein<lb/>
Minimum rü der Zahl zu reduciren und die Verschanzungskunst in der Armee<lb/>
nach Kräften zu erhöhen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_523"> Die Dänen haben ihre Festungen Rendsburg und Friedrichssiadt und die<lb/>
in den letzten zehn Jahren mit dem Aufwand großer Kosten befestigte Stellung<lb/>
des Dannewerts freiwillig geräumt, sind hinter die düppler Schanzen zurück-<lb/>
zegangen und haben diese in den letzten Wochen zu einer Festung verwandelt.<lb/>
Die Oestreicher haben 1859 vor Beginn des Krieges aus Piacenza rasch noch<lb/>
eine Festung gemacht und zu diesem Zweck sogar aus Verona ein reiches Ar-<lb/>
tilleriematerial herbeigeholt, bei dein angetretenen Rückzug aber wurde Ort und<lb/>
Material ohne Weiteres aufgegeben. Sewastopols Bedeutung erwuchs 1854<lb/>
nicht aus den vorhandenen Festungswerken, sondern aus den neuen Schöpfungen<lb/>
Tettenbvrns. Richmond ist nie eine Festung gewesen und vertheidigt sich nun<lb/>
schon im dritten Jahre. Im Jahre 1806 verlor Preußen mit den Schlachten<lb/>
gleich die größten seiner Festungen. Im Jahre 1813 eroberte Preußen seine<lb/>
Länder wieder, die Festungen aber blieben im Besitz der Franzosen. 1814 und<lb/>
1815 behielt Napoleon fast alle seine Festungen, verlor aber das Reich und die<lb/>
Herrschaft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_524" next="#ID_525"> Was bedeuten also Festungen? &#x2014; Die Frage beantwortet sich nur durch<lb/>
den schon erwähnten Satz: &#x201E;der Krieg ist eine Fortsetzung der Politik." Die<lb/>
Anlage von Festungen bezweckt die Ueberwindung einer politischen Schwäche,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0158] ebenso leicht zu überwinden wie anzulegen sind. In allen Fällen müssen die Befestigungen derart angelegt werden, daß sie unser» Schußwaffen die freieste und sicherste Wirkung gestatten. Also ein tiefer, nasser Graben, ein guter Wall und eine sichere Wassenwirt'ung, das sind die drei Erfordernisse, die an eine Befestigung in allen Fällen gestellt werden müssen und umgekehrt kann man sagen, je einfacher und klarer das Genügen dieser drei Erfordernisse aus einer Befestigung hervortritt, desto besser, das heißt desto brauchbarer ist sie. — Die Befestigungen sind entweder Festungen oder Verschanzungen. Die erstem sind permanente Anlagen, welche ihre Bedeutung in dem Orte finden, den sie einschließen; die andern sind vorübergehender Art, ihre Bedeutung liegt uur darin, daß sie Stützpunkte einer militärischen Aufstellung bilden. — Mannig¬ faltig, wie diese Aufstellungen sind, ist auch die Anwendung der Schanzen. Und wie der Krieg erfolgreicher ist, je mehr das Todten des feindlichen Soldaten die Hauptsache ist, das Manövriren und Stellungeneinnehmcn zurücktritt, ebenso und in demselben Verhältniß ist die Verschanzungskunst für die Armee wichtiger, als die großen Festungen. Die Verschanzungskunst gestattet binnen 24 Stunden aus jedem Aufenthaltspunkt einer Truppe einen festen Ort zu machen, der sich unter den Augen des Gegners zur Festung entwickeln kann; eine Festung aber fordert für alle Zeit die Kräfte des Landes und eine militärische Besatzung. — Im Interesse des Landes wie der Armee liegt es daher, die Festungen auf ein Minimum rü der Zahl zu reduciren und die Verschanzungskunst in der Armee nach Kräften zu erhöhen. — Die Dänen haben ihre Festungen Rendsburg und Friedrichssiadt und die in den letzten zehn Jahren mit dem Aufwand großer Kosten befestigte Stellung des Dannewerts freiwillig geräumt, sind hinter die düppler Schanzen zurück- zegangen und haben diese in den letzten Wochen zu einer Festung verwandelt. Die Oestreicher haben 1859 vor Beginn des Krieges aus Piacenza rasch noch eine Festung gemacht und zu diesem Zweck sogar aus Verona ein reiches Ar- tilleriematerial herbeigeholt, bei dein angetretenen Rückzug aber wurde Ort und Material ohne Weiteres aufgegeben. Sewastopols Bedeutung erwuchs 1854 nicht aus den vorhandenen Festungswerken, sondern aus den neuen Schöpfungen Tettenbvrns. Richmond ist nie eine Festung gewesen und vertheidigt sich nun schon im dritten Jahre. Im Jahre 1806 verlor Preußen mit den Schlachten gleich die größten seiner Festungen. Im Jahre 1813 eroberte Preußen seine Länder wieder, die Festungen aber blieben im Besitz der Franzosen. 1814 und 1815 behielt Napoleon fast alle seine Festungen, verlor aber das Reich und die Herrschaft. Was bedeuten also Festungen? — Die Frage beantwortet sich nur durch den schon erwähnten Satz: „der Krieg ist eine Fortsetzung der Politik." Die Anlage von Festungen bezweckt die Ueberwindung einer politischen Schwäche,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/158
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/158>, abgerufen am 23.07.2024.